Helsinki als Mode- und Designmetropole

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Das Wahrzeichen von Helsinki ist der schneeweiße Dom. – Foto Karsten-Thilo Raab

Exakt 53 steile Stufen sind es vom Senatsplatz hinauf zum schneeweißen Dom. Ein lohnender Anstieg – und dies nicht nur wegen des beeindruckenden Kirchenbaus aus dem Jahre 1852. Am Fuße der Stufen breitet sich rund um das Denkmal von Zar Alexander II. einer der wohl schönsten Plätze von Helsinki aus. Gelb- und Ockertöne prägen die neoklassizistischen Prachtbauten mit dem Sitz des Staatsrates, dem Hauptgebäude der Universität sowie dem Sederholm-Haus, dem ältesten Steingebäude der finnischen Hauptstadt aus dem Jahr 1757. Zudem öffnet sich vom Portal des Doms ein Panoramablick auf den Hafen der finnischen Hauptstadt und die dahinter liegenden Schäreninseln.

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Das Rathaus von Helsinkli liegt direkt am Marktplatz gegenüber des Hafens. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Wir haben 188.000 Seen in Finnland, aber keinen einzigen in Helsiniki“, unterstreicht Maddalena Bendetti, dass die Gewässer in der 640.000-Seelen-Gemeinde allesamt Zuflüsse oder Teil der Ostsee sind. Dafür, so der Guide weiter, gäbe es vor der finnischen Kapitale rund 300 Schäreninseln.

Die historische Markthalle am Hafen ist die älteste des Landes. – Foto Karsten-Thilo Raab

Der letzte Satz geht ein wenig im quietschenden Lärm der am Senatsplatz um eine Kurve ratternden Straßenbahn unter. In zehn Linien verbinden die grün-gelben Wagen der Helsingin kaupungin liikennelaitos (HKL) in dichter Taktung die wichtigsten Punkte der finnischen Kapitale miteinander.

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Der Hauptbahnhof von Helsinki gilt als nationales Symbol. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Eine schöne Alternative bei Stadterkundigungen oder in dem unwahrscheinlichen Fall, das einmal die Sonne nicht lacht“, verweist Maddalena amüsiert auf die Tatsache, dass der Kern Helsinkis bequem auf Schusters Rappen erkundet werden kann. Zudem stehen an jeder Ecke Leihfahrräder und -roller zur Verfügung. Ein dichtes Netz an innerstädtischen Radwegen komplettiert das Angebot sinnvoll.

Ein echter Blickfang nicht nur für Design- und Architektur-Liebhaber ist die Außenfassade des Oodi. – Foto Karsten-Thilo Raab

Neben weiteren klassizistischen Prachtbauten wie dem Präsidentenpalast oder der Nationalbibliothek wird das Stadtbild vor allem durch den Jugendstil geprägt. Als herausragende Beispiele gelten hier das Nationalmuseum, das Nationaltheater und der Hauptbahnhof. Letzterer ist das Meisterwerk von Eliel Saarinen. Nach 700 Jahren schwedischer und 110 Jahren russischer Herrschaft war es das erste namhafte Bauwerk, das von einem Finnen entworfen wurde.

Das Oodi setzt zweifelsohne bauliche Akzente. – Foto Karsten-Thilo Raab

Ursprünglich war in dem Jugendstilbau auch ein spezieller Aufenthaltsraum für den russischen Zaren vorgesehen. Doch weil Finnland während der Bauphase im Jahre 1917 die Unabhängigkeit erlangte, wurde diese Räumlichkeit in dem 1919 fertiggestellten Verkehrsknotenpunkt nie genutzt.

Das Oodi ist weit mehr als eine Zentralbibliothek. – Foto Karsten-Thilo Raab

Theoretisch wird die Suite nun für den Präsidenten von Finnland vorgehalten. Doch man munkelt, dass noch nie ein Präsident sich hier aufgehalten hat. Was ein Stück weit daran liegt, dass das heutige Staatsoberhaupt eigentlich nie per Bahn reist, sondern ausschließlich in seiner Limousine, mit dem Hubschrauber oder dem Flugzeug.

Hypermodern gibt sich das Oodi im Obergeschoss. – Foto Karsten-Thilo Raab

Eine weitere Besonderheit im zentral gelegenen Hauptbahnhof ist der Trakt, indem heute eine amerikanische Burger-Kette ihr Fastfood verkauft. Dort finden sich noch immer Original-Einrichtungsgegenstände, wie sie dereinst Eliel Saarinen entworfen hatte. So auch im angrenzenden ehemaligen Bahnverwaltungsgebäude, in dem seit Frühjahr 2021 das Scandic Grand Central Hotel untergebracht ist.

Selbst die Wendeltreppe im Oodi wird zur Kunstform. – Foto Karsten-Thilo Raab

Ungeachtet dieser besonderen architektonischen Note ist Helsinki aber vor allem eine Stadt der Mode und des Designs. Zu den modernen architektonischen Meisterwerken zählt die Bibliothek – das im Jahre 2018 eröffnete Oodi. Nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt bittet die von der ALA Architektengruppe entworfene Stadtbücherei nicht nur Bücher, DVDs, Spiele an, sondern auch ungewöhnliche Dienstleistungen. Dazu gehören der Ausdruck von Postern oder die Bereitstellung von 3D-Druckern. Auch Nähmaschinen werden zur Verfügung gestellt. Gaming Rooms, Tonstudios, ein Kino und ein Restaurant komplettieren das Angebot.

Prozig mutet das neoklassizistische Parlamentsgebäude an. – Foto Karsten-Thilo Raab

Von der großzügigen Terrasse im zweiten Obergeschoss bietet sich ein herrlicher Rundumblick auf das Parlament, das moderne Konzerthaus und das historische Konzerthaus, das mit Marmor verkleidete Finlandia.

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Der vSeaweed Pavilion von Künstlerin Julia Lohmann im Glasshouse. – Foto Karsten-Thilo Raab

Einen besonderer Blickfang im Oodi bildet das spiralförmige Treppenhaus, das von Künstler Otto Karvonen gestaltet und mit finnischen Wörtern verziert wurde. Optisch gemahnt die Gemeindebücherei von außen an einen Schiffskörper, der aus verschiedenen Hölzern, die allesamt aus Finnland stammen, zusammengesetzt wurde.

Im Glasshouse werden fast ausschlißlich finnische Design-Produkte angeboten. – Foto Karsten-Thilo Raab

Einen jähen Kontrast bildet das Amos Rex, Helsinkis neuestes Museum. Untergebracht in einem ehemaligen Kino, dessen Hauptsaal heute noch für Filmvorführungen genutzt wird, präsentiert das Museum insbesondere im Untergeschoss moderne Kunst in Form von Wechselausstellungen.

Identisch gescnittene udn unterschiedlich farbige Kleider werden im Glasshouse zur Kunstform. – Foto Karsten-Thilo Raab

Kunst spielt auch im Glasshouse an der der Haupteinkaufsmeile Aleksanterinkatu eine nicht unwichtige Rolle. Neben Skulpturen, Bildern und Videoinstallationen finden sich hier besondere Hingucker wie der „Seaweed Pavilion“. Künstlerin Julia Lohmann hat hier aus Seetang eine kurios geformte, begehbare Skulptur aus Rattan und Seetang geschaffen, die ein wenig wie eine windschiefe, instabile Hütte wirkt.

Einen Schwerpunkt auf Produkte „made in Finland“ legt auch der Kämp Garden. – Foto Karsten-Thilo Raab

Zum Konzept des im Sommer 2021 eröffneten Glasshouses, das in einem ehemaligen Kaufhaus in einem prächtigen Jugendstilbau untergebracht ist, gehören kleine Verkaufsflächen in denen lokales und regionales Kunsthandwerk feilgeboten werden. 95 Prozent der Waren stammen aus Finnland; 80 Prozent sind handgefertigt.

Farbenfrohe Hut-Mode im Kämp Garden. – Foto Karsten-Thilo Raab

Schräg gegenüber, ebenfalls an der Aleksanterinkatu, eröffnet der Kämp Garden den Zugang zu moderner finnische Mode. Kleine Ladeneinheiten und Pop-up-Stores haben sich neuesten Trends verschrieben. Mal richtet sich der Blick auf recycelte Stoffe, dann wiederum offeriert ein Laden ausschließlich Kleidungsstücke in Schwarz. Im Untergeschoss das Kämp Garden findet sich zudem das Finnish Museum of Photography K1.

Mode in Helsinki kann auch mal ziemlich einfarbig sein. – Foto Karsten-Thilo Raab

Südlich der Aleksanterinkatu schließt sich Punavuori, auch bekannt als Design District, an. Nicht weniger als 200 Boutiquen mit Mode finnischer Marken wie Marimekko, Lumi Accessories oder Vietto, Schmuckwerkstätten, Designerstudios, Kunstgalerien und Museen wie das renommierte Designmuseum oder das Finnisches Architekturmuseum verteilen sich hier auf gut zwei Dutzend Straßenzüge.

Im Amos Rex wird alte Kinokultur lebendig. – Foto Karsten-Thilo Raab

Die modernen Trends konzentrieren sich in Helsinki aber nicht allein auf Mode und Design, sondern auch auf den Genuss. So hat sich das Restaurant Nolla komplett der Abfallvermeidung verschrieben. Als sogenanntes Zero-Waste Restaurant verwendet es ausschließlich lokale Zutaten aus ökologischem Anbau. Alles findet hier Verwendung. Die Waren werden in wiederverwendbaren Behältnissen geliefert; von den Lebensmittel wird alles genutzt. Was nicht in eines der wechselnden Menüs wandert, wandert in den Kompost oder geht als Futter zurück an die Bauern.

Im Untergeschoss des Amos Rex wird moderne Kunst präsentiert. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Wir vermeiden jeglichen Abfall und haben entsprechend auch keine Mülleimer“, erläutert Mitbesitzer Albert Franch Sunyir. Um dann etwas verschämt zu ergänzen, dass sie neulich eine defekte Tastatur entsorgen mussten. Dies sei aber wohl das einzige nicht wiederverwendbare Teil im Hause.

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Ungewöhnliche Lichtkuppel erheben sich auf dem Platz über dem Amos Rex. – Foto Karsten-Thilo Raab

Lächelnd fügt der Vollblutgastronom hinzu: „Wir sind nicht perfekt, arbeiten aber jede Tage daran, besser zu werden.“ Ein Anspruch, der auch das Credo Helsinkis sein könnte. Denn nur so gelingt es der großen Mode- und Designszene sich täglich neu zu erfinden.

An prachtvollen Gebäuden – wie hier am Hafen – mangelt es in Helsinki nicht. – Foto Karsten-Thilo Raab

Weitere Informationen zu Helsinki unter www.myhelsinki.fi und unter www.visitfinland.com/de/

Das Restaurant Nokka gehört zu den empfehlenswerten Adressen in Helsinki. – Foto Karsten-Thilo Raab

Essen & Trinken: Nokka, Kanavaranta 7F, Helsinki, Tel. 00358-9-61285600, www.ravintolanokka.fi. Der Küchenchef zaubert ausschließlich saisonale wie regionale Produkte auf den Tisch. Besonderheiten sind neben frischen Fischvarianten ein Rentier-Carpaccio mit Kaviar sowie ein Rentier-Filet.

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Ungewöhnliche Speisevarianten kommen im Zero-Waste-Restaurant Nolla auf den Tisch. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nolla, Fredrikinkatu 22, Helsinki, Tel. 00358-40-1639313, www.restaurantnolla.com. Helsinkis Zero-Waste-Restaurant punktet mit frischen lokalen und regionalen Produkten, aber auch Überraschendem wie Suppe oder Smoothies aus Obst- und Gemüseschalen.

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Modern und stylish sind die Zimmer im Neubau des Scandic Grand Central. – Foto Karsten-Thilo Raab

Übernachten: Scandic Grand Central, Vilhonkatu 13, Helsinki, Finland, Tel. 00358-9-68291700, www.scnadichotels.com. Der riesige Jugendstilbau von Eliel Saarinen liegt direkt neben dem Hauptbahnhof und war lange Sitz der Bahnverwaltung. Erst 2021 eröffnete in dem aufwendig umgebauten Komplex das Hotel.

Kein Finnland-Besuch wäre ohne einen Sauna-Gang perfekt. – Foto Karsten-Thilo Raab

Tipp: Ein Saunagang ist ein Muss beim Besuch in Helsinki. Empfehlenswert ist der Besuch der Sauna-Insel Lonna, die in knapp zehn Minuten mit dem Linienboot zu erreichen ist. Sauniert wird in Badehose bzw. Bikini. Zur Abkühlung geht es direkt in die Ostsee. Handtücher werden auf Wunsch gestellt. Informationen: Island Lonna, Helsinki, Tel 00358-44-7199410; www.lonna.fi/en.

Auf der Sauna-Insel Lonna geht es zur Abkühlung in die Ostsee. – Foto Karsten-Thilo Raab