SolidAHRität – Wiederauferstehung im Ahrtal

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Eine von vielen Bauruinen in Altenahr im Ahrtal. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Nach der verheerenden Flutkatastrophe von 2021 kehrt im Ahrtal langsam ein Stück Normalität zurück, auch wenn die Narben jener Juli-Nacht noch vielerorts deutlich sichtbar sind. Was die Bewohner brauchen, ist zu einem nicht unbedeutendem Teil „SolidAHRität“ in Form von Touristen, die der arg gebeutelten Weinregion dennoch einen Besuch abstatten und so helfen, den Wiederaufbau mit zu finanzieren.

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Die einstige Pracht der zerstörten Gebäude lässt sich allenfalls erahnen. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Die Spuren der Verwüstung sind unübersehbar, lösen unweigerlich Entsetzen und Mitgefühl aus. Auch weit mehr als zwei Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 sind viel der Schäden im Ahrtal noch nicht beseitigt. Einige Gebäude sind derart zerstört, dass der Wiederaufbau keinen Sinn macht. Ein kostspieliger Abriss bleibt die einzige Alternative. Doch ohne den notwendigen Versicherungsschutz, der nicht wenigen Hausbesitzern fehlte, steht zu befürchten, dass viele sich eine kostspielige Renovierung oder gar einen Neubau schlicht nicht leisten können und daher das Gros der zerstörten Gebäude über Jahre Bauruinen bleiben werden.

Tragische Verluste

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Eine Hauswand in Dernau als besondere Hommage an Opfer und Helfer. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Somit dürften die traurigen Gebäudereste, die die gewaltigen Wassermassen im Ahrtal zurückließen, eher ungewollt zu stummen Mahnmalen für die Opfer des Jahrhunderthochwassers avancieren. Denn die Flut kostet mindestens 135 Menschen das Leben. Zudem wurde das Hab und Gut Tausender vom Wasser mitgerissen und unwiederbringlich zerstört.

Das Hotel in Ahrweiler ist wohl Geschichte. – Foto: Karsten-Thilo Raab

So sehr die Bewohner der beliebten Weinregion unter dem Motto „SolidAHRität“ in die Hände spucken, um zu retten, was irgendwie noch zu retten ist, so sehr wird auch heute noch das Ausmaß der Katastrophe deutlich. Aber auch, dass der kostenintensive Wiederaufbau noch viele, viele Jahre in Anspruch nehmen wird.

Die Ausstellung in der AHR Vinothek in Altenahr dokumentiert das Ausmaß der Zerstörung.

Wer beispielsweise durch das 1.500-Seelen-Nest Altenahr schlendert, sieht die Extreme. Einige Häuser erstrahlen bereits im neuen Glanz. Direkt nebenan sind allenfalls der Schlamm und das Gerümpel, dass die Wassermassen mit sich brachten, verschwunden.

Aufbruchstimmung und Perspektivmangel

Hoffnungsschimmer oder nur Zweckoptimismus zwei Jahre nach der Flut? – Foto: Karsten-Thilo Raab

Entlang der Brückenstraße wird das Ausmaß der Katastrophe besonders sichtbar. Je näher zur Brücke über die Ahr, desto schlimmer die Beschädigung. Am einst schmucken Fachwerkhaus des Hotels Zum schwarzen Kreuz beispielsweise lässt sich noch die einstige Pracht erahnen. Auch das gegenüberliegende Hotel Zur Post ist in dieser Form nicht mehr zu retten. Immerhin verströmen die Eigentümer einen gewissen Optimismus. Ein Banner am Bauzaun verspricht: „Wir sehen uns wieder mit neuem Konzept – lasst Euch überraschen.“ Allein es fehlt ein wenig der Glaube, zumal sich hier nach mehr als zwei Jahren so gut wie nichts getan hat.

Für viele Gebäude gibt es keine Rettung mehr. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Und so prägen Bauruinen, Schuttmengen und gesicherte Hauseingänge das Bild im beschaulichen Altenahr. Dazwischen ducken sich Häuser und Hotels wie das Ruland, die schon wieder in alter Pracht hergerichtet werden konnten.

Wandern für den Wiederaufbau

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Die Botschaften an Besucher und Touristen ist eindeutig. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Parken und Wandern für den Wiederaufbau“ steht auf einem unübersehbaren Banner zwischen Brücke und Bahnhof. Ein Schriftzug, der von der Aufbruchsstimmung in Altenahr zeugt. Für den kleinen Ort im malerischen Ahrtal, aber auch für die nicht minder stark betroffenen Nachbarorte wie Mayschoss, Rech, Dernau. Marienthal und Ahrweiler waren und sind der Weinanbau und der Tourismus die wichtigsten Wirtschaftszweige. Entsprechend bedeutsam ist es, dass die Touristen ungeachtet der Spuren der Flutkatastrophe zurückkehren.

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Der Rotweinwanderweg ist der touristische Hoffnungsträger für das Ahrtal. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Geblieben sind die wunderbare Landschaft, die endlosen Weinberge und die vielen edlen Tropfen, die von den Winzern im Ahrtal produziert werden. Das alles erschließt sich am besten über den Rotweinwanderweg. Die famose Wanderstrecke verbindet äußerst an- und aussichtsreich seit 1972 über eine Strecke von 36 Kilometern Altenahr und Bad Bodendorf. Entlang der Weinhänge lässt sich hier Bewegung in der Natur mit Genuss auf perfekte Art und Weise kombinieren. Denn überall unterwegs laden Winzer zu Probeschlückchen ein.

Gläser für die SolidAHRität

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Mit dem Kauf der Gläser wird der Wiederaufbau im Ahrtal unterstützt. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Wer sich auf Schusters Rappen den einen oder anderen Wein gönnt, tut gleichzeitig Gutes. Für drei Euro werden von Winzern Gläser mit der Aufschrift „SolidAHRität 2021“ verkauft. Der Erlös geht an die Opfer der Flutkatastrophe. Und die Gläser können mitgenommen und an jedem Stand beliebig oft gefüllt werden. Die meisten Stände sind nur an den Wochenenden geöffnet.

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Der Rotweinwanderweg bei Mayschoss. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Bei Mayschoss gibt es inmitten der Weinberge auch einen Automaten, an dem man sich eine gut gekühlten Flasche Wein für einen fairen Preis kaufen kann. Ein zweiter Automat wird aktuell bei Rech zwischen den Reben installiert.

Einfach malerisch ist der Rotweinwanderweg gerade im Herbst. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Zwar verbindet derzeit keine Bahn mehr die Orte rund um Altenahr, da die Schienen ebenfalls der Flut zum Opfer fielen, dafür wurde eine Busalternative geschaffen. Egal wie weit einen die Füße von Altenahr aus tragen, geht es bequem mit dem Bus zurück.

Weithin sichtbare Landmarke

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Weithin sichtbar ist die Ruine der Burg Are in Altenahr. – Foto Karsten-Thilo Raab

Fast wie eine Ironie des Schicksals mutet es dabei an, dass die markanteste Landmarke von Altenahr die weithin sichtbare Ruine der Burg Are ist. Das einst stolze Gemäuer thront seit Jahrhunderten hoch über der Ahr, ohne dass der Fluss ihm je etwas anhaben konnte. Bleibt zu hoffen, dass die zerstörten Gebäude in Altenahr nicht ebenso lange Ruinen bleiben. Das haben die Menschen dort nicht verdient. In diesem Sinne, auf geht es in ein Wander- und Weinwochenende im Ahrtal. Die wunderschöne Region braucht einfach den Tourismus. Bei allem Mitgefühl ist den Menschen im Ahrtal am meisten geholfen, wenn ihre wichtigsten Einnahmequelle nicht versiegt.

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Ehemalige AHR Vinothek in Altenahr zeigt eine ergreifende Ausstellung zur Flutkatastrophe. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Tipp: Wer sich nicht nur in den Straßen des Ahrtals mit dem Anblick der vielen beschädigten Gebäude einen Eindruck von der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 verschaffen möchte, der sollte die ehemalige AHR Vinothek an der Bundesstraße B 267 (Marienthaler Straße 19) zwischen Marienthal und Walporzheim besuchen. Das ebenfalls von der Flut betroffene Gebäude ist in eine Art Museum umgewandelt worden. Zahlreiche Aufnahmen zeigen schonungslos die Schreckensbilder aus 2021. Begleitet wird das Ganze von Videoaufnahmen und Original-Kommentaren der Betroffenen. Ein sehr ergreifende Ausstellung, die fast schon ein Muss ist. Der Eintritt ist frei, allerdings wird um Spenden für die Opfer der Flutkatastrophe gebeten.

Wissenswertes in Kurzform

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Auch das ist das Ahrtal: Ein beeindruckendes, privates Wohnhaus in Marienthal. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Informationen: www.ahrtal.de und www.altenahr-ahr.de

Rotweinwanderweg: www.der-rotweinwanderweg.de

AHR Vinothek: Marienthaler Str. 19, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler, Telefon 026413039891, www.ahr-vinothek.de. Geöffnet ist die AHR-Vinothek samstags sowie sonn- und feiertags von 12 bis 18 Uhr.

Das leibliche Wohl

Eine tolle Atmosphäre prägt das Weingut Kloster Marienthal. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Essen & Trinken: Weingut Kloster Marienthal, Klosterstraße 53507 Marienthal, Telefon 02641-98060, www.weingut-kloster-marienthal.de. Das Weingut in den ehemaligen Räumlichkeiten eines 900 Jahre alten Klosters direkt am Rotweinwanderweg bietet vornehmlich „kleine“ Speisen wie Flammkuchen und Suppen in einer grandiosen Ambiente mit Blick auf die Weinberge.

Das Hotel Ruland öffnete schon ein Jahr nach der Katastrophe wieder. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Übernachten: Hotel & Restaurant Ruland, Brückenstraße 6, 53505 Altenahr, Telefon 02643-8318, www.hotel-ruland.de. Das Drei-Sterne-Superior-Hotel wurde knapp ein Jahr nach der Flutkatstrophe wiedereröffnet und verfügt über gehobene, regionale Küche.