Egal ob Bier und Eistee aus der Boab-Nuss, Quandong-Konfitüre, Boodja-Gin oder lebendige Honigameisen direkt aus dem Boden – in Westaustralien können Besucher ihre Geschmacksknospen mit völlig Unbekanntem kitzeln. Die im Buschland heimischen Pflanzen- und Tierarten sind seit jeher eine reiche Nahrungsquelle für die Ureinwohner Australiens. Wenn man nur weiß, wo man suchen muss und was gerade Saison hat, kann man sich bedienen wie im Supermarkt. Gerade auch in der modernen australischen Küche fließen immer mehr Native Food-Elemente in die Menüs mit ein. Bei Bush Food Touren im Westen Australiens teilen Aboriginal Guides ihr Wissen über traditionelle Ess-, Nutz- und Heilpflanzen mit ihren Gästen und geben ihnen Gelegenheit, diese selbst zu kosten. Ein kleiner Vorgeschmack:
Bush Food im Outback
Aboriginal Bush Tucker tischt Dale Tilbrook den Experimentierfreudigen auf. – Foto Tourism Western Australiam Herzen von Australiens Goldenem Outback in der Nähe von Kalgoorlie bietet Goldfields Honey Ant Tours Gästen ein besonders authentisches Bush Food Erlebnis: Gemeinsam mit ihren Guides spüren Gäste bei dieser Tour die begehrten Honigameisen auf, das wohl süßeste Bush Food überhaupt. Experimentierfreudige Teilnehmer haben außerdem Gelegenheit, Witchetty-Maden zu kosten, nach denen ebenfalls während der Tour gesucht wird. Außerdem werden Nüsse und Früchte, die gerade reif sind, gepflückt und verkostet. Nach dem Spaziergang durch das Buschland sitzen alle Teilnehmer mit ihren Guides bei einem gemütlichen „Billy Tea“ mit Damper und Eintopf am Lagerfeuer. Dabei lauschen sie Geschichten über die traditionelle Lebensweise der Tjupan und erfahren, wie der Stamm bis heute kulturelle Bräuche auf seinem eigenen Land praktiziert.
Boab-Bier und -Eistee in Broome
Schon als Kind sammelte Robert Dann vom Stamm der Nyul Nyul in der Trockenzeit Boab-Nüsse für seine Mutter, die daraus mit heißem Wasser und etwas Zucker eine Art Porridge für die Familie kochte. Und auch pur aß er das Fruchtfleisch der Nuss, das Vitamin B6, Kalium, Eisen, Zink, Vitamin C, Eiweiß sowie gute Ballaststoffe enthält und somit ein wahres Superfood ist. Heute ist Robert Dann Inhaber der Firma Bindam Mie, was übersetzt so viel wie Bush Food bedeutet, einer Firma, die Boab-Nüsse zu Eistee, Bier und anderen Produkten verarbeitet. Der heute 49-jährige hätte sich nie träumen lassen, dass er sein Wissen über Boab-Nüsse eines Tages für ein eigenes Unternehmen nutzen würde. Die Idee für Bindam Mie, erklärt er, entstand aus seinem Tour-Unternehmen Kimberley Cultural Adventures: „Ich habe Gästen auf meinen Touren meist eine Kostprobe meines Boab-Eistees angeboten. Oft fragten sie, wo sie das Boab-Pulver kaufen könnten, das ich für die Zubereitung des Tees verwendete. Das brachte mich auf die Idee, meine eigenen Produkte herzustellen.“
Heute beschäftigt Bindam Mie junge Aboriginal Australier aus der Region, die die Nüsse in einer Großküche in Broome verarbeiten und verpacken. „Mit dem Wissen, das die Jüngeren bei mir erwerben, haben sie eine Chance, im Leben weiterzukommen. Wir tragen nicht nur zur wirtschaftlichen Entwicklung in der gesamten Kimberley-Region bei, sondern wir kümmern uns auch um unser Land.“ Geerntet werden die wilden Boab-Nüsse auf nachhaltige Weise von Aboriginal-Familien. Der leicht herbe, zitronige Geschmack der Nuss verleiht den Produkten von Bindam Mie eine ganz besondere Note. Das Sortiment umfasst Boab-Eistee in drei Geschmacksrichtungen (Original, Lemon und Pfirsich) sowie ein alkoholfreies Ginger Beer mit wildem Bush-Ingwer und Busch-Zitronengras. In Kürze soll außerdem ein Boab-Bier mit 2,5 bis 3,5 Prozent Alkohol auf den Markt kommen.
Bush Tucker Talks und Tastings
“Man nennt mich die ‚Bush Tucker Queen‘, weil meine Leidenschaft für heimische Ess- und Nutzpflanzen samt ihrer pharmazeutischen und nutritiven Eigenschaften schon fast an eine Obsession grenzt“, sagt Aboriginal Elder Dale Tilbrook vom Stamm der Wardandi Bibbulmun über sich selbst und erklärt: „Native Foods gelten oft als Superfoods aufgrund ihrer nutritiven Eigenschaften. So haben Kakadu Plums zum Beispiel den höchsten Vitamin C-Gehalt aller Früchte weltweit.“
In ihrer Maalinup Aboriginal Gallery im Swan Valley etwa 30 Autominuten außerhalb von Perth, weiht Dale ihre Gäste nicht nur in die Geheimnisse des traditionellen Bush Foods ein, sondern lässt sie Kräuter, Gewürze, Früchte und Nüsse auch probieren. Teilnehmer erfahren mehr über die traditionellen Nahrungsmittel der Aborigines, über die sechs Jahreszeiten der Noongar sowie nachhaltiges Sammeln und Jagen wie es seit jeher praktiziert wird. Mit etwas Glück Dales Gäste sogar in Genuss eines Omeletts aus Emu-Eiern. Die Tiere hält sie im Garten ihrer Galerie. Einige ihrer Rezepte hat Dale auf der Webseite ihrer Maalinup Aboriginal Gallery für Hobby-Köche und Gourmets zum Nachmachen online gestellt. Wie wäre es mit einer Quadong-Tarte, Lemon Myrtle Cheesecake oder Bush Herb Kebabs?
Boodja Gin in Collie
Harris River Estate Winery ist das erste Weingut, das im Rhythmus der sechs Jahreszeiten der Noongar einen einzigartigen Gin destilliert. Hergestellt wird er ausschließlich in kleinen Mengen – nur 200 Liter pro Charge – in Zusammenarbeit mit dem von Aborigines geführten Unternehmen Beelagu Moort. Außer der für Gin notwendigen Wachholderbeeren stammen alle anderen Zutaten für den Boodja Gin – Boodja bedeutet so viel wie Land – aus dem Busch des Wilman Country bei Collie, etwa 200 Kilometer südlich von Perth. Aboriginal Heiler Phil Ugle und sein Team von Beelagu Moort befolgen bei der Ernte der Zutaten für den Gin traditionelle, nachhaltige Methoden seiner Vorfahren: „Ich benutze mein Wissen über den Busch und meine Familientradition auf neue Weise. Das ist einzigartig im Südwesten Australiens.“
Als Basis für diesen Gin werden Pfefferminz und Teebaum genutzt, weil diese Pflanzen das ganze Jahr verfügbar sind. Während die Minze einen kühlenden Effekt hat, verleiht Teebaum dem Gin etwas Schärfe. Hinzu kommen eine erdig-nussige Note vom Balga Bush (Grasbaum) sowie eine weitere Zutat, die geheim bleiben soll. Je nach Noongar-Saison, in der die Zutaten geerntet wurden, variiert der Geschmack des Boodja Gin etwas. Auch eine alkoholfreie Version gibt es, in der genau die gleichen gesunden und heilenden Pflanzen verwendet werden. In der Mikrobrauerei, die ebenfalls zum Weingut gehört, wird zudem Boodja-Bier hergestellt, dem ebenfalls die gleichen pflanzlichen Zutaten wie im Gin zugesetzt werden und ihm so eine ganz besondere Geschmacksnote verleihen.Weitere Informationen unter www.westernaustralia.com.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.