Auf Huckelberry Finns Spuren: Flößen in Thüringen

Thüringen
In der Flößergemeinde Uhlstädt-Kirchhasel wird die Tradition des Flößens gelebt und gepflegt. Höhepunkt ist das jährliche Flößerfest. – Foto U. Leutelt/Flößereimuseum Uhlstädt

In einer zehnköpfigen Gruppe begeben wir uns auf das Floß in Kirchhasel in Thüringen und sind überrascht, wie bequem die Holzbänke sind. Unser Steuermann führt uns sicher vom Ufer weg auf die Mitte des Flusses. Nun geht sie los, unsere Floßfahrt. Die Ufer sind gesäumt von Bäumen, die sich manchmal tief über den Fluss beugen. Zwischen den Lücken sehen wir Felder und weiter entfernt Ortschaften. Über einem Felsvorsprung thront weit über uns die Weißenburg. Das langsame Tempo, in dem sie an uns vorüber gleitet, lässt sie imposant erscheinen. Wir lassen die Eindrücke auf uns wirken und erinnern uns an Huckelberry Finn, der entlang des Mississippi zahlreiche Abenteuer erlebte und unweigerlich vor das innerliche Auge tritt, sobald man an ein Floß denkt.

Durch die Erzählungen unseres Flößers wird uns jedoch schnell klar, das Flößen eine nahezu vergessene Art des Broterwerbs und nicht annähernd so romantisch war, wie wir es gerade in unserer Vorstellung erleben dürfen. Die alten Langholzflöße bestanden früher komplett aus Holz, wohingegen wir heute auf ausgeschäumten Stahlrohren fahren, die mit Holz beplankt und mit bequemen Bänken ausgestattet sind.

Holztransport ein Zusatzverdienst der Bauern

Ein feucht-fröhliches Vergnügen: Die fahrt mit dem Langholzfloss über das Wehr. – Foto Floesserverein Uhlstaedt/B.Wiesel

An den Thüringer Flüssen war das Flößen weit verbreitet, schließlich gab es im „Grünen Herzen Deutschlands“ schon immer nicht nur ein reiches Holzvorkommen, sondern auch zahlreiche Gewässer. Der Holztransport war ein willkommener (Dazu-) Verdienst vieler Bauern. Die Wasserstraßen waren über Jahrhunderte der preisgünstigste und schnellste Weg, Holz zu transportieren. Während die heutige touristische Saison von Mai bis Oktober dauert, begann die Flößerei auf der Saale mit der Schneeschmelze und musste im Sommer oft aufgrund der geringen Wasserführung für mehrere Wochen unterbrochen werden.

Heute hat der Wassertourismus in Thüringen viel zu bieten und verbindet durch die Flößerangebote auf Saale und Werra zudem Geschichte und Gegenwart auf eine sehr anschauliche und abenteuerliche Weise. Auf der Saale geht es von Unterhasel eine etwa zehn Kilometer lange Strecke nach Uhlstädt. Die Fahrtzeit beträgt je nach Wasserstand und Fließgeschwindigkeit um die 2,5 Stunden. In Uhlstädt angekommen, gibt das Flößereimuseum einen eindrucksvollen Einblick in vergangene Zeiten. Zahlreiche Ausstellungsstücke, Fotos und Dokumente veranschaulichen die gewerbliche Flößerei der letzten Jahrhunderte.

Moderne Floßtouren auf den Flüssen

Die Fahrt mit dem Langholzfloss kommt einer Reise in die Vergangenheit gleich. – Foto U. Leutelt/Flößereimuseum Uhlstädt

Auch auf der Werra können Ausflügler und Touristen wunderschöne Floßtouren erleben, z.B. von der Steinmühle bei Wommen nach Neuenhof. Die Werra ist besonders durch ihre kurvenreiche Mäanderform und durch ihre Naturbelassenheit geprägt. Letztere kommt nicht zuletzt dadurch zustande, dass ein Teil von ihr die Deutsch-Deutsche Grenze markierte. Als Grenzgebiet war sie gesperrt und die Natur konnte sich ohne menschliche Eingriffe entwickeln.

Geschichte der Flößerei in Thüringen

Die Fahrt über die Staustufe erfordert besonderes Geschick. – Foto U. Leutelt/Flößereimuseum Uhlstädt

Vor 760 Jahren wurde die Langholzflößerei auf der Saale das erste Mal urkundlich erwähnt. Man kann davon ausgehen, dass sie auch schon viele Jahre davor betrieben wurde. Frühere urkundliche Erwähnungen sind in Deutschland nur vom Rhein bekannt. Die Einbindestellen, an denen die Flöße aus Fichtenstämmen gebaut wurden, befanden sich im oberen Teil der heutigen Bleilochtalsperre, nahe der Grenze zu Bayern. Das Holz wurde bis Kösen (später Bad Kösen), ab 1872 bis nach Camburg verbracht. Je nachdem, wie viel Wasser die Saale führte, dauerte eine Floßfahrt nach Camburg drei bis vier Tage. Die Uhlstädter Flößer gingen danach meist zu Fuß nach Hause. Erst mit der Inbetriebnahme der Saalbahn im Jahre 1874 konnte man diese für die Heimreise benutzen. Nicht nur in der heutigen Flößereigemeinde Uhlstädt-Kirchhasel, im gesamten Gebiet der mittleren und oberen Saale gab es Flößer.

Der Beginn des Baus der Bleilochtalsperre 1926 war für die Flößerei auf der Saale ein großer Einschnitt. Der zweite große Einschnitt war der Baubeginn der Hohenwartetalsperre 1936. Die Flöße fuhren von da an nur noch von der Einbindestelle Kaulsdorf-Eichicht unterhalb der letzten Staustufe der Saalekaskade Richtung Camburg. 1938 wurde die gewerbliche Flößerei auf der Saale offiziell eingestellt. In den Folgejahren fuhren dennoch hin und wieder Langholzflöße saaleabwärts. Das tatsächlich letzte Floß brachte 1947 Fichtenstämme aus der Uhlstädter Heide nach Camburg. 1984 wurde der Flößerverein Uhlstädt, Oberkrossen und Rückersdorf gegründet, der sich der Traditionspflege verschrieben hat und seit 2001 das Flößereimuseum Uhlstädt betreibt. 1995 begann die touristische Flößerei zwischen Unterhasel und Uhlstädt.

Tradition seit dem 16. Jahrhundert

Ein Blick in längst vergangene Tage: Flossbau an der oberer Saale bei Haueisen. – Foto Floessereimuseum Uhlstädt

Die Werraflößerei fand zuerst im Jahr 1563 eine offizielle Erwähnung. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Geschichte der Flößerei viel weiter zurückgeht. In der Mitte des 18. Jahrhunderts fand die Werraflößerei ihren Höhepunkt. Zu der Zeit entwickelte sich das Dorf Wernshausen zum Flößerort. Der Holzreichtum der Gegend sowie die Lage am Wasser und an einer der ältesten Handelsstraßen, der Nürnberg-Frankfurt-Straße, schafften für Wernshausen ideale Bedingungen. Hier wurde nicht nur Langholz geflößt, sondern auch Bau-, Scheit- und Brennholz. 1668 tobte eine Feuersbrunst in London, in deren Folge große Mengen Holz aus dem Thüringer Wald über die Werra nach Bremen geflößt und von da aus nach England verschifft wurden. Nach dem großen Feuer in Hamburg 1842 sind ebenfalls große Mengen Holz über die Werra in die Hansestadt geliefert worden.

An der Werra bedeuteten moderne Transportwege das Aus für das gewerbliche Flößen. Der Beginn des Endes war der Bau der Werrabahn. Nach dem 1. Weltkrieg gab es nur noch vier Flößer, 1938 wurde die gewerbliche Flößerei offiziell eingestellt. Im heutigen Schmalkalder Ortsteil Wernshausen können Interessierte anlässlich des jährlich stattfindenden Flößerfestes eine gemütliche Floßfahrt genießen. Somit kann man auch hier, ganz im Sinne Huckleberry Finns auf eine ereignisreiche und naturnahe Entdeckungstour gehen.