Weib, Wein und Design am Main

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Beste Trauben für den Bocksbeutel wachsen auf den saftigen Hügeln der fränkischen Landschaft am Main-Ufer. – Foto Katharina Büttel

Der Weinbau wird weiblich. Auf den Gütern im fränkischen Weinland vollzieht sich ein charmanter Wechsel. Die Töchter übernehmen die Macht. Wenn im Herbst die Weinlese beginnt, sind sie am Zug – jung, innovativ, gut. Und für beide, Winzer wie Winzerin, gilt: Wer im hartumkämpften Weinmarkt Spitze ist, muss residieren und muss investieren in moderne Kellerarchitektur.

Am linken Main-Ufer ziehen sich die Weinberge eben im Flusstal, dann ansteigend, schließlich in steiler Höhe. Vom Terroir F, einem magischen Ort des Frankenweins nahe der ehemaligen Klosteranlage Vogelsburg, blickt man weit in eine Kulturlandschaft, in der es sich der Main bei Volkach „gemütlich macht“ und eine große Schleife um Weinplantagen und Wälder zieht.

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Schau her! Das Weinparadies Hirn nach Hundertwasser – ein schöner Traditionsbruch. – Foto Katharina Büttel

Radler genießen die Fahrt durch die Weingärten auf dem „Obst-Wein-Main-Panorama-Weg“ bis Fahr mit herrlichen Ausblicken auf die Wallfahrtskirche Maria im Weingarten mit dem Schnitzwerk Madonna im Rosenkranz von Tilmann Riemenschneider. Ringsum alte Weindörfer, die man später mit mehr Zeit gern durchstöbert. Volkach, Nordheim, Escherndorf und Sommerach sind die bekanntesten, Letzteres wurde vor ein paar Jahren zum schönsten Dorf Europas gewählt.

Wer die junge Dame auf ihrem Weingut in Sommerach besucht, fährt in einen sattgrünen Traum dicht aneinander gereihter Rebstöcke, die hinaufreichen bis zu den sanften Kuppen der Hügel. Nirgends Unkraut. Rosen hier und da begleiten den Weg zum „Weinschlösschen“. Franziska Galena, die frühere Weinprinzessin, 30 Jahre jung, ist hier der Boss. Sie gehört zur wachsenden Schar von Frauen, die die klassische Männerdomäne des Weingeschäfts kräftig durcheinanderwirbeln.

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Das ist Franziska Galena. Sie ist erst 30 Jahre und doch schon Chefin auf Vaters Weingut in Sommerach. – Foto Katharina Büttel

Mit 15 Jahren kam die große Leidenschaft. „Zur Freude der Großmutter, da die Tradition fortleben konnte“, erzählt die Fränkin und streicht dabei sanft über den klassischen Bocksbeutel. „Der Silvaner ist die Rebsorte Frankens, vor 360 Jahren erstmals beschrieben: die Trauben reifen in Steillage mit schönster Sonneneinstrahlung; der Wein ist pur, hat weniger Säure als der Riesling, aber mehr an Eleganz – von ihm öffnet man gern eine zweite Flasche. Verkosten wollen wir heute ´mal den Eschendorfer Lump“, lächelt sie und füllt die Gläser.

Machen Frauen den besseren Wein? „Frauen sind anders. Wir entscheiden mehr aus dem Bauch, riechen intensiver, genießen den Wein emotionaler und überlegen gleich: Was kann ich dazu kochen“. Auf Exkursionen ins Ausland, so auch nach Frankreich und Shanghai, und im Austausch mit anderen Winzerinnen hat sie ihren Weinverstand geschärft. Nun hat man sie ausgezeichnet mit dem Titel „Winzerin des Jahres“.

Außergewöhnliches Fachwerk in der Altstadt von Volkach. – Foto Katharina Büttel

Das neue Selbstbewusstsein der Winzerinnen manifestiert sich sichtbar in kühner Kellerarchitektur. Dem Wein ein schönes Umfeld zu schaffen, auch weg vom Image des gemütlichen Fachwerks über alten Gewölben, das haben die New-Wave-Winzer kapiert und fette Bauaufträge an renommierte Architekten vergeben.

Auch Martin Mößlein in Zeilitzheim, Winzer in dritter Generation, kam mit frischen Ideen aus der weiten Welt zurück und hat hinter dem schlichten Stammhaus ein neues Gebäude der Extraklasse errichten lassen. „Die Architektur soll zum Winzer passen. Bei einem Baumeister aus Volkach wurden wir fündig. Sein Konzept: ein offener Übergang vom Fasslager in den Präsentationsraum – denn Vermarktung ist heute das Zünglein an der Waage“, sagt Mößlein.

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Tafeln im Weinberg, auf denen die Geschichte der Weinreben erklärt werden. – Foto Katharina Büttel

„Das Modernistische erklären muss heute niemand mehr. Wenn der Betrieb wächst, muss man bauen“. Und weil die Kellertechnik besondere Räume brauche, müsse man das Zweckmäßige mit dem Vorzeigbaren verbinden. Ein leises Bekenntnis zur Tradition gibt es doch: kein Parkett aus dem Holz alter Eichenfässer, der Boden ist vom regiotypischen hellgrauen Muschelkalk. “Mehr Tradition brauchen wir nicht. Die haben wir schon im Keller“. Aus dem kommt auch sein Whisky „Ernest 25“ und der Rotling, ein schöner Sommerwein mit Schliff von weißen und roten Trauben, spritzigem Müller-Thurgau und Dornfelder, der die Farbe gibt – von beiden Weinarten das Beste.

Die verblüffendste Architektur findet sich am Hangfuß der Weinberge in Untereisenheim – ein Gut nach dem Entwurf von Friedensreich Hundertwasser. Hier tanzen die Fenster und Weinflaschen in den Wänden, im Inneren leuchten die Farben der Weine. Stimmt nicht? Stimmt doch! „Seit ich den Künstler in Wien kennenlernen durfte und mich sein Architekturbuch begeisterte, träumte ich nur noch von einem Hundertwasser-Weingut“, erzählt der Önologe, Kellermeister und Visionär Matthias Hirn. Nach schwierigstem Genehmigungsverfahren – „Wo ist der fränkische Giebel?“ – lebt er nun schon an die 20 Jahre in dem originellen Haus seinen Lebenstraum und kann seine edlen Tropfen angemessen präsentieren – zum Beispiel den Weißburgunder 1. Lage, saftig, kräftig mit Geschmack nach weißer Schokolade.

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Wenn es Herbst wird im Weinland sind Radwanderungen beliebt. – Foto Katharina Büttel

Vorbei an leuchtenden Sonnenblumenfeldern geht‘s nach Escherndorf zum Weingut von Horst Sauer, derzeit hellster Stern an Frankens Weinhimmel. Neben Silvaner, hervorragenden Rieslings hat ihm der Escherndorfer Lump Silvaner Beerenauslese VDP, 1. Lage, den Beinamen „Süßwein-Papst“ eingebracht. „Der steile Lump am Südhang ist nicht nur eine Edellage, er ist geradezu genial, hier sind die Rebstöcke vor Winden geschützt. So kann ich meine Idee, meine Philosophie in die Flasche kriegen“, erzählt er mit Stolz. Der Boden aus Muschelkalk bringen diese Spitzenweine hervor, die nach Sauer den Geschmack Frankens ausmachen und zu den fränkischen Grands Crus zählen.

Sauer lebt in der Welt des Weins. Nach ihm entstehen große Weine zuerst im Kopf. Er spricht vom Fingerspitzengefühl, das es für frische Trauben braucht, damit nicht die Kerne platzen und Bitterstoffe sich lösen, spricht von Intuition beim Verkosten. Und zum Thema Natur: „Man sieht es den Reben an, wie der Winzer mit ihnen umgeht. Qualität kommt von quälen; der Wein entsteht im Weinberg, nicht im Keller“. Dass er mit großer Lust und Freude jeden Tag aufs Neue im Weinberg ist, nimmt man ihm sofort ab.

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11. In den fränkischen Heckenwirtschaften lässt es sich so herrlich jausen. – Foto Katharina Büttel

Mit diesem Credo und der Tatkraft seiner engagierten Tochter Sandra Sauer – im letzten Jahr war sie Winzerin des Jahres – führt der wohl beste Önologe Frankens und darüber hinaus sein 21 Hektar großes VDP-Weingut. Für beide sind ihre Weine „Weinpoesie pur, mal fröhlich, mal melancholisch“.

Auch beim Neubau setzte Sauer auf sein höchst eigenes Gespür. „Dem Architekten sagte ich, wie unsere Weine schmecken, was ich spüre, sehe, die Farben, das Grau des Steins, des Muschelkalks, die Einmaligkeit der Landschaft – das alles sollte sich im Bau widerspiegeln“. Das Werk ist gelungen, schlicht, minimalistisch in Funktionalität, Form und Farben. Einfach schön und Genuss auf den ersten Blick. Wie beim Wein: der erste Schluck entscheidet. Text: Katharina Büttel

Romantisch wie im Märchen – das Rödelseer Tor gehört zur mittelalterlichen Stadtbefestigung Iphofens. – Foto Katharina Büttel

Anreise: Mit der Bahn bis Würzburg, weiter mit Bus oder Auto eine halbe Stunde bis Volkach an der Mainschleife.

Feste: Jedes Jahr Mitte August findet in Volkachs denkmalgeschützter Altstadt das größte Weinfest Frankens statt – Herbstfeste sind wegen Corona alle abgesagt, sonst an September- und Oktoberwochenenden. Beliebt ist die geführte „Gourmet-Häppchen-Tour“. Dabei lernt man die lokale Küche, diverse Weine und die Geschichte der Altstadt kennen. Mit fünf Stopps kostet sie 29 Euro, buchbar nur in der Altstadt. Beste fränkische Handwerksküche schmeckt in Reimers Zehnthof, Nordheim.

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Gehobene moderne Küche in stilvollem Ambiente bietet das Restaurant Schwane 1404 in Volkach. – Foto Katharina Büttel

Kultur und Natur: Wallfahrtskirche Maria im Weingarten mit der aus Holz geschnitzten Madonna im Rosenkranz von Tilman Riemenschneider. Die prähistorische Wehranlage Vogelsburg mit herrlichem Panoramablick über die Mainschleife. Wandern entlang des Panoramawegs von Volkach nach Fahr; Radtour „Reif für die Insel“. Mit Weindozentin Martha Gehring unterhaltsam auf Architektur- und Weinanbau-Tour.

In Iphofen erfährt man bei Wanderungen durch königliche Weingärten hinauf zum historischen Weinberg viel über die Arbeit der Winzer, Weinlagen und Rebsorten. Bei Stadtführungen skurrile Geschichten aus dem mittelalterlichen Erbe. Beliebt sind Hoffeste beim Winzer, Bremserfest (Ende der Weinlese) und der Weihnachtsmarkt. Fernradwege sowie Thementouren über 1.200 km Länge möglich.

Liebevoll gestaltet der Brunnen vor der Goldenen Krone in Iphofen. – Foto Katharina Büttel

Informationen: www.fraenkisches-weinland.de

Weingüter: Familienweingut Braun mit wunderschöner Weinlaube, Fahr; www.weingut-braun.de

Prädikatsweingut Schwane mit gehobener Küche im Restaurant „Schwane 1404“, Volkach; www.schwane.de

Steillagenwein, Silvaner, Riesling oder Scheurebe auf dem ‚Frauen‘-Weingut Galena, Sommerach; www.weingut-galena.de

Weingut Mößlein mit Whiskybrennerei, Zeilitzheim, www.weingeister.de

Elegante Weiße und straffe Rotweine sind typisch für das Frankenland. – Foto Katharina Büttel

Weinparadies Hirn mit Gästezimmern, Heckenwirtschaft und Hundertwasser-Artikel, Untereisenheim; www.weingut-hirn.de

Winzerhaus Horst und Sandra Sauer, Escherndorf, Tel.: 093812-4394

Übernachten: Volkach Hotel Vier Jahreszeiten mit historischem Ambiente, www.vierjahreszeiten-volkach.de