Schuldig der Mittäterschaft im grassierenden Liegen-Reservierungswahn

Für reservierte Liegen am Strand zeigen sich nicht selten deutsche Urlauber verantwortlich. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Für reservierte Liegen am Strand zeigen sich nicht selten deutsche Urlauber verantwortlich. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Ja, sie tun es. Täglich. Überall auf der Welt. Nicht nur in Spanien, nein, überall, wo es Sonne satt, Strand, Pools und Liegen gibt. Einige tun es noch bevor der erste Hahn kräht. Die meisten tun es vor dem Frühstück. Einige tun es sogar noch schnell vor dem Schlafengehen. Ja, so sind sie – die Deutschen. Sie trinken eben nicht nur Unmengen an Bier. Nein, sie sind auch als Liegen-mit-Handtuch-Reservierer verschrien.

Vielleicht leiten sie so etwas wie ein verbrieftes Recht aus der vermeintlichen Tatsache ab, dass wir Deutschen als Reiseweltmeister gelten, auch wenn uns statistisch gesehen die Chinesen längst vom Platz an der Sonne verdrängt haben. Aber eben nicht vom Platz auf der Sonnenliege in Spanien, Portugal, Italien, Südfrankreich, der DomRep oder sonstigen sonnigen Gefilden. Vielleicht halten einige nur täglich im Stile großer Eroberer ihre persönlichen kleinen Triumphfeldzüge ab, indem sie eine gut einen Quadratmeter große Minischolle auf Plastik- oder Metallbeinen in einer Nacht- und Nebelaktion okkupieren.

Ich weiß auch nicht, ob die Deutschen diese Marotte zuerst entwickelt haben oder ob es nicht vielleicht doch die Engländer oder Holländer, oder gar ein ganz anderes Völkchen wie die Albaner oder Luxemburger waren. Unabhängig davon, ob der Erfindung des Liegen-Reservierens das Label „Made in Germany“ anheften müsste oder nicht, tun es mittlerweile Sonnenanbeter und Badeurlauber aus aller Herren Länder.

Ein Massenphänomen, das andere, vor allem unbedarfte Urlauber, irgendwie unter Zugzwang setzt. So erwischte ich mich neulich selber auf einer schönen Kanareninsel unmittelbar nach dem Aufstehen mit zwei Handtüchern unter dem Arm auf dem Weg zum Strand. Und ich konnte nichts gegen den unweigerlichen Impuls unternehmen. Es war wie ein Magnet, der mich mit aller Kraft an die Uferzone zog. Natürlich wollte ich noch nicht baden, sondern mich erst noch ordentlich frisch machen und dann in aller Ruhe ausgiebig frühstücken. Schließlich hatte ich ja Urlaub.

Thekenbrust & ZackendruseAber auch ich wollte wenigstens einmal, nur ein einziges mal, einen Liegeplatz in der ersten Reihe inne haben. Was allerdings um 8.15 Uhr morgens am völlig menschenleeren Strand nicht mehr möglich war. Der frühe Vogel fängt eben den Wurm. Wenigstens reichte es für die zweite Reihe. Auf dem Weg zurück zum Zimmer überkamen mich dann leichte Schuldgefühle, die sich verstärkten, als die Frau, die mir die Welt erklärt, die Welt nicht mehr verstand und wissen wollte, was mich denn da geritten habe. Ja, kein Zweifel, jetzt war ich ein Mittäter. Einer, der für das Bild der Deutschen im Ausland mitverantwortlich ist. Und ich schwor mir, zumindest niemals weiße Socken in Sandalen zu tragen.

Buchtipps: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Karsten-Thilo Raab: San Diego Waldfried,  (ISBN: 978-84-9015-620-9). Erhältlich ist der Kolumnenband im Buchhandel, direkt beim Verlag oder online zum Preis von 20,90 Euro.