Das ist schon der Wahnsinn. Mal eben zwölf Stunden quer über den Atlantik jetten. Allein bei dem Gedanken schmerzen alle Glieder. Schon hat man Pseudo-Rücken und Gliederschmerzen. Gleichzeitig überwiegt die Vorfreude auf karibische Strände und uralte Maya-Kultur im Land der Azteken. Schon sind die Reisestrapazen in den Hintergrund gerückt. Zumal Condor ein Upgrade in die Business Class in Aussicht gestellt hat.
Am Flughafen Frankfurt erfolgt dann die erste Ernüchterung am Check-in-Schalter der Airline. Die Servicekraft kündigt eine gute und eine schlechte Nachricht an. Die schlechte: die planmäßig vorgesehene Condor-Maschine steht wegen eines Defekts nicht zur Verfügung. Die gute: man haben einen Sub-Charter organisieren können. Eine spanische Airline würde einspringen. Allerdings gäbe es an Bord der evelop! Machine nur eine Klasse, die Holzklasse. Als kleinen Trost händigt die hübsche Bodenpersonalfachkraft mir noch einen Gutschein für die Lounge aus. Dann könne ich es mir zumindest vor dem Flug noch ein wenig gut gehen lassen.
Kaffee zu Champagnerpreisen
So weit zur Theorie. Leider war die Lounge geschlossen, da Condor sich diese mit der Lufthansa teilt und die Kranichlinie mal wieder bestreikt wird. Also schlappe ich ein wenig ernüchtert zum Gate. Dort kaufe ich in dem kleinen Café einen Kaffee zu Champagner-Preisen. Und ich sollte den Kaffee schon aufhaben, bevor ich auch nur daran genippt habe. Denn ein Condor-Mitarbeiter informiert wenig später darüber, dass es wegen des Flugzeugtauschs statt direkt nach Cancun nun via Madrid nach Mexiko ginge. In der spanischen Hauptstadt würde dann nur schnell die Crew getauscht und schon ginge es weiter wie im Flug.
Knapp zweieinhalb Stunden verschlingt der Flug auf die iberische Halbinsel. Zur Stärkung gibt es ein Kaltgetränk und einen Puffreisriegel. In Madrid angekommen, heißt es, dass es in zehn, 15 Minuten weiterginge. Nach rund 45 Minuten ist die neue Crew endlich an Bord. Dann werden noch schnell die Toiletten gereinigt. Und als sich alle schon mental auf den Weiterflug eingestellt haben, kommt die Info, dass es dem stählernen Vogel noch nach neuem Kerosin dürste.
Geduldsprobe an der Startbahn
Knapp 30 Minuten später ist der Tankvorgang abgeschlossen. Schon setzt sich die Maschine in Bewegung Richtung Startbahn, wo wir Nummer 14 in der Warteschlange sind. Nach einer gefühlten Ewigkeit geht es endlich gen Mexiko.
In der Zwischenzeit habe ich festgestellt, dass der Voucher für die Lounge auch zum Shoppen an Bord genutzt werden kann. Für 20 Euro könne man damit aus den Angeboten des Bordshops frei wählen. Und während ich noch darüber sinniere, wie ich den neu entdeckten Reichtum am besten investiere, erfolgt die Ansage, dass wegen des Flugzeugtauschs an Bord nicht eingekauft werden könne.
Unfreiwilliger Kissen-Witz
Wie zum Hohn hat die Condor vor den Start auf jeden Sitz Kissen legen lassen mit dem Aufdruck: „Nicht verschlafen! Shoppen zu Bestpreisen an Bord.“ Unweigerlich fühle ich mich wie ein Looser bei einer Quizshow, wenn es heißt: „Das wäre ihr Preis gewesen!“
Obwohl wir mit 776 Sachen über den großen Teich jetten, habe ich nicht das Gefühl, dass wir mächtig Tempo machen. Was an der Distanz von knapp 8.500 Kilometern und der anberaumten Flugzeit von elf Stunden und 40 Minuten liegen mag. Oder aber an den mangelnden Beschäftigungsmöglichkeiten. Ob des Flugzeugtauschs gab es keine Zeitungen und der Monitor an meinem Platz ist defekt.
Vielleicht liegt es am heißblütigen Personal. Auf jeden Fall ist die Lüftung an Bord so kühl eingestellt, dass dies allenfalls als Wohlfühltemperatur für Eisbären gelten dürfte. Ich jedenfalls kann bei der sibirischen Kälte trotz Decke und Pullover kein Auge zukriegen.
Dafür sorgt mein Nachbar mit lautstarkem Geschnarche für musikalische Unterhaltung. Nicht aber, ohne, bevor er in den Schlaf der Gerechten verfiel, zu konstantieren: „Ist doch voll cool. Wir kriegen fast fünf Stunden mehr Flug fürs gleiche Geld und dazu einen Extrastart und eine Extralandung!“
Cancun entgegen schnecken
So kann man es natürlich auch sehen. Dafür traute ich meinen Augen nicht, als dann nach sieben Stunden Reisezeit seit dem Start in Frankfurt eine erste warme Mahlzeit serviert wird: Penne mit sieben quietschgrünen Erbsen und einer undefinierbaren Sauce. Der Hunger treibt es irgendwie hinein. Also Trost bleibt der Gedanke an Nachos, Tacos und Enchiladas, während wir weiter gefühlt Cancun entgegen schnecken. In diesem Sinne: Viva Mexico!
P.S.: Wenigstens lassen in Cancun die Koffer mehr als eine Stunde auf sich warten. So kommt wenigstens keine Hektik auf,
P.S.S.: Auf dem Rückflug läuft bestimmt alles super und nach Plan.
P.S.S.S.: Und die Erde ist eine Scheibe, Strom ist gelb und Airlines sind verlässlich Transportunternehmen.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.