Unterwegs im größten Aquarium der Karibik

Im Minutentakt scheinen die Hotelfassaden am Palm Beach zu schrumpfen. Bei jedem Blick zurück wirken die direkt am Strand gelegenen Übernachtungstempel am nördlichen Ende von Oranjestad immer kleiner, bis sie fast nur noch als Linie am Horizont zu erkennen sind. Schon bald ist die Insel-Hauptstadt von Aruba nur noch mit Wohlwollen als Punkt in der braun-grünen Masse aus Strand, Kakteen, Palmen und Divi-Divi-Bäumen zu erahnen. Dahinter ragen mit dem 188 Meter hohen Jamamota und dem 167 Meter hohen Heuberg die beiden markantesten Erhebungen der sonnenverwöhnten Karibikinsel wie kleine Gugelhupfs gen Himmel. Die Palm Pleasure bewegt sich im immer gleichen Rhythmus der Wellen auf und ab. Ein lauer Wind lässt das Segel schlapp umherflattern und treibt die wenigen Wolken über das blau und grün schimmernde Wasser. Immer wieder schwappt die Gischt über die Bordwand des Katamarans und sorgt für eine angenehme Erfrischung mit Peeling-Effekt.

Derweil heizt Crewmitglied Ryan die Stimmung an Bord mächtig an: „Sind alle bereit für ein bisschen Spaß? Sind alle bereit für eine geöffnete Bar? Denn genau so lieben wir es hier in Aruba“, ruft der bullige Seemann mit dem kurz geschorenen Haar und dem nackten Oberkörper, während er etwas ungeduldig von Bein zu Bein hüpft.

„Na, nicht so zögerlich“, fordert Ryan noch vor dem ersten Stopp an der Catatina Bay unweit des beliebten Arashi Beach die Gäste halb lachend zu einem Cocktail auf und liefert gleich die Begründung hinterher: „Zwei, drei Aruba Ariba und ihr seht nicht nur viel mehr Fische, nein, die Fische wirken auch gleich doppelt so groß!“

Mit Taucherbrille, Schnorchel und Schwimmflossen folgt schon wenige Minuten später der Sprung in die wohlig warme See. Vorher greift ein jeder noch zu einer der bereitgehaltenen Schwimmwesten. Diese sorgen für jede Menge Auftrieb und erleichtern so das Schnorcheln. Das eigene Atemgeräusch wirkt für viele überaus beruhigend, kann aber auch Angst einflößend sein. Mit dem Kopf halb unter Wasser klingt es ein bisschen wie in einem Horrorfilm, wenn der Leinwandheld im Dunkeln von einem schnaufenden Massenmörder verfolgt wird. Eine Vision, die beim Plantschen im – laut Ryan – „größten Aquarium der Karibik“ schnell in Vergessenheit gerät. Wohlig warmes Wasser, Sichtweiten von bis zu 40 Metern sowie ein buntes Kaleidoskop mit unzähligen Schwamm-, Korallen- und Fischarten sind die Pfunde, mit denen die Gewässer vor der Küste Arubas wuchern können. Da tummeln sich die zur Familie der Barsche gehörenden Mahimahi, atlantische Fächerfische, blaue Marline, Falterfische, Snapper, blaugrüne Wahoos, Zackenbarsche (Grouper), Muränen, Papageifische und jede Menge Schwarmfische.

Mit einer Wundertüte voller Eindrücke geht es zurück an Bord. Und schon nimmt der Katamaran wieder Fahrt auf. Zuvor unternimmt Ryan eine kleine „Volkszählung“, um sicher zu gehen, dass niemand im Wasser vergessen wurde. Mit dem lauen Wind im Haar und Salzgeschmack auf den Lippen nähert sich die Palm Pleasure dem Wrack der Antilla. Das einst stolzes Schiff der deutschen Kriegsmarine wurde 1941 auf Anordnung von Kapitän Wolfgang Heiden vor der Bordwestküste versenkt, um nicht den Niederländern in die Hände zu fallen. Die 80-köpfige Besatzung wurde gefangen genommen, während die Schiffsreste sicher selber überlassen wurden. Aus rund 20 Meter Tiefe ragen heute wenige Teile des Wracks bis an die Wasseroberfläche. „Bitte taucht und schnorchelt alle nur vor dem Bug unseres Schiffes“, fordert Ryan auf. Um gleich mahnend hinterher zu schieben: „Die Strömung ist heute extrem stark. Wer nicht aufpasst ist ruckzuck in Venezuela. Und dann steht Ihr da. Ohne Pass und ohne Geld!“

Direkt unter der Palm Pleasure liegt der mächtige Rumpf der Antilla. Längst hat sich der Schiffskörper zur Seite geneigt. Das Deck ist von einer Explosion im Maschinendeck aufgerissen, die rostige Bordwand ist von Muscheln und Algen überzogen, während die Geschütze von Korallen übersät sind. Hier ziehen Meeresschildkröten gemächlich ihre Bahnen. Der Versuch, den an Land so behäbigen Tieren nur ein Stück zu folgen, scheitert kläglich. Denn im Wasser sind sie überaus flink und wendig. So dass die Konzentration wieder dem stummen Zeugen des deutschen Kriegswahns rund zehn Flugstunden südwestlich der Heimat gilt.

Nach einem dritten Tauch- und Schnorchelstopp schippert die Palm Pleasure langsam zurück gen Palm Beach. Vor dem Bug tauchen zwischen Malmok Beach und Hadicurari immer wieder Wind- und Kitesurfer auf, die auf Aruba angesichts der ständigen Passatwinde aus östlicher Richtung voll auf ihre Kosten kommen. Derweil erlangen die Meeresschildkröten bei dem einen oder anderen nach dem dritten oder vierten Aruba Ariba fast schon die Größe eines Walfischs. Und die Palm Pleasure bekommt die Ausmaße eines stattlichen Dreimasters. Bleibt nur zu hoffen, dass nach der bunten Unterwasserwelt jene unscheinbaren Cocktails mit großem Wodka- und Rum-Anteil sowie Curacao und Bananenlikör nicht für ein blaues Wunder sorgt.

Allgemeine Informationen: Aruba Tourism Authority, R.J. Schimmelpennincklaan 1, 2517 JN The Hague, Niederlande, Telefon 02151-7478939 und 0031-(0)70-3028046, info@aruba.de, www.aruba.de.

Lage: Aruba liegt im Südwesten der Karibik rund 40 Kilometer vor der Küste Venezuelas. Die rund 106.000 Einwohner zählende Insel ist knapp 30 Kilometer lang, neun Kilometer breit und verfügt über eine Fläche von 184 Quadratkilometern. Die Hauptstadt ist Oranjestad.

Anreise: KLM bietet Direktflüge von Amsterdam nach Aruba an. Die Flugdauer beträgt zehn Stunden. Von nahezu allen größeren Flughäfen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es entsprechende Zubringer. Informationen unter www.klm.com.

Einreise: Es genügt ein mindestens noch drei Monate gültiger Reisepass.

Sprache: Amtssprachen sind Holländisch und Papiamento. Englisch und Spanisch werden überall gesprochen und verstanden.

Klima: Auf Aruba liegt die Jahresdurchschnittstemperatur fast konstant bei 28 Grad Celsius. Es herrscht überwiegend trockenes Klima. Niederschläge sind höchst selten, dafür weht fast ständig Ostwind. Durch die begünstigte geographische Lage ist die Wahrscheinlichkeit, dass Aruba von einem Hurrikan heimgesucht wird, äußerst gering.

Zeitunterschied: Während der mitteleuropäischen Sommerzeit beträgt der Zeitunterschied minus sechs Stunden, während der Winterzeit minus fünf Stunden.

Währung: Arubanischer Florin (Afl.) sowie US-Dollar. Der Kurs schwankt mit dem US-Dollarkurs, außerhalb des Landes sind Arubanische Florin nicht umtauschbar.

Strom: 110 Volt Wechselstrom, die Nutzung eines Adapters ist notwendig.

Schnorcheltour: De Palm Tours bietet vierstündige Touren ab 79 US-Dollar an. Startpunkt ist am Pier von Palm Beach. Info unter 00297-582-4400 und www.depalm.com

Essen & Trinken: Charlie’s Bar, Mainstreet, San Nicolas, Telefon 00297-584-5086, www.charliesbararuba.com. Der bis unter das Dach mit Kuriositäten und Krimskrams voll gestopfte In-Treff ist vor allem für seine Hummer- und Steakvarianten bekannt.

Old Cunucu House, Palm Beach 150, Oranjestad, Telefon 00297-586-1666. In dem 150 Jahre alten Haus kommen typisch arubanische Spezialitäten wie Stewed Conch, ein Eintopf mit dem Fleisch von Muscheln, oder Keeshgena, ein Huhn, das mit Gouda-Käse, Zwiebeln, Paprika, Sellerie, grünen Oliven, Rosinen und Cashewnüssen zubereitet wird, auf den Tisch.

Übernachten: Amsterdam Manor Beach Resort, J.E. Irausquin Boulevard 252, Oranjestad, Telefon 00297-527-1100, www.amsterdammanor.com. Das Hotel im holländischen Kolonialstil liegt direkt am prächtigen Eagle Beach und bietet 72 großzügige Zimmer ab 179 US-Dollar an.

Divi Phoenix Beach Resort, J.E. Irausquin Boulevard 75, Palm Beach, Telefon 00297-586-6066, www.diviarubaphoenix.com. In dem Komplex am Palm Beach werden 240 Suiten ab 165 US-Dollar vorgehalten.

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Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.