Die Aran Islands – ein Stück ursprüngliches Irland

Ein Stück ursprüngliches Irland wie aus dem Bildbuch: Inishmore - hier die Klippen unweit von Dun Aengus. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Ein Stück ursprüngliches Irland wie aus dem Bildbuch: Inishmore – hier die Klippen unweit von Dun Aengus. (Foto Karsten-Thilo Raab)

In der weitgehend baumlosen und kargen Landschaft mit ihren rauhen Klippen scheinen allenfalls Steine, Kies und Geröll zu wachsen. Dazwischen Trockensteinmauern so weit das Auge reicht. Eine Welt aus grauem Stein, die zeitweise wie poliertes Silber in der Sonne glänzt und funkelt. Besonders im Herbst ist die Brandung an den steilen Klippen gewaltig, die Gischt peitscht einige Hundert Meter weit über die Insel und überzieht Bäume und Sträucher mit einem Salzmantel. Überall haben die mitunter heftigen Stürme und scharfen Winde des Atlantiks sichtbar ihre Spuren hinterlassen.

Und irgendwie drängt sich nicht nur auf den ersten Blick das Gefühl auf, die Zeit würde hier stillstehen. Auf jeden Fall aber ticken die Uhren auf den Aran Islands spürbar anders. Nicht von ungefähr gilt das Archipel, in der Mitte der Galway Bay gelegen, als das letzte Refugium des keltischen Irlands, als eine rauhe Schönheit vor der Westküste der Grünen Insel, die auf Schritt und Tritt den Eindruck von längst vergangenen Tagen vermittelt. Wohl auch, weil die Bewohner der Aran Islands bis heute keltisches Brauchtum und die keltische Sprache pflegen.

Nicht nur die wenigen Pubs auf den Aran Islands versprühen den Charme des alten Irlands. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Nicht nur die wenigen Pubs auf den Aran Islands versprühen den Charme des alten Irlands. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Wie drei riesige überdimensionierte Tortenstücke mit steilen Schnittkanten erhebt sich die landschaftlich karge Inselgruppe, die geologisch gesehen ein Fortläufer des Clare Kalksteinplateaus darstellt, aus dem Wasser. Inis Mór, gälisch für die „große Insel“, Inis Meáin, die „Mittelinsel“, und Inis Oírr, die „Ostinsel“, mit ihren zusammen knapp 1500 Einwohnern bilden das Kernstück des Archipels, das durch vier kleinere unbewohnte Islands komplettiert wird.

Wie ein gigantischer Flickenteppich wirken die mit mühsam von Hand aufgeschichteten Trockensteinmauern in unzählige Parzellen unterteilten Felder und Wiesen. Eine aufwendige und mit großer Sorgfalt durchgeführte Patchworkarbeit, die den wenigen fruchtbaren Boden vor den windigen Launen des Atlantiks schützen und gleichzeitig verhindern soll, dass die Mischung aus Sand und Seetang, auf der die besten Kartoffeln Irlands wachsen sollen, davongetragen wird.

Fahrräder sind beste Möglichkeit die Schönheit der Inselwelt im wahrsten Sinne des Wortes zu erfahren. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Fahrräder sind beste Möglichkeit die Schönheit der Inselwelt im wahrsten Sinne des Wortes zu erfahren. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Fast jeder Zentimeter Land wurde hier beackert und in wertvollen Boden umgewandelt“, berichtet John Walsh, Inhaber einer kleinen Sprachschule im nahe gelegen Inverin, voller Ehrfurcht mit Blick auf die gewaltige Muskelhypothek der Insulaner. Von seinem Haus in der Galway Bay kann er direkt auf das Archipel blicken. Im Schnitt einmal pro Woche unternimmt er mit den Sprachschüler aus aller Herren Länder einen Ausflug auf die Aran-Inseln. „Und ich bin immer wieder aufs Neue begeistert“, wird Walsh nicht müde, die kurze Überfahrt von Rossaveal oder Galway aus anzutreten und seinen Gästen ein besonderes Stück Irland schmackhaft zu machen.

„Nicht von ungefähr inspirierte das Leben auf den Aran Inseln ganze Generationen bedeutender Schriftsteller und Künstler“, schwärmt der Englischlehrer, der sich nebenbei auch als Folk-Musiker in der Region einen Namen gemacht hat. Tatsächlich erblickten namhafte Schriftsteller wie Liam O’Flaherty und Mairtin O’Direain auf Inishmore das Licht der Welt.  Und John Millington Synge, der häufig Gast auf dem Archipel war und dessen Haus heute zu den Attraktionen auf Inishmaan gehört, widmete sein Theaterstück „Riders to the Sea“ aus dem Jahr 1904 den Fischern der Insel.

Eine der markantesten Landmarken auf den Aran Islands: das Fort Dun Aengus. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Eine der markantesten Landmarken auf den Aran Islands: das Fort Dun Aengus. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Und auch der Dokumentarfilm „The Man of Aran“ von Robert Flaherty aus dem Jahre 1932 gilt als Hommage an die Insulaner. Der Leinwandstreifen erzählt vom Leben und Sterben auf den Aran-Inseln, vom Kampf mit dem Meer. Im so genannten Man of Aran Cottage in Klimurvey auf Insihmore, das einst Originaldrehort war, flimmert der Streifen tagtäglich über die Leinwand.

Noch heute leben die Menschen auf den Aran-Islands in erster Linie von der Landwirtschaft und von der Fischerei mit den hautbespannten schwarzen Booten, den Curraghs, vor allem aber von den Subventionen aus Dublin und den Fördermitteln der Europäischen Union. „Obwohl viele auf die Finanzspritzen angewiesen sind, empfinden sie die Gelder als Almosen“, spricht Walsh den Insulaner aus der Seele. Ein willkommenes, wenn auch nicht gerade üppiges Zubrot bilden daher die Touristen, die von Frühjahr bis Herbst den Weg an den Westrand Europas antreten. Bis zu 100.000 Besucher setzen jährlich vom kleinen Fährhafen in Rossaveal, Doolin oder Galway (meist) als Tagesauflügler auf die Inseln über – eine nicht unerhebliche Zahl davon im Gefolge von John Walsh.

Natürlich mangelt es der Inselwelt auch nicht an der tierischen Seite. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Natürlich mangelt es der Inselwelt auch nicht an der tierischen Seite. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Luxus ist für die Bewohner der Arans ein Fremdwort. Trinkwasser ist vor allem in den Sommermonaten knapp und muss immer wieder rationiert werden. Die wenigen Shops und Geschäfte decken gerade einmal die Grundbedürfnisse ab und bieten allenfalls noch hochwertige Strickwaren wie die bekannten Aran-Sweater und Andenken für die Touristen. Kein Wunder also, dass die Bevölkerung in den letzten zehn Jahren um rund 20 Prozent gesunken ist. „Vor allem junge Leute zieht es mehr und mehr auf das Festland“, zeigt Walsh Verständnis dafür, dass die jungen Insulaner den Annehmlichkeiten des städtischen Lebens und vor allem den deutlich höheren Löhnen kaum widerstehen können.

Entschädigt werden die (verbliebenen) Inselbewohner für ihr entbehrungsreiches Leben durch eine verschworene Gemeinschaft, bei der Idealismus und Gemeinsinn Hand in Hand gehen und ein Wir-Gefühl allgegenwärtig ist. Dreh- und Angelpunkte des gesellschaftlichen Lebens sind die wenigen, zumeist spärlich eingerichteten Pubs, in denen gemeinsam musiziert, gesungen und zum Klang der Fiddel eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt wird.

An vielen Stellen wirken die Aran Islands wie ein riesiges Freilichtmuseum. (Foto Karsten-Thilo Raab)
An vielen Stellen wirken die Aran Islands wie ein riesiges Freilichtmuseum. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Ungeachtet des mitunter tristen Graus des Alltags scheint das Archipel von jeher besonders hoch in der Gunst namhafter irischer Heiliger gestanden zu haben. Ob Enda, Brendan oder Columban – sie alle hinterließen auf den drei bewohnten Aran-Inseln nachhaltig ihre Spuren in Form frühchristlicher Klosteranlagen und Kirchen, die entlang der zerfurchten Kalksteinflächen und felsigen Küsten die Vergangenheit auf Schritt und Tritt lebendig werden lassen. Aber auch gut erhaltene Steinforts, Megalithgräber, Gedenksteine und archäologische Fundstätten zeugen von einer langen, ereignisreichen Geschichte.

Zu den bekanntesten steinernen Zeitzeugen zählt die mehr als 2000 Jahre alte Festung Dun Aengus auf Inishmore, die von den Firbolgs, den keltischen Ureinwohnern, errichtet worden sein soll. Das eisenzeitliche Fort am buchstäblichen äußersten Ende Westeuropas besteht aus drei konzentrischen halbkreisförmigen bis zu fünf Meter hohen Verteidigungsmauern hintern denen die Klippen fast einhundert Meter steil ins Meer abfallen. Zwischen der zweiten und dritten Mauer befinden sich zahlreiche Reihen mit hochkant aufgestellten Steinen, so genannten „Spanischen Reitern“, die eventuelle Angreifer zwangen, von den Pferden abzusteigen, so dass diese leichter bekämpft werden konnten.

Typisch für die Aran Islands sind die mühevoll von Hand aufgeschichteten Trockensteinmauern. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Typisch für die Aran Islands sind die mühevoll von Hand aufgeschichteten Trockensteinmauern. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Dun Aengus ist unbestritten mein Lieblingsplatz. Die Atmosphäre und die Ausblicke sind phantastisch“, schwärmt John Walsh, der dem Fort fast im Wochentakt einen Besuch abstattet. Tatsächlich bieten sich von hier grandiose Blicke auf die Küste von Connemara. Bei klarer Sicht ist sogar der Mount Brandon in Kerry zu sehen. Und noch etwas wird deutlich: Inishmore, das bei einer Länge von 13 Kilometern nirgendwo breiter als 3.000 Meter ist, vereint auf knapp 42 Quadratkilometern den gesamten Charme und Zauber der Aran Islands.

Malerische Dörfer und Ansiedlungen, entlegene Cottages und Farmhäuser umgeben von goldgelben Sandstränden, bläulich schimmernden Seen sowie unzähligen Feldern, saftig grünen Wiesen und einem immensen Reichtum an Wildblumen, von denen auf der Insel allein 437 verschiedene gedeihen. In den Felsvertiefungen wachsen Farne, gelbe und violette Sternblumen und weiße Röschen. Über die Felsen ziehen sich tiefgrüne Moose, goldgelbe und rosarote Flechten.

Wild romantisch zeigen sich die Aran Islands in vielen Teilen. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Wild romantisch zeigen sich die Aran Islands in vielen Teilen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Im fünften Jahrhundert wurde Inishmore eine der Keimzellen des irischen Katholizismus. Der heilige St. Edna gründete um 490 in der Nähe von Killeany ein Kloster, das als eine der wichtigsten religiösen Siedlungen des Mittelalters gilt. Erst nach dem Tod des letzte Abts im Jahre 1400 begann das Gemäuer zu zerfallen. Auf dem Gelände um die überaus interessante Ruine liegen nicht weniger als 120 Heilige begraben. Und an der Südseite der Killeany Bay befinden sich die Ruinen von Arkin´s Castle aus dem Jahre 1587, in deren unmittelbarer Nachbarschaft das kleine steinerne Oratorium Teampull Bheanáin, einer der wenigen weitgehend erhaltenen frühchristlichen Bauten, zu finden ist.

Inishmaan, die mittlere Insel, misst knapp 25 Quadratkilometer bei einer Länge von fünf Kilometern. Von der Nordküste steigt das flache, weitgehend baumlose Land leicht terrassenförmig an. Am höchsten Punkt etwa in der Mitte der Insel erhebt sich mit Dun Chonchúir aus dem 5. Jahrhundert das größte Steinfort der Aran Islands und bietet einen atemberaubenden Blick auf die Galway Bay und die historischen Sehenswürdigkeiten des kleinen Islands, das gerade einmal über eine Handvoll schlichter B & B-Unterkünfte, drei Lebensmittelgeschäfte, eine Strickwarenfabrik, zwei Fahrradvermieter, drei Restaurants und einen Pub, das Teach Ósta, verfügt.

Wichtigster Hafen der kleinen Inselgruppe: Kilronan Harbour. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Wichtigster Hafen der kleinen Inselgruppe: Kilronan Harbour. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Die Kneipe ist irgendwie einmalig. Sie ist Treffpunkt, Gerüchteküche, Kontaktbörse und zweites Wohnzimmer für viele“, ist nicht nur für John Walsh der Besuch des Pubs ein absolutes Muss. Die Stimmung hier wirkt immer herzlich. Die Schankstube ist eine Enklave des Lachens und des Lästerns, in der die Probleme der Insulaner mit einem Pint of Guinness hinuntergespült werden. Vor allem das knappe Trinkwasser und die Berge an Müll, die die Heerscharen von Touristen hinterlassen, bereiten nicht wenig Kopfzerbrechen.

Ein Besuch wert sind ferner vor allem die Church of the King’s Seven Sons sowie Kilcananagh, ein kleines Gebetshaus aus dem 11. Jahrhundert im Hauptort An Córa. Nicht zu vergessen sind auch die Kilcanonagh Church, der Tempel Murray aus dem 15. Jahrhundert und die Überreste von Tempels Haghtmacree sowie Dun Fearbhaí, ein Steinfort aus dem 4. Jahrhundert, das im Gegensatz zu den anderen Forts der Arans fast quadratisch ist.

Wer sich nicht mit dem Fahrrad aufmachen möchte, baut häufig auf eine ein PS-starke Transportmöglichkeit. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Wer sich nicht mit dem Fahrrad aufmachen möchte, baut häufig auf eine ein PS-starke Transportmöglichkeit. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Nur knapp zehn Quadratkilometer bei einem Durchmesser von drei Kilometern ist Inisheer groß. Die „östliche Insel“ liegt lediglich acht Kilometer von der felsigen Küste der Grafschaft Clare entfernt und zählt 300 Einwohner. Zu den Attraktionen des winzigen Islands zählt neben Caislean Uí Bhriain, der Burg der O’Briens aus dem Jahre 1585, eine Kirche aus dem 10. Jahrhundert, die Teampall Chaomhain Caomhan, die dem Schutzpatron der Insel geweiht ist. Kaum minder interessant sind die mittelalterliche St. Gobnait Church, die heiligen Quellen von Tobar Éinne und ein Grabhügel aus der Bronzezeit, der 1885 von einem Sturm freigelegt wurde.

Oh, diese Iren Cover„Auf jeden Fall sollten Besucher sich Fromna Village angucken“, empfiehlt John Walsh. Denn das kleine Dorf dokumentiert mit seinen traditionellen, strohgedeckten Häusern ein Stück irischer Tradition und Lebensform – ebenso wie die gesamte Inselgruppe. Und dies nicht nur wegen der gälischen Beschilderung…

Weitere Informationen unter www.entdeckeirland.de

Buchtipp: Ulrike Katrin Peters, Karsten-Thilo Raab: Oh, diese Iren, Conrad Stein Verlag, ISBN 978-3-86686-804-5. Das Buch ist im Buchhandel oder direkt beim Conrad Stein Verlag erhältlich.

Karsten-Thilo Raab: Irland und Nordirland, Morstadt Verlag, ISBN 978-3-88571-325-8. Erhältlich ist der Titel unter www.morstadt-verlag.de oder im Buchhandel.


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