Bois du Cazier: Das aufgeräumte Welterbe

Bois du Cazier
Ein Welterbe mit langer, bewegter Geschichte: Bois du Cazier. – Foto Karsten-Thilo Raab

Den markanten Klinkerbauten sieht man die 160-jährige Geschichte nicht an. Würde der Gebäudekomplex nicht von den beiden weithin sichtbaren Gerüsten der Fördertürme überragt, würde kaum jemand auf den Gedanken gekommen, dass es sich bei dem Ensemble um ein Zeche mit langer Tradition und bewegter Geschichte handelt. Kein Dreck, kein Müll, alles ist blitzblank. Und doch gilt Bois du Cazier als eine der wohl beeindruckendsten Denkmaler der Industriekultur. Nicht von ungefähr hat die UNESCO das einstige Bergwerk in Marcinelle, heute ein Ortsteil von Charleroi in der belgischen Provinz Hennegau, im Jahre 2012 zum Weltkulturerbe erhoben.

Die Ausstellung des Welterbes führt durch die Geschichte des Bergbaus. – Foto Karsten-Thilo Raab

Eine erste Konzession, in dem Areal Kohle zu fördern, verlieh Wilhelm I. durch einen königlichen Erlass an die Witwe des Barons Jean-Baptiste de Cazier am 30. September 1822. Nach der Übernahme durch die Charbonnages d’Amercoeur im Jahr 1899 wurde das Bergwerk zu einer der produktivsten und modernsten Zechen in der Region Charleroi. Bis zu 800 Kumpel förderten hier zu Spitzenzeiten das „schwarze Gold“ aus bis zu 1.000 Metern Tiefe ans Tageslicht. Letzteres bekamen die Grubenpferde nicht zu sehen. Die kräftigen Tiere, die bis zu acht voll beladene Waggons auf einmal ziehen mussten, wurde lange Zeit ausschließlich unter Tage gehalten – auch weil es schwierig war, sie in den engen Fahrstühlen in die Tiefe zu befördern.

Bois du Cazier
Weithin sichtbar sind die beiden Fördertürme von Bois du Cazier. – Foto Karsten-Thilo Raab

Obschon das Areal von Bois du Cazier gerade einmal 800 Hektar groß war, erwies sich die Zeche als überaus ertragsreich. Da nicht genügend Kumpel im Umland von Marcinelle gefunden werden konnten, wurden schon früh reihenweise Gastarbeiter angeworben. Insgesamt arbeiteten hier im Laufe der Jahre gut 60.000 ausländische Bergleute – die meisten von ihnen war Italiener. Als Gegenleistung musste die Zeche für jeden italienischen Kumpel 200 Kilogramm Kohle pro Tag nach Italien senden. Eine Win-Win-Situation, zumal in Italien Arbeitsplätze rar waren und nicht genügend Kohle für kalte Tage gefördert werden konnte.

Nicht nur das riesige Wandbild erinnert in Bois du Cazier an das schwere Grubenunglück. – Foto Karsten-Thilo Raab

Alles schien in Bois du Cazier, dessen markanten und heute noch komplett erhaltenen Gebäude um das Jahr 1890 fertiggestellt wurden, nach Plan zu laufen, bis zu jenem schicksalhaften Tag im Jahr 1956. Ein Tag, der als einer der schwärzesten in die belgische und europäische Bergbaugeschichte eingehen sollte. Am 8. August 1956 wurde in 975 Metern Tiefe eine Reserve mit 1.000 Litern Öl durch eine defekte Elektroleitung in Brand gesetzt. Dies wiederum löste eine Kettenreaktion aus. Ein Grubenwagen blockierte den Aufzug und damit den wichtigsten Fluchtweg, während sich das Feuer und der dichte Rauch rasant ausbreiteten. Das Grubenunglück mussten nicht weniger als 262 Bergarbeiter mit ihrem Leben bezahlen – darunter fünf Deutsche und 136 Italiener.

Auch die einstigen Arbeitsbedingungen der Kumpel lassen sich in Augenschein nehmen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Die Katastrophe richtete den Blick auf die verheerenden Arbeitsbedingungen und mangelnden Sicherheitsbestimmungen im Bergbau, die in der Folge in Belgien und ganz Europa verschärft wurden. Die Kohleförderung im Bois du Cazier wurde acht Monate nach der Katastrophe wiederaufgenommen, der Niedergang des Bergbaus führte jedoch Im Jahr 1967 dazu, dass die Zeche für immer geschlossen werden musste.

Bois du Cazier
Der Blick in die einstige Waschkaue nebst Duschen darf nicht fehlen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Heute erheben sich wie ein Mahnmal zwei weithin sichtbare Fördertürme aus dem von drei Haldenhügeln umgebenen Areal des Weltkulturerbes. Die Hauptgebäude sind zu einem Museumstrakt umfunktioniert und erzählen in einer umfangreichen Ausstellung anschaulich die Geschichte des Bergbaus und greifen dabei natürlich die Historie von Bois du Cazier detailliert auf. In Gedenken an das schwere Grubenunglück wurde eine spezielle Abteilung mit Filmen, Fotomaterial und Zeitzeugenberichten sowie eine Gedenkstätte eingerichtet, in der jener schicksalhafte 8. August 1956 auf erschreckende Art und Weise wieder lebendig wird.

Bois du Cazier – ein Welterbe im Spiegel (der Zeit). – Foto Karsten-Thilo Raab

Informationen: Bois du Cazier, Rue du Cazier, 6001 Marcinelle, Belgien, Telefon 0032-71-880856, www.leboisducazier.be.