Ökodorf Findhorn – das etwas andere Schottland

Das Meditationshäuschen in Findhorn könnte auch ein Hobbit-Bau sein. - Foto Karsten-Thilo Raab
Das Meditationshäuschen in Findhorn könnte auch ein Hobbit-Bau sein. – Foto Karsten-Thilo Raab

Das Büffet ist angerichtet – alles vegetarisch, alles aus eigenem, ökologischem Anbau. Rund 40 hungrige Mäuler gruppieren sich im Kreis um die üppig gefüllte Tafel. Doch bevor die Speisen auf die Teller geladen werden können, greift ein jeder nach der Hand des Nebenmanns, um gemeinsam das Essen zu segnen. Eine Prozedere, das in der Findhorn Community, einem der ältesten Ökodörfer der Welt im Nordosten Schottlands, fester Bestandteil einer jeden Mahlzeit ist.

„Ich finde es schön und wichtig, kurz inne zu halten, statt den ganzen Tag wie ein kopfloses Huhn durch die Gegend zu laufen“, beteuert Richard Bruncken. Der Kölner ist seit mittlerweile 14 Monaten Teil der spirituell orientierten Gemeinschaft, die sich selbst auf die Fahne geschrieben hat, „einen der niedrigsten ökologischen Fußabdrucke in der industriellen Welt“ zu hinterlassen.

Probleme hinter sich lassen

Nicht wenige Häuser in dem schottischen Ökodorf verfügen über Gras bewachsene Dächer. - Foto Karsten-Thilo Raab
Nicht wenige Häuser in dem schottischen Ökodorf verfügen über Gras bewachsene Dächer. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Nicht alles hier ist heile Welt. Aber der Aufenthalt hilft zu erkennen, was einem wirklich wichtig ist“, räumt 31-jährige offen ein. Er selber haderte lange mit seinem Lebenswandel, verdiente seine Brötchen mal als Surflehrer in Portugal, dann wieder als Meeresbodenvermesser in einem Off-Shore-Windpark in der Nordsee, ehe er 2017 den Weg in das kleine Aussteigerdorf am Moray Firth fand.

Der Deutsche Richard Bruncken ist seit 14 Monaten Teil der Gemeinschaft. - Foto Karsten-Thilo Raab
Der Deutsche Richard Bruncken bringt sich aktiv in die Gartenarbeit ein. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Viele kommen, um sich selbst zu finden oder um Probleme hinter sich zu lassen“, ist Bruncken dankbar, dass ihn die Gemeinschaft mit offenen Armen aufgenommen hat. Zuerst absolvierte er ganz zwanglos eine Kennenlernwoche. Daraus wurde schließlich ein Kennenlernmonat. Mittlerweile lebt und arbeitet der gertenschlanke, hoch aufgeschossene Kerl mit dem schulterlangen Haar und dem rötlichen Bart seit weit mehr als einem Jahr in Findhorn.

Nachhaltiger Anbau von Obst und Gemüse

Ein Relikt aus längst vergangenen Tagen: Der Wohnwagen der Gründerväter. - Foto Karsten-Thilo Raab
Ein Relikt aus längst vergangenen Tagen: Der Wohnwagen der Gründerväter. – Foto Karsten-Thilo Raab

Gemeinsam mit anderen Freiwilligen bringt sich Bruncken nahezu täglich in die Gartenarbeit ein. Ganz ohne den Einsatz von künstlichen Düngemitteln oder Pestiziden baut er das Obst und Gemüse an, das zu den Mahlzeiten im Community Center serviert wird.

Zu den Häusern gehören immer auch mehr oder weniger große, individuelle Anbauflächen. - Foto Karsten-Thilo Raab
Zu den Häusern gehören immer auch mehr oder weniger große, individuelle Anbauflächen. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Die Hürden, um hier in Findhorn zu leben und zu arbeiten, sind nicht sonderlich hoch“, so der passionierte Wellenreiter weiter. Alle müssten sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten aktiv in die Gemeinschaft einbringen – sei es im Garten, in der Küche, beim Schließdienst am Abend oder beim Reinigen der rund 120 Gästezimmer. Denn in Findhorn werden ganzjährige spirituelle Workshops angeboten.

Gemeinschaft genießt Priorität

Das Gros der Häuser in dem schottischen Ökodorf ist aus Holz errichtet. - Foto Karsten-Thilo Raab
Das Gros der Häuser in dem schottischen Ökodorf ist aus Holz errichtet. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Höchste Priorität genießt hier bei uns der friedvolle Umgangs mit den Menschen und der Natur“, erläutert Bruncken das Eigenverständnis Ökodorfes. Dazu gehöre auch, so der 31-jährige, bei Konflikten andere nicht zu beschimpfen, sondern zu versuchen, herauszufinden, wo der eigene Anteil an dem Problem liegen könnte.

Das Moray Arts Centre präsentiert Kunstgenuss auf kleinem Raum. - Foto Karsten-Thilo Raab
Das Moray Arts Centre präsentiert Kunstgenuss auf kleinem Raum. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Wer bereit ist, die simplen Regeln zu befolgen, kann in Findhorn großartig leben“, verweist Bruncken auf die Tatsache, dass es den gut 400 Bewohnern des Dorfes eigentlich an nichts mangelt. Sie wohnen in Holz- und Energiesparhäusern, bei denen Solarzellen auf dem Dach zum Standard gehören. Neben dem Community Center, das als Treffpunkt und zentraler Speisesaal dient, finden sich in Findhorn mit dem Moray Art Centre eine Kunstgalerie, eine Töpferei, ein kleines Freilufttheater, eine Kaffeerösterei sowie ein kleiner Laden, in dem von Lebensmitteln bis hin zu Gegenständen des täglichen Bedarfs alles angeboten wird.

Spirituelle Gemeinschaft und religiöse Vielfalt

Eines der wenigen Unternehmen in Findhorn ist die kleine Kaffeerösterei. - Foto Karsten-Thilo Raab
Eines der wenigen Unternehmen in Findhorn ist die kleine Kaffeerösterei. – Foto Karsten-Thilo Raab

Zudem verfügt das Ökodorf mit der Universal Hall über einen kreisrunden, multifunktionalen Bau, in dem ein regelmäßiges Kulturprogramm mit Konzerten, Theaterstücken und Filmabenden geboten wird. Eine zentrale Anlaufstelle ist darüber hinaus eine kleine Boutique, die allen Bewohnern offen. Hier werden nicht mehr gewollte oder benötigte Dinge abgelegt. Wer etwas haben möchte, kann es sich einfach nehmen.

Eine Schlüsselfunktion für die Versorgung im Dorf nimmt der Anbau von Obst und Gemüse für den Eigenbedarf ein. - Foto Karsten-Thilo Raab
Eine Schlüsselfunktion für die Versorgung im Dorf nimmt der Anbau von Obst und Gemüse für den Eigenbedarf ein. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Findhorn ist keine sektenähnliches Gebilde, sondern eine spirituelle Gemeinschaft“, unterstreicht Bruncken, dass hier Anhänger verschiedenen Religionen friedlich zusammen leben und ein jeder seinen Glauben ungestört praktizieren könne.

Anfänge in den 1960er Jahren

Individualität wird bei vielen Hausbesitzern groß geschrieben. - Foto Karsten-Thilo Raab
Individualität wird bei vielen Hausbesitzern groß geschrieben. – Foto Karsten-Thilo Raab

Die Anfänge des Ökodorfes reichen zurück bis in die 1960er Jahre. Damals verloren die Eheleute Eileen und Peter Caddy sowie deren Freundin Dorothy McLean ihre Jobs in einem nahegelegenen Hotel. Aus der Not eine Tugend machend, stellten sie ihren kleinen Wohnwagen unweit der Findhorn-Bucht auf und begannen ein kleines Stück Land ökologisch zu bewirtschaften.

Für Entspannung sorgt auch die kleine, dorfeigene Sauna. - Foto Karsten-Thilo Raab
Für Entspannung sorgt auch die kleine, dorfeigene Sauna. – Foto Karsten-Thilo Raab

Mehr und mehr Aussteiger aus Schottland und vielen Teilen der Welt folgten ihrem Beispiel. Und eines war und ist bis zum heutigen Tagen allen gemein: sie alle suchen einen Lebensform, bei der Ökologie, Nachhaltigkeit, Spiritualität und Gemeinsinn oberste Priorität genießen. Ebenso wie der Kölner Richard Bruckner.

Wo Materielles weniger wichtig ist…

Die moderneren Häuser sind allesamt mit Solardächern versehen. - Foto Karsten-Thilo Raab
Die moderneren Häuser sind allesamt mit Solardächern versehen. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Materielle Dinge sind für die meisten hier nicht wichtig“, berichtet der 31-jährige, dass sich die Bewohner von Findhorn allesamt aktiv in die Gemeinschaft einbringen. Pekuniäre Aspekte spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Und so verwundert es wenig, dass die Mitarbeiter der Findhorn Foundation einen Teil ihres nicht gerade üppigen Salärs in der Alternativwährung Eco erhalten. Das dorfeigene Zahlungsmittel ist vom Wert her an das schottische Pfund angelehnt und wird teilweise auch im Umland des Ökodorfes akzeptiert.

Einige Bewohner haben ihre Hausfassaden durchaus kunstvoll gestaltet. - Foto Karsten-Thilo Raab
Einige Bewohner haben ihre Hausfassaden durchaus kunstvoll gestaltet. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Die Idee dahinter ist, dass von dem erwirtschafteten Geld vieles im Dorf bleibt und so wieder in die Gemeinschaft zurückfließt“, so Richard Bruncken, der für sich noch nicht entschieden hat, ob er irgendwann Findhorn verlassen oder für immer hier bleiben möchte. Denkbar wäre auch, ins Umland zu ziehen, wo mittlerweile mehr als 1.400 Menschen leben, die sich der Lebensweise des Ökodorfes verpflichtet fühlen ohne selber Teil von Findhorn zu sein.

Wissenswertes zum Ökodorf Findhorn

Der kleine Dorfladen hält neben Lebensmittel auch Dinge des täglichen Gebrauchs vor. - Foto Karsten-Thilo Raab
Der kleine Dorfladen hält neben Lebensmittel auch Dinge des täglichen Gebrauchs vor. – Foto Karsten-Thilo Raab

Allgemeine Informationen: www.visitscotland.com

Informationen: Findorn Foundation, The Park Ecovillage, Findorn, Moray, IV36 3TZ, Schottland, Telefon 0044-(0)1309-690311, www.findhorn.org

In Findhorn ist eine große Willkommenskultur allgegenwärtig. - Foto Karsten-Thilo Raab
In Findhorn ist eine große Willkommenskultur allgegenwärtig. – Foto Karsten-Thilo Raab

Lage: Findhorn liegt nahe der Kleinstadt Forres im Nordosten Schottlands, etwa 30 Autominuten vom Flughafen Inverness entfernt, der u.a. von KLM via Amsterdam mit Zubringerflügen aus ganz Deutschland bedient wird.

Führungen: Von Mai bis September werden um 14 Uhr Führungen durch die Community angeboten.

Mit dem Eko verfügt das Dorf über eine eigene Alternativwährung. - Foto Karsten-Thilo Raab
Mit dem Eko verfügt das Dorf über eine eigene Alternativwährung. – Foto Karsten-Thilo Raab

Workshops: Nahezu ganzjährige werden spirituelle Workshops und Erfahrungswochen angeboten. Diese beginnen bei umgerechnet rund 800 Euro. Die Preise sind allerdings variabel; weniger Betuchte zahlen weniger, Bessergestellte sind aufgefordert, etwas mehr zu zahlen.