Auge in Auge mit dem weißen Eisbär-Riesen

Der Wapusk-Nationalpark  südlich der Stadt Churchill in Kanada schützt das in seiner Ausdehnung  größte Geburtshöhlengebiet von Eisbären in der gesamten Arktis.  Jedenfalls ist man davon bisher ausgegangen.  Mitarbeiter von Manitoba  Conservation, der Naturschutzbehörde der kanadischen Provinz, erlebten  eine positive Überraschung, als sie bei einer Erkundungstour im  Nordosten der Provinz viele Geburtshöhlen entdeckten. Das Gebiet liegt  südöstlich und außerhalb des Nationalparks nahe der Grenze zu Ontario  und östlich des Nelson Rivers.   „Wir wussten, dass es hier  Eisbärenhöhlen gibt, aber wir sind sehr überrascht über die hohe  Anzahl. Es sieht so aus, als ob es hier so viele Geburtshöhlen gibt  wie im Wapusk National Park, vielleicht sogar mehr“, berichtet Darryl  Hedman, Regionalmanager bei Manitoba Conservation. „Das ist wirklich  eine spannende Neuigkeit“, so Hedman, dessen Zuständigkeitsbereich der  Nordosten der Provinz ist.

Weibliche Eisbären graben Höhlen, um dort ihre Jungen zu gebären. „Die  Entdeckung der Lager werten wir als ein gutes Zeichen, denn es sieht  so aus, als wäre die Eisbärenpopulation in der Region zurzeit in einem  guten Zustand“, fügt der Biologe Hedman hinzu. Dies täuscht aber nicht  darüber hinweg, dass die weißen Bären aufgrund der klimatischen  Veränderungen weniger Zeit auf dem Eis haben, um sich Fettreserven für  den Sommer anzufressen. Wie Aufzeichnungen belegen, bricht das Eis der  Hudson Bay im Frühjahr nämlich eher auf als noch vor 40 Jahren. Die  Weibchen haben also weniger Zeit sich ein Polster zuzulegen, das sie  brauchen, um im nächsten Winter ihre Jungen zu gebären und zu  versorgen. Auch Geburtshöhlen leiden manchmal unter den klimatischen  Veränderungen. Sie liegen oft unter Permafrostboden. Durch längere  wärmere Phasen taut der Boden auch in tieferen Schichten an und wird  weich, so dass die Decken der Tierbauten einbrechen können.

Touren zu den neu entdeckten Eisbärenhöhlen in Manitoba wird es  verständlicherweise nicht geben. Wer aber mehr über die Eisbären der  Hudson Bay wissen oder sie  beobachten möchte, dem stehen verschiedene  Angebote offen: Die Nanuk Polar Bear Lodge liegt am südlichen Rand des Wapusk  Nationalparks. Sie ist von einem zweieinhalb Meter hohen Zaun umgeben,  so dass die Gäste sicher vor den Bären sind und sie diese aus nächster  Nähe beobachten können. Mit Quad und Anhänger fahren die Guides  Besucher hinaus ins Gelände, natürlich unter Berücksichtigung strenger  Sicherheitsvorschriften. Jeder Bär, den die Gäste zu Gesicht bekommen,  ist zwar wunderschön, aber möglicherweise auch gefährlich! Von Juli  bis August können Bärenmütter mit Jungen, aber auch Bären, die gerade  vom auseinanderbrechenden Packeis kommen, gesichtet werden. Sie  stromern über die mit Riedgras bewachsenen Wiesen – das sind ihre  sommerlichen Salate nach einem langen Winter voller Robben-Hauptgänge.

Wenn der Winter wieder kommt, lädt Churchill Wild Gäste zur Dymond  Lake Lodge ein, sie liegt dreißig Kilometer außerhalb Churchills. Die  Lodge ist auf der Migrationsroute der Bären erbaut worden. Die Gäste  können vier Tage in der Lodge verbringen, aus der Sicherheit der Hütte  heraus die Bären vorbeiwandern sehen oder mit einem Guide die Gegend  erwandern.

Mit einem Tundra-Fahrzeug können die Gäste am Polar Bear Point südlich  von Churchill Eisbären aus den sicheren Fahrzeugen heraus beobachten.  Die Tiere kommen im Oktober und November aus dem Hinterland an die  Küste und warten auf das Zufrieren der Bucht. Denn wenn das Eis die  hungrigen Bären trägt, laufen sie hinaus um Robben zu jagen.  Übernachtet wird in Hotels und Motels in der kleinen Stadt Churchill. Wer den Eisbären Tag und Nacht nahe sein will, dem sei die Tundra- Buggy-Lodge empfohlen. Dies sind riesige Wagen mit kleinen  Schlafkojen, die mitten in der Tundra stehen.

Im späten Februar bis Anfang März kommen die Bärenjungen mit ihren  Müttern erstmalig aus ihren Geburtshöhlen, um ihre erste lange Reise  zur Küste zu unternehmen. Von der „Wat’chee Lodge“ in der Nähe des Wapusk National Park können Besucher beobachten wie  die Eisbärenmütter und die kleinen Bären zum ersten Mal ihre  Kinderstube verlassen, um die Welt zu entdecken.