Mit dem Nationalen Musikforum in Wrocław (Breslau) wird am 4. September 2015 einer der größten und prestigeträchtigsten Kulturneubauten im Nachbarland Polen seiner Bestimmung übergeben. Zugleich wird damit einer der kulturellen Leuchttürme fertiggestellt, die in Breslau vor dem Auftakt zum Europäischen Kulturhauptstadtjahr 2016 entstanden sind. In dem neuen Konzerthaus beginnt bereits am 6. September 2015 die 50. Ausgabe des renommierten Festivals Wratislavia Cantans.
Das für rund 110 Millionen Euro entstandene Gebäude des Nationalen Musikforums schließt eine Baulücke im kulturellen Zentrum der Oderstadt zwischen dem klassizistischen Gebäude der Oper und dem heute als Historischem Museum genutzten ehemaligen königlichen Schloss. Das Bauwerk am plac Wolności entstand nach Entwürfen des bekannten polnischen Architekten Stefan Kuryłowicz, der 2011 bei einem tragischen Flugzeugunglück in Spanien ums Leben kam. Mit den Arbeiten für das Projekt wurde bereits 2010 begonnen. Die Fertigstellung hatte sich wegen des schwierigen Baugrunds verzögert, gelang aber noch rechtzeitig vor dem Beginn des Jahres 2016, in dem sich Wrocław als Kulturhauptstadt Europas präsentiert.
Das neue Gebäude weckt von außen wie von innen Assoziationen an Musikinstrumente. So wurden große Teile der Außenfassade mit edlem Holz verkleidet, das dem mächtigen Bauwerk eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Im Inneren lässt der Kontrast von Wänden mit schwarzem Corian-Acrylstein und weißen Balkonen an ein Klavier denken. Goldfarbene Einfassungen an den Seiten des Orchestergrabens wecken Assoziationen an Blechblasinstrumente.
Für die Akustik zeichnet mit der US-amerikanischen Firma Artec eine der weltweit besten ihres Faches verantwortlich. Durch das Box-in-box-System wird der Konzertsaal von den Geräuschen der Außenwelt komplett abgeschirmt. Im großen Saal gibt es zudem spezielle Akustikkammern mit Toren, um den Ton zu verstärken oder zu dämpfen. Die akustische Decke kann nach Bedarf gesenkt oder angehoben werden und beeinflusst so ebenfalls den Klang im Raum.
Der Konzertsaal zählt mit 1.820 Plätzen zu den größten in Polen. Daneben gibt es einen drei weitere Räume mit zusammen fast 1.000 Plätzen. So kann das Gebäude zeitgleich für mehrere unterschiedliche Veranstaltungen genutzt werden. Musikalische Vielfalt gehört zum Programm des Hauses, und so werden dort neben klassischen Aufführungen auch Jazzkonzerte oder elektronische Musik zu hören sein. Das multifunktional nutzbare Gebäude verfügt zudem über ein Restaurant, ein Café, Geschäfte sowie eine große Tiefgarage.
Das von der Stadt Breslau, der Woiwodschaft Dolnośląskie (Niederschlesien) und dem polnischen Staat getragene Konzerthaus dient künftig den Breslauer Philharmonikern als Sitz. Dem bedeutenden Klangkörper stand bisher nur ein funktionaler Nachkriegsbau mit rund 400 Plätzen zur Verfügung. Darüber hinaus beherbergt das neue Nationale Musikforum zehn weitere Ensembles, darunter das Kammerorchester Leopoldinum, das Breslauer Barockorchester und den Polnischen Nationalen Jugendchor.
Es ist zudem Spielstätte für zahlreiche Festivals, darunter die Wratislavia Cantans, die in diesem Herbst bereits zum 50. Mal veranstaltet werden, das Festival Jazztopad und ein Festival der Wiener Musik. Zur Tätigkeit des Nationalen Musikforums gehören zudem verschiedene Bildungsprojekte, um Kindern, Jugendlichen aber auch Erwachsenen die Musik näherzubringen. Generaldirektor des neuen Nationalen Musikforums ist Prof. Andrzej Kosendiak, der bereits seit zehn Jahren für die Breslauer Philharmonie und das Festival Wratislavia Cantans verantwortlich zeichnet.
Nach der offiziellen Eröffnung des neuen Musiktempels am 4. September mit hochrangigen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur werden Bewohner und Besucher der Stadt am 5. September Gelegenheit haben, das neue Gebäude zu besichtigen und Konzerte in den verschiedenen Sälen mitzuerleben. Am 6. September findet bereits die feierliche Eröffnung des Festivals Wratislavia Cantans statt. „1966-2015: Ouvertüre“ lautet der Titel, der eine Wiederholung des fulminanten ersten Eröffnungskonzertes vor 50 Jahren ankündigt. Monumental ist die Besetzung mit Symphonieorchester und Chor des Musikforums, den Cantores Minores Wratislavienses, sowie dem Chor der Podlachischen Oper und Philharmonie aus dem ostpolnischen Białystok.
Unter Agnieszka Franków-Żelazny, Piotr Karpeta und Benjamin Shwartz spielen sie das Programm vom 14. August 1966, das unter anderem Krzysztof Pendereckis „Aus den Psalmen Davids“, Olivier Messiaens „Cinq rechant“ sowie Andrzej Koszewskis „La espero“ umfasste.
Den krönenden Abschluss der 50. Ausgabe von Wratislavia Cantans bildet die Aufführung von Gustav Mahlers Achter Symphonie mit Chor und Orchester der Warschauer Nationalphilharmonie unter Leitung von Jan Kaspszyk. Gemeinsam mit dem Chor des Musikforums, dem Polnischen Jugendstaatschor und dem Knabenchor des Musikforums sowie zahlreichen Solisten interpretieren sie am 19. September diese „Symphonie der Tausend“, die als Ausnahmewerk des großen Spätromantikers gilt.
Eine wichtige Rolle kommt den neuen Nationalen Musikforum im Jahr 2016 zu. Während des Kulturhauptstadtjahres finden dort zahlreiche bedeutende Konzerte statt. Unter anderem hat sich der chinesische Pianist Lang Lang für den 16. Februar 2016 angekündigt. Das London Symphony Orchestra gastiert dort am 25. Mai und die Wiener Philharmoniker geben sich am 30. Mai die Ehre. Zu den Höhepunkten des Kulturhauptstadtjahres gehört die große Gala zur Verleihung des Europäischen Filmpreises im Dezember 2016.
Informationen zum neuen Nationalen Musikforum und zu den Veranstaltungen dort unter www.nfm.wroclaw.pl, Informationen zum Festival Wratislavia Cantans unter www.2015.wratislaviacantans.pl und zum Kulturhauptstadtjahr 2016 unter www.wroclaw2016.pl Allgemeine Infos zu Polen unter www.polen.travel.
{google_map}Breslau, plac Wolności{/google_map}
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.