In Anlehnung an den alten 1950er Jahre Schlager von Mieke Telkamp könnte es schon bald statt „„…dann schick ich Dir Tulpen aus Amsterdam“ heißen: „…dann schick ich Dir Touristen aus Amsterdam“. Wer der Empfänger für die Reisenden sein wird, ist noch offen. Fakt ist aber, dass die Grachtenstadt die Touristenströme massiv einschränken und lieber heute als morgen loswerden möchte.
Touristen müssen draußen bleiben
Getreu dem Motto „Alles muss raus“ möchte das Amsterdamer Stadtparlament in punkto „Overtourism“ die Reißleine ziehen. Für Touristen, Reisebusse, Kreuzfahrtschiffe und Bettenbuchung mit Airbnb könnte schon bald das gleiche Schicksal ereilen, wie dem sabbernden Hund vor dem Metzgerladen. Ob am Stadteingang für diese Zielgruppen dann Schilder mit der Aufschrift „Wir müssen leider draußen bleiben“ aufgestellt werden, darüber lässt sich allenfalls spekulieren.
18 Millionen Touristen
Nicht weniger als 18 Millionen Touristen latschen angeblich jährlich das Kopfsteinpflaster zwischen den Wasserwegen aus. Hinzu kommen die unzähligen Statistiker, die tagtäglich an den Straßenecken hocken, um all die Besucherbeine zählen. Und da der gemeine Tourist bekanntlich ein Herdentier ist und mit Tausenden anderen unverdrossen in Lemming-Manier in die Hauptstadt der Niederlande einströmt, soll dem massenhaften Einmarsch von Touristen nun Einhalt geboten werden.
Übernachtungssteuer fast verdoppelt
Parkplätze sollen ersatzlos gestrichen, die Übernachtungssteuer von sechs auf zehn Prozent angehoben und private Vermietungen über Airbnb gänzlich untersagt werden. Die Zahl der Kreuzfahrtschiff, die im Hafen anlanden, soll deutlich reduziert werden. Außerdem sollen Souvenirläden und Schnellrestaurants schließen, um keine unnötigen Anreize für Städtereisende zu bieten.
Lebensqualität der Anwohner verbessern
Drohende Umsatzverluste der Geschäftswelt in Millionenhöhe sowie der Verlust Hunderter Arbeitsplätze und Existenzgrundlagen sind der Preis, den die Stadtführung gern bereit ist, für die Befreiung von der lästigen Touristenschar zu bezahlen. Schließlich genieße die Lebensqualität der Bewohner Vorrang und sollte nicht weiter von Reisenden aus aller Herren Länder geschmälert werden.
Biervernichtung in den Grachten
Was allerdings aus Millionen von Holzklotschen und kleiner Gips-Windmühlenmagneten werden soll, die bis dato als Erinnerungsstücke über die Ladentheken wanderten, ist ebenso ungeklärt wie die Frage, was mit den zig Tonnen an Käse-Leibern wird, die nicht mehr feilgeboten werden dürfen. Und müssen nun tonnenweise Frikandeln und Matjes entsorgt werden? Müssen Heinken und Grolsch literweise vor dem Ablauf des Verfallsdatums in die nächste Gracht geschüttet werden? Und könnte die massenhafte Biervernichtung einen Anstieg des Meeresspiegels und damit das Absaufen von Amsterdam zur Folge haben?
Chance für graue Mäuse
Für die ungeliebten Touristen bleibt zudem die Frage, wo sie denn hin sollen, wenn sie Amsterdam nicht mehr willkommen sind? Barcelona, Venedig, Dubrovnik und Mallorca haben schon längst die Nase voll von den scheinbar nicht enden wollenden Besuchermassen. Vielleicht ist das die historische Chance für Städte, die sonst eher zu den weißen Flecken auf der touristischen Landkarte gehören.
Salzgitter statt Dubrovnik
Wie wäre es mal mit Duisburg-Ruhrort statt Amsterdam? Da ist es deutlich leerer. Wasser gibt es auch jede Menge und Pommes satt sowieso. Auch Plettenberg im Sauerland, Meppen im Emsland, Salzgitter oder Magdeburg könnten so unverhofft in die Reiseziel-Bundesliga aufsteigen. Schließlich freut man sich dort noch über Besucher. Zwar gibt es Duisburg, Salzgitter & Co. weniger Grachten, Fahrräder und Meisjes, dafür ist er dort eher selten richtig überlaufen…
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.