Es soll ja Menschen geben, die gerne Jahreszeiten erleben. Das hört man immer wieder mal von Leuten, die etwa das ganz Jahr in einer Gegend verbringen, in der es mehr oder weniger nur Sommer ist. Ähnlich ist es in Island. Nur eben andersherum. Elf Monate Winter. Zwar sinken die Temperaturen nicht sonderlich weit unter den Gefrierpunkt, doch es ist ob des Meeres rings herum immer ein wenig feuchtkalt. So ist es wie in vielen nordischen Ländern. Alkohol spielt eine große Rolle. Wärme von innen. Deshalb verwundert es auch nicht, dass in den vergangenen Jahren einige kleine Brennereiern starteten. Mit durchaus interessanten Produkten und einer Gemeinsamkeit: Brennevin. Den gibt es auch aus der Reykjavik Distillery am Hafen der Hauptstadt.
Es ist nicht mehr als eine große Garage auf einem Hafengelände von Reykjavik. Schrotthändler, Bootsreparaturen, mittendrin die Brennerei. Eine Namensgebung mit der Snorry Jonsson marketingtechnisch gleich doppelt punktet. Zum einen hat er so alles zu seinen Produkten gesagt. Zum anderen ist die örtliche Marketinggesellschaft froh, dass der Name ihres Produktes (Reykjavik) so ganz einfach in die Welt hinaus geht. Man merkt Snorry an, dass er seinen Job liebt. Erfolg gibt ihm Recht.
Hinein in den Gletscher
„Ich suche größere Räume“, erzählt er. Was aber eigentlich falsch ist, wie er dann einräumt. Denn die Räume hat er schon, nur keine Zeit umzuziehen. Die Nachfrage nach seinen diversen Getränken aus Rhabarber, schwarzer Krähenbeere, Gin etc. ist einfach zu groß. Er kann sich keinen Produktionsausfall leisten. Es wird viel getrunken. Ob nun in der Hauptstadt oder bei einen Ausflug zu Naturspektakeln. Gletscher, Nordlicht, Heiße Quelle. Das alles am Langjökull Gletscher. Den kann man sogar von innen erleben. Tunnel führen durch ihn hindurch. Im Inneren gibt es sogar eine kleine Kapelle mit Altar und Gestühl. Kalte Hochzeiten sind etwas ganz Besonderes.
Hinauf geht es mit ausgedehnten Militärfahrzeugen durch eisige Landschaft. Wieder am Ausgangspunk kann man auch dort in einer heißen Quelle entspannen. Husch in die Badehose rein und hinein ins fast 40 Grad heiße Thermalbad. Bei Außentemperaturen von minus fünf Grad Celsius, die sich gefühlt durch den immer vorhandenen feuchten Wind wesentlich kälter anmuten, ein wunderbares Gefühl. Und auch hier natürlich mit Drink in der Hand. Irgendwann meinte wohl einer dieser nordischen Götter den Schalter umlegen zu müssen und das Nordlicht zu präsentieren. Ein magischer Moment.
Warmes Bad für die Pferde
Der Legende nach haben die ersten Isländer in den geothermalen Quellen sogar ihre Pferde gebadet, damit diese wieder zu Kräften kommen. Das war irgendwann gegen Ende des ersten Jahrtausends. Im Jahre 870 kamen die ersten Wikinger vom nordischen Festland auf die karge Insel. Manch Reisender von heute fragt sich, wieso sie geblieben sind. Scheint doch die Insel eigentlich unbewohnbar. Immerhin sind ja einige der Vorfahren der Isländer tatsächlich weitergereist. Nach Grönland und bis ins heutige Nova Scotia an Nordamerikas Küste. Gut 500 Jahre vor Kolumbus. Nur hat eben deren Marketingabteilung versagt und es niemandem erzählt.
Ein paar Bäume gibt es auf Island und einige Ansiedlungen. Ansonsten Ödnis. Diese hat jedoch einen ganz besonderen Reiz. Wie Mond mit Schnee. „Man sollte das erste Mal im Sommer herkommen“, meint Birger Gudmundsson. Er ist Hotelchef im Marina Hotel, in dem auch die Slippbarinn Bar beheimatet ist und er hat einst den Bar Summit mit aus der Taufe gehoben. „Für uns sollte das eine gute Gelegenheit sein, auch in der kalten Jahreszeit Gäste hierher zu holen und außerdem können unsere Barkeeper von den internationalen Gästen lernen. Das Festival allerdings hielt sich nicht lange. Egal, getrunken wird weiter.“
Das isländische Berlin
Wenn er von Sommer redet, denkt man allerdings an die Aussage etlicher Isländer: „Der schönste Tag im Jahr ist der Sommer.“ Schnee ist irgendwie, irgendwo, immer und in diesem imaginären Sommer sind es mit Glück irgendwas um die 15 bis 20 Grad Celsius. Wenn es gut läuft. Dann sieht man sogar kurze Hosen und T-Shirts. Trotzdem kommen pro Jahr fast eine Million Touristen. Einige bleiben sogar. So wie ein Westfale, der am Hafen eine Fahrradshop betreibt. Teilweise mit schneetauglichen, extrabreiten Reifen. „Berlin“ heißt sein Laden. „Osnabrück hat sich nicht so toll angehört“, meint der Chef lachend.
Dies ist jedoch nur eine kleine Sehenswürdigkeit der Hauptstadt. Sicherlich die größte und vor allem höchste des Landes ist die Hallgrimmskirche, mit ihren 73 Metern Höhe das am weitesten in den Himmel ragende Bauwerk der Insel. Irgendwie um Größe geht es auch im Penismuseum, welches nicht unerwähnt bleiben soll. Einen ziemlich geschichtsträchtigen Ort findet man am Rand der Hauptstadt. Im Gästehaus Höfði hielten 1986 Ronald Reagan und Michael Gorbatschow ihr zweites Gipfeltreffen ab. Die wohl beste Sehenswürdigkeit Island ist und bleibt aber wohl die Natur.
Ein Besuch auf Island ein gutes Stop-Over-Ziel wenn man nach Nordamerika oder von dort nach Europa reist. Icelandair bietet dafür interessante Angebote. „Die meisten unserer Gäste kommen jedoch speziell nach Island“, sagt Gudmundsson. So ist der Tourismus längst eine wichtige Einnahmequelle für das Land.
Mehr Schafe als Einwohner
Natürlich aber auch die Schafzucht. Davon gibt es mehr als Einwohner auf der Insel. Bei den 300.000 Einwohnern kommen auf jeweils 1.000 Isländer 1.636 Schafe. Und dann ist da eben noch die Brennerei. Da gibt es die Foss Distillery, die vor allem mit Kräutern arbeitet die bereits erwähnte Reykjavik Distillery und die Eimverk Distillery. Diese ist für ihre neun Sorten Gin berühmt. Aber auch Whisky geht aus dem Haus. Übrigens hergestellt in einem Kupferbrennkessel aus Deutschland. Und klar – alle stellen Brennevin her. Ohne den geht in Island gar nichts.
Kurioserweise war der Brennevin in der Geschichte des Landes fast immer erlaubt. Im Gegensatz zu Bier, welches erst 1989 seine Befreiung erlebte. Am 1. März dieses Jahres fiel das Bierverbot. Na dann – Skål !
Honza Klein
Der Berliner hat für diverse Radiosender gearbeitet, war viele Jahre Redakteur bei der Berliner Morgenpost, hat an Büchern über Berlin mitgearbeitet und ist u.a. Autor für die Super Illu und Gastgeber einer Talksendung bei TV Berlin.