
Okay, ich gebe es zu: Ich bin ein leidenschaftlicher Autofahrer. Habe auch ganz gern ein paar PS mehr unter der Haube als vielleicht nötig wären. Aber: Ich rase nicht, ich reise. Vorzugsweise ohne viel Verkehr, abseits der Autobahnen. Ich liebe es, ganz gemütlich durch die Gegend zu gleiten. Eine tolle Szenerie vor der Frontscheibe, gute Mucke aus den Boxen – das ist für mich großes Kino. Meditation. Pure Entspannung. Ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer …
Apropos. So richtig Spaß macht mir – und bestimmt nicht nur mir – natürlich das Autowandern in Nordamerika. USA-Kenner wissen, wovon ich rede: komfortable Mietwagen, niedrige Spritpreise, super Straßen, faszinierende Landschaften, freundliche Menschen.

Noch relativ unbekannt hingegen ist eine Region im Herzen des Mittleren Westens: das „Heartland“, geprägt von großartiger Natur, Städtchen mit viel Charme, spannender Geschichte. Und genau hier gibt es eine echte Traumstraße: die Great River Road Illinois. Wobei sich Great River natürlich auf den mächtigen Mississippi bezieht, dessen Name aus dem Indianischen übersetzt soviel wie „großes Wasser“ bedeutet.
Rund 800 Kilometer schlängelt sich die Great River Road Illinois von East Dubuque im Norden nach Cairo im Süden an „America’s Historic River“ entlang. Und völlig zu Recht wird die Route zu den großartigen „Scenic Byways“ der Vereinigten Staaten gezählt.
„Alles schön und gut“, werden Sie sagen. „Aber wie komme ich dahin?“ Die Antwort: Ganz einfach! Mit dem Flieger (z. B. von Frankfurt/Main, München, Berlin und Düsseldorf) nach Chicago, knapp drei Autostunden mit dem Mietwagen – und schon sind Sie am idealen Startpunkt Ihrer Mississippi-Reise. Galena. Eine der schönsten amerikanischen Kleinstädte – ein Ort zum Verlieben!

Zum touristischen Pflichtprogramm gehört eine Trolley Tour durchs historische Zentrum. Und der Besuch einer des nahe gelegenen Weingüter, wo der „Taste of the Midwest“ vom Winzer selbst ins Probierglas geschenkt wird. Zum Übernachten bieten sich charmante Boutique Hotels oder preisgünstige Bed & Breakfast Pensionen an. Etwas exklusiver: Chestnut Mountain Resort, wo Hollywood-Star Harrison Ford seine Familientreffen abhält.
Und rund 25 Kilometer weiter im Westen liegt er dann vor einem: „Ol‘ Man River“, wie er im Musical „Show Boat“ besungen wird. Wer mag, erfährt im Mississippi Museum & Aquarium von Port of Dubuque alles über die Wasser- und Tierwelt des imposanten, insgesamt 3.778 Kilometer langen Stroms.
Richtung Süden, nach Savanna und zu den Quad Cities, wird der Fluss nun von hohen Steinklippen gesäumt – ein echtes, landschaftliches Highlight. Für Naturfreunde ist auch ein Besuch des Mississippi Palisades State Park ganz in der Nähe von Savanna ein heißer Tipp. Denn die Spazier- und Wanderwege führen in der bergigen Landschaft durch eine nahezu unberührte Natur und offenbaren immer wieder tolle Ausblicke auf den Mississippi. Mit etwas Glück lassen sich Tiere beobachten, u. a. Hirsche, Murmeltiere, Nerze, Skunks und Wiesel. Möglich sind zudem Outdoor-Aktivitäten wie Klettern, Angeln, Camping sowie im Winter Skilanglauf und Rodeln.

Nächster Stopp: Fulton. In dem beschaulichen Städtchen lebten einst holländische Siedler. De Immigrant Windmill, eine mehr als 30 Meter hohe, aus den Niederlanden stammende Windmühle erinnert heute daran. Man kann in der Windmühle nach oben klettern, wird mit einem tollen Panorama-Ausblick über den Mississippi belohnt.
Entertainment, Sportevents, Kultur, Fine Dining und eine eindrucksvolle Historie: Die Quad Cities sind ein lebendiges Zentrum entlang der Great River Road in Illinois. Den Zusammenschluss von fünf Städten zu beiden Ufern des Mississippi bilden Rock Island (Illinois), Moline (Illinois), East Moline (Illinois), Davenport (Iowa) und Bettendorf (Iowa).
Schon während der Industrialisierung spielte die Region eine wichtige Rolle. Denn: Wie mühsam wäre die Urbarmachung des Landes im 19. Jahrhundert gewesen, wenn nicht der Schmied John Deere 1837 den ersten selbstreinigenden Stahlpflug erfunden hätte – hergestellt übrigens aus einem großen, gebrochenen Sägeblatt?

Mit dem neuartigen Pflug konnten die Farmer selbst schwieriges Gelände wie den für den Mittleren Westen typischen Lehmboden gut kultivieren. Wie John Deere die Landwirtschaft revolutionierte und wie aus einer kleinen Schmiede nahe des Mississippi ein globaler Konzern wurde, lässt sich in Moline und Umgebung in diversen Locations hautnah erleben – eine Riesen-Attraktion für Jung und Alt.
Und was wäre eine Reise zum Mississippi ohne eine Bootsfahrt mit einem Schaufelraddampfer? In Moline gehe ich an Bord der „Celebration Belle“, genieße ein leckeres Buffet, während die Uferlandschaft langsam an mir vorüberzieht. Und denke an Tom Sawyer …
Kaum ein Name ist so eng mit dem Mississippi verknüpft wie der des berühmten Schriftstellers Mark Twain. Einige seiner besten Geschichten siedelte er am und auf dem großen Strom an. Er selbst verbrachte seine Kindheit in Hannibal direkt am Flussufer und arbeitete später als Lotse auf einem Mississippi-Dampfer.

In Hannibal, Missouri, finden Besucher Mark Twains Elternhaus, ein Museum, das Huckleberry Finn Haus und Grant‘s Drug Store. Auch der berühmte weiße Zaun, den Tom Sawyer streichen sollte, ist hier zu sehen.
Das nächste landschaftliche Highlight: der Scenic Byway. Dieser gut 50 Kilometer lange Streckenabschnitt von Grafton bis Hartford zählt eindeutig zu den schönsten entlang der Great River Road in Illinois, wenn nicht sogar am gesamten Mississippi-Ufer. Denn in der Region, wo sich die drei großen Flüsse – der Mississippi, der Illinois River und der Missouri – treffen, präsentiert sich dem Reisenden eine zauberhafte Landschaft mit Bergen, ausgedehnten Waldgebieten, einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt.
Langsam nähern wir uns dem südlichsten Ort in Illinois und damit dem Endpunkt meiner Fahrt auf der Great River Road. Die letzte Etappe führt durch einen sehr ursprünglichen Teil Amerikas – mit großen Naturparks, kleinen Weingütern, Überresten bedeutender Indianerkulturen sowie Ortsnamen wie Freiburg, Hannover und Paderborn. Nein, das hat nichts mit der Fußballbundesliga zu tun. Es handelt sich um die Spuren deutscher Einwanderer….

Weitere Informationen: www.greatriverroad-illinois.org
Beste Reisezeit: Mai bis Oktober.
Klima: Heiße Sommer, kalte Winter. Im Süden von Illinois ist das Klima bereits subtropisch angehaucht.
Zeit: MEZ minus 7 Stunden.
Dokumente: Ein gültiger Personalausweis genügt. Reisende müssen sich jedoch vor Einreise elektronisch durch das ESTA-Verfahren (Electronic System for Travel Authorization) anmelden.
Essen & Trinken: Typisch ist BBQ mit verschiedenen Saucen, dazu Kartoffelspalten. Kürbisse gibt es in ca. 300 Sorten.

Sehenswert: Städte: Galena, Rock Island und Moline. John Hauberg Indian Museum mit lebensgroßen Repliken aus dem traditionellen Leben der Indianer (1510 46th Avenue, Rock Island), River Canyon State Park (8763 E. Canyon Road, Apple River, Illinois): kleine Canyonlandschaft, vom Apple River geformt; Adventure Quest (54 Hektar große Outdoor-Abenteueranlage mit Seilrutschen, Schlauchbootfahrten etc., 3501 207 Street North, Port Byron), Weingüter in der gesamten Region.
Unbedingt machen: Bootstour auf dem Mississippi; Weißkopfseeadler-Safari, z. B. ab Rock Island; Shopping in der als „Beste Hauptstraße im Mittleren Westen“ ausgezeichneten Main Street von Galena.
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Mortimer
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