Auch wenn definitiv keine portugiesische Mannschaft – und nach dem 0:4 Halbfinal-Debakel der Münchener Bayern gegen Real Madrid auch kein deutsches Team – dabei sein wird, herrscht in Lissabon schon jetzt Vorfreude auf einen großen Fußballabend. Denn am 24. Mai wird in der portugiesischen Hauptstadt erstmals wieder seit 1967 die Krone des europäischen Vereinsfußballs ausgespielt, wenn im Estádio do Sport Lisboa e Benfica das Finale der UEFA Champions League zwischen den spanischen Lokalrivalen Real Madrid und Atlético Madrid angepfiffen wird. Doch wie immer bei großen Sportereignissen ist die auch als „Estádio da Luz“ (Stadion des Lichts) bekannte Arena nicht groß genug, um allen Fans Platz zu bieten. Die gut 65.000 Tickets zu Eintrittspreisen zwischen 70 und 390 Euro sind längst vergriffen. Gleichwohl können Fußball-Liebhaber an vielen Ecken in der 550.000-Seelen-Gemeinde am Tejo sich von der begeisternden Final-Atmosphäre in ihren Bann ziehen lassen. Denn beim Fußball werden sogar die sonst eher als melancholisch geltenden Portugiesen euphorisch, auch wenn sie selber im Konzert der Großen nicht mitmischen.
Wer kein Ticket für das Finale ergattert hat, kann gleichwohl die Heimspielstätte von Benfica Lissabon, des 32-fachen portugiesischen Rekordmeisters und 24-fachen portugiesischen Pokalsiegers, im Rahmen einer Stadiontour in Augenschein nehmen. Dabei kann nicht nur ein Blick in die Umkleideräume und den Spielertunnel geworfen werden, sondern auch in die Trainingsbereiche im Inneren, den VIP- und den Pressebereich.
Vor der Arena der Águias, der Adler, wie Benfica in Fan-Kreisen genannt wird, erinnert eine Statue an Eusébio, den wohl bedeutendsten portugiesischen Spieler aller Zeiten. Der in Mosambik geborene und am 5. Januar 2014 verstorbene „Schwarze Panther“ führte die Águias zu nicht weniger als zehn Meistertiteln, fünf Pokalsiegen sowie 1962 zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister und schoss seine Wahlheimat Portugal bei der WM 1966 in England als Torschützenkönig auf einen sensationellen dritten Platz.
Derweil bereitet das 2013 eröffnete Museu Benfica – Cosme Damião auf 4.000 Quadratmetern in 29 Themenbereichen die Erfolgsgeschichte des Vereins seit der Gründung im Jahre 1904 anschaulich auf. Neben rund 20.000 Exponaten und zahlreichen historischen Aufnahmen der Clubhistorie sind hier rund 1.000 Trophäen, die von den Águias in den zurückliegenden 110 Jahren erobert wurden, ausgestellt.
Nur gut drei Kilometer entlang einer viel befahrenen Schnellstraße, der Segunda Circular, trennen das Estádio da Luz vom Estádio José Alvalade XXI, der sportlichen Heimat des ewigen Lokalrivalen Sporting Lissabon. Und wie die Águias haben auch die 1906 gegründeten Leões, die Löwen, wie die Sporting-Kicker genannt werden, ihre Geschichte im eigenen Museum, dem Museo Mundo Sporting, zusammengetragen. Darunter auch manche amüsante Erinnerung an Lokalderbys mit Benfica: Im Jahre 1907 etwa verließen die Spieler von Sporting einfach wegen starken Regens den Platz und erst nach langem Zureden konnte Schiedsrichter Burtenshaw sie doch noch überzeugen, die Partie zu Ende zu spielen.
Doch nicht nur in den beiden Fußballmuseen spielt die Rivalität eine große Rolle. Auch in den vielen Fußballkneipen der Stadt werden die Erinnerungen an die großen Derbys wachgehalten. So etwa im Estádio an der Rua São Pedro De Alcântara, wo Dutzende Fußballinteressierte bei einem Bier oder zwei auf großen Bildschirmen Liveübertragungen im Fernsehen verfolgen. Zu den beliebten Sportbars der Stadt gehören daneben O’Gilins Irish Pub und das Tasca do Chico. Wobei sich Letzteres als eine Mischung aus Fadolokal und Fußballkneipe erweist – dekoriert mit den Schals der großen portugiesischen und europäischen Vereine.
Rund um den Rossio, dem (touristischen) Herzstück in Lissabons charmanten Stadtteil Baixa, der Unterstadt, und entlang der Flaniermeile Rua Augusta dominiert „König Fußball“ die Gespräche in den vielen Cafés, Bars und Restaurants. Noch weniger lässt sich an großen Fußballabenden dem Runden, das ins Eckige muss, im direkt oberhalb gelegenen Kneipen- und Ausgehviertel Bairro Alto entgehen. Hier findet sich kaum eine gastronomische Einrichtung, in der die großen Spiele nicht auf Bildschirmen oder Leinwänden live zu sehen sind. Und nicht wenige kommen mit mitgebrachten Getränken hierher, um auf den Gehwegen vor den Kneipen zu sitzen, die Atmosphäre zu genießen und mitzufeiern.
Wer sich ungeachtet der Fußball-Faszination wenigstens einen kurzen Überblick über die Schönheit der Stadt verschaffen möchte, der sollte unbedingt eine Fahrt mit der Eléctrico 28 unternehmen. Die klapperigen Wagen der legendären Straßenbahnlinie verbinden (nahezu) alle wichtigen Sehenswürdigkeiten miteinander.
Während der Fahrt könnten die Wände der Häuser nicht selten aus den offenen Fenstern mühelos mit ausgestreckten Händen berührt werden. Nicht von ungefähr flüchten sich die Fußgänger in Hauseingänge, wenn sich die nur 8,50 Meter lange und 2,50 Meter breite Tram unter großem Ächzen und Knarren nähert. Vorbei führt die Fahrt mit der Tram bergauf und bergab durch enge Häuserschluchten an Gebäuden mit bröckelnden Fassaden vorbei. Hier scheint die Gleichung zu gelten, je kaputter die Fassade, umso mehr bunte Wäsche hängt vor den Fenstern.
Die Linie 28 rollt vom Largo Martim Moniz durch die Viertel Mouraria, Graca und Alfama hinauf zum Aussichtspunkt Miradouro de Santa Luzia mit seinem wild begrüntem Säulengang. Die genannten Stadtviertel, das Ufer des Tejo und die mächtige Renaissancekirche São Vicente de Fora fallen von hier in den Blick, während die Burganlage des maurischen Castelo de São Jorge nur einige Hundert Meter Fußmarsch entfernt liegt.
Derweil setzt die Eléctrico ihren Weg Richtung Baixa fort. Ganz dicht passiert die Tram dabei die Doppelturmfassade der Kathedrale Sé Patriacal, dem Wahrzeichen und ältesten Gotteshaus von Lissabon, dessen Grundstein bereits im Jahre 1147 gelegt wurde.
Von der Unterstadt geht es weiter bergauf zum Largo do Chiado, wo Dichter Fernando Pessoa als Bronzefigur einen besonderen Blickfang vor dem kaum minder bekannten Café A Brasilliera bildet. Das Viertel der Literaten, Politiker und Lebenskünstler gilt mit seinen Boutiquen und mondänen Kaufhäusern als beste Einkaufsgegend der Stadt. Direkt angrenzend liegt Bairro Alto, in dem sich mit São Roque die wohl prächtigste Kirche Lissabons befindet. Am geschichtsträchtigen, von Cafés gesäumten Largo do Carmo, wo 1974 Diktator Marcello Caetanos gestürzt wurde, erheben sich die Ruinen des Klosters Convento do Carmo. Verbunden ist die Oberstadt von hier übrigens über den spektakulären Aufzug Elevador de Santa Justa mit der 45 Meter tiefer liegenden Unterstadt.
Während die Eléctrico vom Largo do Chiado weiter bis zur Endstation am Friedhof Cemitério dos Prazeres rollt, lohnt es sich, von der Spitze des 1902 eröffneten Lifts einen Blick auf Lissabon zu werfen. Die Baixa mit dem lang gestreckten Prachtplatz Rossio fällt ebenso ins Auge wie das Häusermeer, dessen Dichte angeblich so groß ist, wie die Dichte der Fußballfans in Portugals größter Stadt.
Informationen: Turismo de Lisboa, Visitors & Convention Bureau, Rua do Arsenal, 15, 1100-038 Lisboa, Telefon 00351-(0)210312700, www.visitlisboa.com.
Tipp: Für 18,50 Euro für Erwachsene beziehungsweise 11,50 Euro für Kinder gibt es die Lisboa Card. Diese berechtigt unter anderem zu freiem Eintritt in (fast) allen Museen und zu freien Fahrten mit Bus, U-Bahn und Tram. Informationen unter www.askmelisboa.com.
Stadiontour: Die Touren durch das Estádio da Luz kosten 10 Euro für Erwachsene und vier Euro für Kinder und sind an spielfreien Tagen zwischen 10 und 18 Uhr möglich.
Fußballmuseen: Museu Benfica – Cosme Damião, Estádio da Luz, Av. General Norton de Matos, 1500-313 Lissabon, www.slbenfica.pt. Das Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, an Spieltagen bis kurz vor dem Anstoß. Museumsbesuch und Stadiontour gibt es zusammen im Komiticket für 15 Euro beziehungsweise ermäßigt für 6 Euro.
Museo Mundo Sporting, Rua Professor Fernando da Fonseca, Apartado 4120, 1501-806 Lissabon, www.sporting.pt. Karten für den Besuch des Museums und eine Tour durch das Estádio José Alvalade XXI kosten 8 Euro für Erwachsene beziehungsweise 4 Euro für Kinder. Das Museum ist täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet; Stadiontouren sind an spielfreien Tagen um 11.30 Uhr, 14.30 Uhr und 16 Uhr möglich.
Wissenswertes: Im 2003 eröffneten Estádio da Luz stieg 2004 das Endspiel der Europameisterschaft. Im alten „Stadion des Lichts“ an gleicher Stelle gewann Werder Bremen 1992 durch einen 2:0 Finalerfolg über AS Monaco den Europapokal der Pokalsieger. 1967 war Lissabon schon einmal Austragungsort des Endspiels im Wettbewerb der europäischen Meistervereine – allerdings im Estádio Nacional, wo Celtic Glasgow mit 2:1 über Inter Mailand triumphierte. 2005 stieg dann im Estádio José Alvalade XXI das Finale im UEFA-Pokal zwischen ZSKA Moskau und Sporting Lissabon, das mit 1:3 das Nachsehen hatte.
Fußballkneipen: Estádio, Rua São Pedro De Alcântara 11, 1200 Lissabon, Telefon 00351-(0)213-422716
O’Gilins Irish Pub, Rua dos Remolares 8, 1200-371 Lissabon, Telefon 00351-(0)213-421899
Tasca do Chico, Rua do Diario de Noticias 39, 1200-333 Lissabon, Telefon 00351-(0)965059670
Essen & Trinken: Ribadouro, Av. Da Liberdade 155, Lissabon, Telefon 00351-(0)213-549411, www.cervejariaribadouro.pt. Am Parque Mayer gelegen, ist das Restaurant vor allem für seine Fischspezialitäten wie dem Bacalhau, einem luftgetrockneter, gesalzener Kabeljau, bekannt.
Green Pepper, Av. José Malhoa 14b, Lissabon, Telefon 00351-(0)217-26000, www.greenpepper.com.pt. Ausgefallene vegetarische Gerichte stehen auf der Speisekarte.
Übernachten: Hotel Príncipe Real, Rua da Alegria, 53 1250-006 Lissabon, Telefon 00351-(0)213-407350, www.hotelprincipereal.com. Das unweit des Botanischen Gartens gelegene Boutique-Hotel bietet Doppelzimmer ab 135 Euro an.
Jerónimos 8, Rua dos Jerónimos, n. 8, 1400-211 Lissabon, Telefon 00351-(0)213-600900, www.jeronimos8.com. Das schicke Vier-Sterne-Design-Haus im Stadtteil Belém bietet Doppelzimmer ab 95 Euro an.