Sie sind alle gleich, die Weihnachtsmänner dieser Welt: rote Mütze, weiter roter Mantel, weißer Rauschebart, gütiger Blick, zumeist hinter einer Nickelbrille versteckt – eben ein freundlicher alter Herr, bester Freund aller Kinder. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten schon. Jeder hat einen anderen Namen, jeder behauptet von sich, der einzig wahre, wirkliche, richtige Weihnachtsmann zu sein. In der hektischen Adventszeit, wenn der Stress selbst den geduldigsten Vertreter seiner Gattung hitzigen Schweiß auf die faltige Stirn treibt, treten sogar manchmal, ansonsten eher latente Feindseligkeiten offen zutage. Tomte, der schwedische Weihnachtsmann, macht da keine Ausnahme. Und wenn er seine Geschichte erzählt, zweifelt kaum jemand an dessen Seriosität: „Mir und meinen Nissen, das sind all diese freundlichen Wesen hier um mich herum, wurde es am Nordpol, an meinem altem Wohnort, zu kalt und zu einsam. So suchten wir einige Zeit nach einem geeigneten Ort, der des Heimes eines Tomte würdig und angemessen erscheint. Schließlich“, er streicht sich durch die üppigen Barthaare, „fanden wir ihn hier zu Füßen des Gesunda-Berges am Siljan-See.“ Zufrieden lehnt er sich in seinem Sessel zurück, genießt die Wärme des Kaminfeuers und lächelt würdevoll in sich hinein.
Tomte wollte mehr Kontakt zu den Lebewesen. Er erlernte die Sprache des Meeres, der Bäume und Pflanzen, der Tiere und letztendlich auch der Menschen. Doch nur die Kinder wollte er verstehen lernen, denn ihre Gedanken sind direkt und unverschlüsselt, offen und ehrlich. So besuchte er die Kleinen in der Nacht, beobachtete sie im Schlaf und streichelte ihnen dafür dankbar über die Wangen. „Deshalb heißen die Weihnachtsgeschenke in Schweden auch julklapp. Klapp bezeichnet genau dieses Streicheln.“ Später reichte dann die Streicheleinheit nicht mehr aus, plötzlich gab es große Präsente, die Kommerzialisierung setzte ein. Er schaudert ein wenig bei seiner Erzählung, der Blick wird nachdenklich, traurig.
Einige Nissen, mit ebensolchen Mützen und Mantel ausstaffiert, laufen weniger würdevoll, dafür umso eifriger umher, sorgen für Ordnung in der Küche und reibungslosen organisatorischen Ablauf des Verpackens von Geschenken und deren Auslieferung. Ein Raum ist angefüllt mit großen und kleinen, hübsch verpackten Gaben, die in den Regalen warten. Immer wieder kommen kleine Kinder mit ihren Eltern in die gemütliche Stube. Ihre Augen leuchten erwartungsvoll, als sie sich umsehen. Doch zuvor wechseln sie einige ehrfurchtsvolle Worte mit dem alten Herrn, der schnell ihre Verlegenheit zu nehmen weiß und drei wichtige Ratschläge mit auf ihren Lebensweg gibt: den Frieden mit allen Menschen zu wahren, die Natur zu achten und an sich selbst zu glauben. Selbstverständlichkeiten, die in dieser schnellebigen Zeit allzu leicht in Vergessenheit geraten.
Tomtes kleines Land, das nun tief verschneit liegt, hat natürlich auch eine Werkstatt, in der viele Geschenke in Handarbeit angefertigt werden. Kurz vor den Feiertagen herrscht hektische Betriebsamkeit. Ein kleiner Markt ist aufgebaut, man kann den Nissen bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen, kann das eben erstellte Produkt sofort käuflich erwerben. Die Palette reicht von geflochtenen Strohfiguren über Holzspielzeug bis hin zu selbstgebackenen Pfefferkuchen. An einer großen Tanne im Obergeschoss baumeln Hunderte von Schnullern – Symbol für ein besonderes Geschenk der Kleinen an die Großen.
Im Café gibt es für die Erwachsenen den unvermeidlichen schwedischen Glühwein, den glögg. Hier können sie auch die Wartezeit verkürzen, wenn sich die Sprößlinge zum Besuch der Tomte-Schule entschlossen haben, um das Geheimnis der Tomtekraft unter Anleitung der Lehrnissen zu erlernen. Das Postamt fehlt genauso wenig wie der Rentierschlitten draußen vor der Tür. Doch die Rentiere haben Pause, sie sammeln Kraft für die letzten, anstrengendsten Stunden vor dem Heiligen Abend. So stapft also ein schnaubender Haflinger durch den tiefen Schnee, der in der hereinbrechenden Dämmerung bläulich schimmert.
Kleine Kerzen markieren den Weg im mystisch-romantischen Winterwald, in dem auch die Schneekönigin wohnt. Trolle, Hexen und emsige Elfen treiben dort zuweilen ihr Unwesen, versuchen die Besucher zu erschrecken. Jedoch haben alle Nissen ihre Rezepte und speziellen Methoden den schaurig-schönen Attacken der schrecklich riechenden Trolle durch Mimik, Gestik und Töne erfolgreich zu widerstehen.
Im Zug zurück in die Hauptstadt Stockholm kann es schon passieren, dass mitreisende Nissen, die den Schlitten verpasst haben, für kurzweilige Unterhaltung an Bord sorgen. Sie verteilen kleine Geschenke, intonieren die verschiedensten schwedischen Weihnachtslieder und geben der heiligen Luzia ehrwürdiges Geleit. Die blonde junge Frau mit dem charakteristischen Lichterkranz auf dem Kopf schreitet, in strahlendes Weiß gekleidet, majestätisch durch die schmalen Gänge. Ein erhabener Anblick angesichts rhythmisch ratternder Fahrgeräusche und permanenten Schaukelns der Waggons.
Tiefe Dunkelheit liegt über der schwedischen Hauptstadt, als die Bahn endlich in der Zentral-Station einläuft. Vorweihnachtliche Atmosphäre verbreiten stimmungsvoll dekorierte Schaufenster der großen Kaufhäuser und endlose Lichterketten an den Fassaden. Auf dem Weihnachtsmarkt am Stora Torget in der pittoresken Altstadt Gamla Stan herrscht noch immer geschäftiges Treiben, es riecht nach Haselnuß und Mandelkern, nach Bratäpfeln, Kerzen und Glögg.
Information: Das Tomteland (Santaworld) liegt bei Mora in der mittelschwedischen Provinz Dalarna und ist das ganze Jahr über zwischen 1000 und 1600 Uhr geöffnet. Im Winter an den ersten beiden Adventswochenenden sowie vom 16.-23. und 25.-31. Dezember. Neben den Gebäuden, die unmittelbar mit dem Weihnachtsmann zu tun haben, werden zahlreiche Aktivitäten für Kinder angeboten. Das reicht von der Hüpfburg bis zur Bootsfahrt im Aurorasee. Im Winter gibt es jahreszeitlich bedingte Einschränkungen, dafür aber die dem Anlass eher entsprechende Stimmung. Der Eintritt kostet SEK 180,- (Kinder von 3 – 12 Jahren SEK 160,-). Mehr unter www.santaworld.se.
Allgemeine Informationen zu Schweden unter www.visitsweden.com.
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