Nordzypern – Insel in Hülle und Fülle

Das Kloster St. Barnabas gehört zu den markantesten Landmarken in Nordzypern.

Blühende Orangen im Winter, Maulbeeren, Mispeln und wilde Orchideen im Frühjahr, bizarre Bergketten vor ewig blauem Himmel. Grünes Meerwasser, Palmen und endlose goldene Strände – hier müssen Götter am Werk gewesen sein. Und so haben all die Invasoren ihnen Tempel gebaut, Bilder gemalt, Orte geweiht: Phönizier, Griechen, Perser, Römer, Franken, Venezianer, Osmanen. Und die Briten? Hinterließen den Linksverkehr.

Treffpunkt in der Antike – das Sportgymnasium im antiken Sálamis. (Foto Katharina Büttel)

So oder ähnlich lautete die Werbung aus dem griechischen Südzypern. Aber sie spiegelt die Realität und beschreibt eben auch das türkische Nordzypern. Das führt dennoch – glücklicherweise? – noch ein touristisches Schattendasein, obwohl es auch dort viel zu entdecken gibt: alle paar Kilometer trifft man auf die Hinterlassenschaften längst vergangener Reiche – als wäre das ganze Land ein Freilichtmuseum. Klöster, Kapellen, Königsgräber, griechische Latrinen, gotische Kirchen, Moscheen – und manchmal auch bizarre Mischungen aus allem: Minarette an und auf Kirchtürmen, Kapellen auf römischen Wällen oder eine Kirche auf der Ruine eines Aphrodite-Tempels.

Menschenleer und unberührte Natur

Die Lala-Mustafa-Moschee in Famagusta wurde 1326 als gotische Kathedrale geweiht.

Am besten schafft man das alles im Mietwagen, besonders, wenn man auch zu den Hotels und Ferienanlagen an Felsbuchten des „Pfannenstiels“ auf der Karpas-Halbinsel in Nordzyperns „wildem Osten“ reist. Massentourismus ist für den türkischen Teil noch ein Fremdwort. Weite Teile sind menschenleer, die Natur unberührt, der Artenreichtum überwältigend. In Weinfeldern, die in Macchia übergehen, stehen Oliven- und Citrusbäume, Kiefern und Riesenfenchel säumen die Straßen. Die Dörfer und die Menschen in ihrer Freundlichkeit scheinen aus der Zeit zu sein.

Die Weinamphoren bedeckten das antike Segelschiff Kyrenia. (Foto Katharina Büttel)

Das wird hoffentlich so bleiben – das Interesse an Nordzypern steigt. Neue Hotels werden gebaut, das Preis-Leistungsverhältnis passt, der Service ist gut, das Land sicher. Die Insel hat großes Potential für alternatives Reisen, der Ökotourismus soll weiterentwickelt werden. Dank EU-Förderungsmittel ist die Infrastruktur so gut wie im griechischen Süden, wo die Hochburgen Paphos und Agis Nápa um die Gunst der Touristen konkurrieren.

Varósha – Geisterstadt im Sperrgebiet

Ehemals Touristenhochburg,heute traurige Erinnerung – Geisterstadt Varósha. (Foto Katharina Büttel)

Die Rolle der Partymeile war eigentlich dem türkischen Varósha, nahe Famagusta, zugedacht. Nach der Unabhängigkeit zu einem Touristenzentrum ausgebaut, wurde die Hotelzeile am Strand im Bürgerkrieg 1964 und abermals zehn Jahre später zum Kampfplatz. 1974 waren türkische Truppen in Nordzypern gelandet, um den Anschluss Zyperns an Griechenland zu verhindern. Aus Varósha wurde eine Geisterstadt im Sperrgebiet.

Nordzypern muss die trkische Fahne immer mithissen. (Foto Katharina Büttel)

In Famagusta erleben wir eine Universitätsstadt, die von Kreuzfahrern, Genuesen, Venezianern und Osmanen geprägt wurde. Sie war lange eine Drehscheibe zwischen Orient und Okzident. Im Mittelalter soll es hier 365 Kirchen gegeben haben. Einige sind noch als Ruinen eindrucksvoll. Aus der Kathedrale St. Nikolaus wurde eine Moschee – dem gotischen Bau wurde einfach ein Minarett „aufgeklebt“. Die Basarläden verwandeln sich immer mehr in Shoppingcenter. Modisch gekleidete Teenager, junge Soldaten sieht man in Gassen, auf Plätzen, in Parkanlagen oder im „Petek“, dem schönsten orientalischen Süßigkeitenladen.

Gründungsstätte der zyprisch-orthodoxen Kirche

Ein Ort der Stille – Kloster St. Barnabas mit Grab des Nationalheiligen.

Nackt im Nirgendwo steht das Barnabas-Kloster, Gründungsstätte der zyprisch-orthodoxen Kirche. Zyprioten ehren dort ihren Nationalheiligen Barnabas, einen Gefährten des Apostels Paulus.
Nur wenige Kilometer entfernt markiert ein Säulenwald das antike Salamis. Ein Trojaheld von der Insel Salamis bei Athen soll es gegründet haben; in griechisch-römischer Zeit lebten dort an die 100.000 Einwohner. Die Säulengänge des Gymnasions, die Thermen und das Theater sind teilweise erhalten; Mosaiken, Statuen und Grabbeigaben sind auch hier Antiquitätenjägern zum Opfer gefallen.

Das St. Barnabas Kloster bei Salámis ist heute Ikonen-Museum. (Foto Katharina Büttel)

Im Westen der Insel türmt sich die Kammlinie des Fünffingergebirges, auf Türkisch Besparnak. Eine schmale, kurvenreiche Straße führt durch Nadelwälder hinauf zur spektakulären Ruine von St. Hilarion. Die Mauern der Kreuzritterfestung ziehen sich um den wolkenumhüllten Gipfel. Von den sonnenüberfluteten, nahen Küstendörfern und Stränden dagegen geht bei klarem Wetter der Blick bis Anatolien.

Postkartenidylle in Girne

Kreisrund und malerisch: der Hafen in Girne.

An diesen Gestaden liegt Zyperns schönste Stadt Girne, griechisch Kyrenia. Kreisrund der alte Hafen, vollgepackt mit Fischerbooten und Yachten, umgeben von Caféterrassen und Tavernen, imposant das Hafenkastell. Eine Kirche, weiß getüncht, und eine Moschee im Hintergrund vor dem Kyrenia-Gebirge – die perfekte Ansichtskarte. Man promeniert auf dem autofreien Kai und den Festungswällen. Autos sind zu mieten und Boote zu chartern; es gibt gute Hotels. Viele Gäste sind Festlandtürken, die für ein Wochenende die Luxus-Casinos bevölkern, und Briten, die von alten Zeiten her den Norden immer schon reizvoller finden.

Zitronen und Granatäpfel – Blickfang auf jedem lokalen Markt. (Foto Katharina Büttel)

700 Meter oberhalb von Kyrenia überrascht das kleine Bellapais mit dichtem Grün und leuchtenden Zitronen- und Orangenbäumen. In romantischer Nachbarschaft der von Palmen und Zypressen umgebenen Klosterruine entstand Lawrence Durrells Zypernbuch „Bittere Limonen“; auf dem Dorfplatz unter dem „Baum der Faulheit“ genoss er seinen Tee und Kaffee. Uns schmeckt unter dem schattigen Feigenbaum Katmer, die landestypische Nachspeise aus Mandelgebäck, Honig, Zucker- und Rosenwasser – dazu ein Brandy sour.

Nikosia – pulsierendes Zentrum

Flaniermeile in Nikosia ist die mit Segeltuch beschattete Lidras Straße. (Foto Katharina Büttel)

Scharfer Schnitt: rein in die spannendste Stadt Zyperns! In Nikosia, türkisch Lefkosa, kann man neun Jahrtausende an einem Tag erleben: von der Steinzeit zum Frühchristentum im Cyprus Museum; christliche Kunst im Byzantinischen Museum. Die Stadt hört täglich fünfmal den Muezzin und sonntags die Kirchenglocken. Der Orient lebt im türkischen Nordteil. Die Cafés sind rappelvoll, alte Männer spielen Távla, Obsthändler schieben ihre Karren um die Karawanserei.

Selbst runtergekommene Gebäude in Nikosia entbehren nicht eines gewissen Charmes.

Zur gotischen Sophien-Kathedrale – heute Selimiye-Moschee – führt die Basarstraße mit schönen Herrschaftshäusern aus osmanischer und britischer Zeit. Dazwischen die trennende Green Line. Ein Holzhäuschen:„Hier verlassen sie den türkisch-zypriotischen Sektor!“ EU-Bürger zeigen den Pass und passieren. Der ganz normale Wahnsinn in der letzten geteilten Hauptstadt der Welt.

Wissenswertes zu Nordzypern

Aus der gotischen Kathedrale St. Nikolaus wurde eine Moschee. (Foto Katharina Büttel)

Allgemeine Informationenen: www.visitcyprus.com

Anreise: Mit Turkish Airlines über das Drehkreuz Istanbul nach Ercan bei Nikosia. Der Istanbuler Flughafen Atatürk verfügt über ein ungewöhnlich großes Angebot von Shopping-Meilen, Cafés, Restaurants. Dem Business-Passagier steht die weltweit größte, zweistöckige CIP Lounge mit Gourmet-, Fitness-, Relax-Angeboten u.v.m. zur Verfügung.

Innenraum der heutigen Selimiye-Moschee in Nikosia.(Foto Katharina Büttel)

Einreise: Für die Einreise nach Nordzypern ist ein noch sechs Monate gültiger Reisepass erforderlich. Die Grenzübergänge befinden sich in Derinya bei Famagusta, in Pila und Nikosia.

Reisezeit: Allgemein ganzjährig. Juni bis September sind die heißesten Monate. Der meiste Regen fällt von Dezember bis Februar.

Die Hauptstadt Nicosia bleibt zweigeteilt, trotz durchlässiger Grenze. (Foto Katharina Büttel)

Währung: In Nordzypern die türkische Lira. Es wird auch südzyprisches Geld (das zyprische Pfund) akzeptiert.

Unterkunft: Die meisten Hotels befinden sich rund um Kyrenia/Girne), z.B. das Merit Park Hotel. Eine Liste findet man im Internet unter www.northcyprus.net

Ein poppiger Hingucker ist diese Wandmalerei in Nikosia.

Buchtipp: MARCO POLO Reiseführer Zypern, Nord und Süd mit Insider-Tiopps und Erlebnistouren, 12,99 Euro.

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