
Giraffen werden bis zu sechs Meter groß, leben in den Steppengebieten des schwarzen Kontinents und ernähren sich als Wiederkäuer vorwiegend von Blättern. Daneben ist der gefleckte Paarhufer als Herdentier bekannt. Eine Eigenschaft, die offensichtlich nicht nur den lebendigen Tieren mit dem außerordentlich langen Hals zu Eigen ist. Denn am Wickeder Hellweg in Dortmund tummeln sich mehr als 30.000 (!) Artgenossen aus Gold, Silber, Onyx, Alabaster, Keramik und Porzellan, aber auch aus Aluminium, Bronze, Holz, Speckstein, Messing, Zinn, Stein und Stahl. Daneben finden sich Exemplare aus Stoff, Leder, Bast, Wachs, Glas, Plastik oder anderen Kunststoffen. Sogar Langhälse aus Bananenblättern und Baumrinde sind im Giraffen-Museum anzutreffen.

Dies ist nicht nur das einzige Museum seiner Art in Deutschland, sondern auf seine Art auch einzigartig. Die stolze Sammlung, fand sogar den Eintrag in das „Guinness-Buch der Rekorde“. Die langen Hälse drängeln sich dicht an dicht im Anbau, Keller und im Atelier unter dem Dach des privaten Wohnhauses. Betreiber des Museums ist weder eine staatliche Institution noch eine Stiftung. Liebevoll zusammengestellt wurde die tierische Sammlung von einem hoch aufgeschossenen Mann, von 198 Zentimetern Körpergröße: Heinz-Jürgen Preuß.
Der gelernte Maurer-Meister und ehemalige Mitarbeiter des Bauordnungsamtes der Stadt Dortmund hat in knapp 40 Jahren mit viel Akribie, Herzblut und mit manchem tiefen Griff in die Privatschatulle die größte Giraffenherde der Welt zusammengetragen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Jäger und Sammler, immer auf der Suche nach neuer Beute – und dies weltweit. Das Internet ist beim Aufspüren von seltenen Fundstücken eine ganz wichtige Hilfe.
Es gibt offensichtlich Nichts, was es nicht gibt. So weckt ein Blick durch die Sammlung des zweifachen Familienvaters gleichermaßen Schmunzeln, Erstaunen und Faszination. Soweit das Auge reicht finden sich in dem kleinen, aber feinen Museum Giraffen in jeder Form und Größe: Sie zieren Aquarelle, Banknoten, Münzen, Uhren, Spieluhren, Fahnen, Karnevalsorden, Straußeneier, Ü-Eier, Telefonkarten, Jojos, Scherenschnitte, Stickereien und Teppiche, aber auch Aufkleber, Schneekugeln und Schirme.

Selbst auf Windeln, Eierbechern, Schachfiguren, Zahnbürsten, Brillenetuis, Handyhaltern, Dessous, Socken, Krawatten, Kleidungsstücken, Ketten, Ringen, Manschettenknöpfen, Broschen und Krawattenklammern ist das Konterfei von Langhälsen zu sehen. Hinzu kommen Spielgeräte, Spielsachen, Stempel, Porzellan, Besteck, Briefmarken, Gemälde sowie Nahrung- und Genussmittel wie Giraffen-Tee oder Giraffen-Bier aus Dänemark (selbstverständlich in den entsprechenden Trinkgefäßen). Statt der obligatorischen Gartenzwerge zieren den Rasen am Wickeder Hellweg Giraffen, die Wasser speien.
Vor dem Haus reckt sich ein selbst gefertigter 5,85 Meter großer gefleckter Riese gen Himmel und deutet schon von Weitem die Passion von Heinz-Jürgen Preuß an; und aus der Garage neben dem Haus scheint ein weiterer Paarhufer zu wachsen, denn während Beine und Rumpf das Tor verschönern, sind der Hals und Kopf auf dem Garagendach befestigt. Nur lebende Exemplare des afrikanischen Wiederkäuers fehlen eigentlich noch. Gleichwohl hat der Karnevalist ein Herz für die afrikanischen Steppenbewohner. So beobachtete er die Tiere bei einer Safari in Kenia und als Heiligabend 1993 eine kleine Giraffe im Dortmunder Tierpark das Licht der Welt erblickte, wurde ihm die Ehre zu Teil, das Riesenbaby auf dem Namen „Farah“ zu taufen.
Die Verbindung zum Dortmunder Tierpark kam über den Klub Langer Menschen (KLM) zustande. Die Vereinigung mit heute knapp 140 hoch aufgeschossenen Mitgliedern unterstützte ganz massiv den Bau des Giraffen-Geheges und -Hauses im Dortmunder Tierpark. Ganz unschuldig ist der KLM Bezirk Dortmund auch nicht an der heutigen Sammelleidenschaft von Heinz-Jürgen Preuß, der als Vorsitzender 34 Jahre lang an der Spitze des Vereins stand. Bei einem so genannten Rattenfänger-Wochenende des KLM in Hameln half Kommissar Zufall die Begeisterung für Giraffen zu wecken. Im Giraffen-Museum finden sich Langhälse in allen Größen und Formen sowie aus allen erdenklichen Materialien. Im Giraffen-Museum finden sich Langhälse in allen Größen und Formen sowie aus allen erdenklichen Materialien.

„Im Hotel-Pool schwamm mir eine Plastikgiraffe in die Hände“, erinnert sich Heinz-Jürgen Preuß an die folgenschwere Begegnung mit einem künstlichen Langhals. „Danach hat sich alles irgendwie hochgeschaukelt. Wir hatten mächtig Spaß mit dem Tierchen“, schmunzelt der gebürtige Berliner rückblickend. Das Giraffenfieber erfasste den ganzen Klub. Schnell wurde das Tier Teil der Vereinsfamilie, tauchte als Maskottchen bei Veranstaltungen und im Logo des KLM Dortmund auf.
Und während das Fundtier vergleichbar dem ersten selbstverdienten Taler von Dagobert Duck heute im Hause Preuß einen Ehrenplatz in einem durchsichtigen Behältnis besitzt, erwachte peu à peu die Sammelleidenschaft bei Heinz-Jürgen Preuß. Freunde, Bekannte und Verwandte trugen ihren Teil zum Museumsgrundstock bei. Andere Exponate erwarb er auf Flohmärkten und Auktionen. Zahlreiche Auftritte in Rundfunk und Fernsehen taten ein Übriges. Die größte private Giraffenherde der Welt wuchs und wuchs.
„Eigentlich hatte ich mir geschworen, dass die Wohnung giraffenfrei bleibt“, erklärt Preuß, „aber da war wohl mehr der Wunsch der Vater des Gedankens.“ Denn irgendwann musste er angesichts des nicht enden wollenden Stroms schlichtweg kapitulieren. Der Keller wurde ausgebaut, der großzügige Wintergarten zum Ausstellungsraum umfunktioniert. Eines möchte der unermüdliche Sammler jedoch nicht unerwähnt lassen: „Ohne das Verständnis und die Mithilfe meiner Familie und meiner Partnerin und all denen, die ihren Teil zum Gelingen beitrugen, wäre das Museum heute nicht das, was ist“, so der Dortmunder weiter.
Obschon das Giraffen-Museum nur nach vorheriger telefonischer Absprache besucht werden kann, finden seit Jahren mehr und mehr Interessierte aus der ganzen Welt den Weg in den Dortmunder Vorort. Die durchweg positive Resonanz ist für Heinz-Jürgen Preuß Anerkennung und Ansporn zugleich, weiter den Hals nach langen Hälsen auszustrecken.
Informationen: Giraffen-Museum, Wickeder Hellweg 25, 44319 Dortmund, Telefon 0231-2864577, www.giraffen-museum.de
Spannender Buch- und Geschenktipp: Lost & Dark Places Ruhrgebiet
Bei Lost & Dark Places Ruhrgebiet denkt man sofort an das reiche Erbe der Industriekultur: Zeche Zollverein oder den Landschaftspark Duisburg-Nord. Doch nicht nur die einstigen Bergwerke und Hochöfen wissen Geschichte und Geschichten zu erzählen. Spannend sind auch die tatsächlich vergessenen oder verschwiegenen Zeugen früherer Epochen: die Überreste einer alten Nazi-Autobahn, ein einstiger Fliegerhorst, eine vergessene Flussbadeanstalt, …
„Das Buch öffnet sicher einen ganz anderen Blick auf das Ruhrgebiet und zeigt ein Gesicht der Region, das bislang nur sehr wenigen bekannt ist. Zudem zeigt das Buch, dass sich hinter mancher Ruine, hinter mancher Schrottimmobilie überaus spannende Geschichten verbergen. Ob es einen Folgeband geben wird, vermag ich nicht abzuschätzen. Das Potential für ein zweites Buch ist fraglos vorhanden. Einige Orte, die ich besucht habe, sind aus Platzgründen nicht ins Buch aufgenommen. Teil des Ansatzes war es, Lost Places in möglichst vielen Teilen des Ruhrgebietes mit aufzunehmen.“ erklärt Autor Karsten-Thilo Raab augenzwinkernd.
Karsten-Thilo Raab berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen gemacht als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführer sowie Bildbänden.
Pressestimmen: “Mit “Lost & Dark Places” lässt sich eine ganz besondere Seite des Ruhrgebiets entdecken.” ― Ruhr Nachrichten
Erhältlich ist Lost & Dark Places Ruhrgebiet (ISBN: 9783734320477) von Karsten-Thilo Raab für 22,99 Euro im Buchhandel, zum Beispiel bei Amazon oder direkt beim Bruckmann Verlag.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.