Schlaflos im Hospital de Muro – Überlebenstipps für ein spanisches Krankenhaus

Nimmt eine zentrale Funktion in der Krankenversorgung im Nordosten Mallorcas ein: das Hostpital de Muro. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Nimmt eine zentrale Funktion in der Krankenversorgung im Nordosten Mallorcas ein: das Hostpital de Muro. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Zuerst einmal, vorweg sei gesagt: Es ist ein Segen, dass es im ruhigen Nordosten von Mallorca, des Deutschen liebsten Ferieninsel, ein Krankenhaus gibt. Es wäre furchtbar, im Notfall erst einmal eine Autostunde nach Palma fahren zu müssen. Ohne Zweifel liegt es an den Tausenden von Touristen, die jährlich in den beschaulichen Ort Playa de Muro kommen, dass es hier überhaupt ein so stattliches Krankenhaus gibt.

Allein ein paar Kulturunterschiede können unter Umständen dazu führen, dass man als deutscher Patient schlaflos und sorgenvoll hier im Krankenbett liegt und die Heimreise nicht erwarten kann. Kein Grund zur Sorge: Die Versorgung im Hostpital de Muro ist sehr gut, es geschieht nur alles anders als man das vielleicht aus einem deutschen Krankenhaus kennt. Über die Kulturunterschiede sei hier ziemlich subjektiv aufgeklärt – damit sie beruhigt gesunden können, falls Sie im Hospital liegen müssen statt am Strand liegen zu dürfen.

Gerne wird auch bei "Schnupfen" mal schnell ein Röntgenbild erstellt.
Gerne wird auch bei „Schnupfen“ mal schnell ein Röntgenbild erstellt.

1. „Ready for flight“-Bescheinigung

Wussten Sie, dass Sie im Krankheitsfall nicht einfach zum Flughafen fahren, sich ein Ticket buchen und sich in den nächsten Flieger nach Hause setzten können? Wer nämlich in ein spanisches Krankenhaus eincheckt, dessen Passnummer wird direkt an die Flugsicherung übermittelt. Es kann dann beim Check-in also passieren, dass Ihnen ein Mitarbeiter auf die Schulter tippt und nach der „Ready for flight“-Bescheinigung des Krankenhauses fragt. Liegt diese nicht vor, dann weigert man sich vermutlich, Sie mitzunehmen.

2. Die Schwestern

Die Armada der spanischen Krankenschwestern ist erbarmungslos und wirkt oft wie ferngesteuert. Sicher liegt das an dem enormen Zeitdruck, unter dem sie ihr jeweiliges Aufgabenfeld abarbeiten müssen. Auch die Verständigungsprobleme tragen sicher das ihre bei. Meist ist das Englisch der Schwestern so schlecht wie das Spanisch der Durchschnitts-Patienten aus dem Ausland.

Bestehen Sie auf jeden Fall auf einen Übersetzer für Ihre Gespräche mit dem Arzt. Sollten Sie das Gefühl haben, der Übersetzer übersetzt zu viel oder zu wenig von Ihren Worten oder den des Arztes, versuchen Sie auf jeden Fall, direkt mit dem Arzt auf Englisch zu sprechen. Nach anfänglichem Zögern auf Seiten des Arztes funktioniert dies manchmal viel besser als mit dem Umweg über die doch sehr resolut und dominant auftretenden Übersetzerinnen.

Merken Sie sich, dass jede Schwester ein sehr eingeschränktes Aufgabenfeld erfüllt. Die eine ist nur für die Medikamentenausgabe zuständig und kann Ihnen unter keinen Umständen eine Rolle Klopapier bringen. Die andere ist nur für das obligatorische Fiebermessen und Blutdruckmessen zuständig. (Man erhört sie schon von Weitem am den quietschenden Wägelchen mit den Messgeräten von anno dazumal, das sie hinter sich her zieht)

Die Schwestern scheinen allesamt nur eine zugewiesene Aufgabe zu haben.
Die Schwestern scheinen allesamt nur eine zugewiesene Aufgabe zu haben.

In diesem Krankenhaus kann Ihnen eine Krankenschwester keinerlei Auskunft darüber geben, wann Sie den Arzt sehen werden, warum sie das Medikament X nun bekommen und wofür die Röntgenaufnahme eigentlich notwendig ist. Wenn Sie Glück haben, wird sie beim Arzt nachfragen und nach einiger Zeit mit der gewünschten Info zurück kommen. Wenn Sie Pech haben, wird sie einfach sagen „Doctor said so!“ oder behaupten, sie komme in drei Minuten mit der gewünschten Info oder dem Klopapier zurück, um auf Nimmerwiedersehen zu  verschwinden.

3. Der Tropf

Patient, so merke Dir: Ohne Tropf geht in diesem Krankenhaus gar nichts. Sie haben die Aufnahmepapiere noch nicht fertig ausgefüllt, da dröppelt schon die erste Flasche Glucose-Mischung in Ihren Arm. Sei er noch so überflüssig, störend oder gar schmerzhaft, der Tropf bleibt, wo er ist. Der relativ großzügige Umgang mit Medikamenten allgemein zeigt sich auch hier: Morgens gibt es erstmal einen „Magenschoner“ intravenös. Egal, ob Sie überhaupt Medikamente einnehmen oder nicht. Ist so.

4. Mixed Double

Sowohl die Nationen als auch die Erkrankungen werden bei der Zimmerbelegung munter gemischt. Wer Glück hat, liegt neben einer gut gelaunten Britin, deren Bronchitis nicht ansteckend ist.

5. Schlafentzug

Rabums! Mitten in der Nacht donnert die Tür auf. Das Licht wird angeknallt, das quietschende Fiebermess-Blutdruck-Kontrollwägelchen hereingezerrt und die gut gelaunte Britin im Nebenbett erleidet ob des Schocks Herzrrythmus-Störungen. Leider platzt das Blutdruck-Mess-Klett-Armband vom prallen Oberarm immer wieder ab und ermittelt so Fehlwerte – und zack – wird die Britin auf die Intensivstation verlegt – kein Scherz, leider… denn das Messgerät irrt sich nie.

Das Hospital de Muro verfügt auch über eine Ambulanz. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das Hospital de Muro verfügt auch über eine Ambulanz. (Foto Karsten-Thilo Raab)

6. Nahrungsmittelentzug

Alles Überlebenswichtige erhalten Sie intravenös. Wozu also noch essen? Nicht selten verordnen die Ärzte zu Beginn des Aufenthaltes eine strenge Nulldiät, für den Fall der Fälle, dass noch eine OP ansteht. Danach finden nicht immer gleich alle Patienten den Weg in das Computersystem des Caterers und werden deshalb manchmal schlicht vergessen.

Die gute Nachricht: Sie verpassen im Grunde nichts. Sind Sie dann drin in der Lieferkette, so gilt es, nicht an die Köstlichkeiten der spanischen Küche zu denken, wenn man den Plastikdeckel des Tabletts lüftet. Wir wollen nicht ungerecht sein. Das Essen ist meist noch ein wenig warm und reichlich. Trotzdem ist gut beraten, wer noch mitreisende Verwandte „draußen“ hat.

Mindestens ein Fläschchen Mineralwasser werden Besucher ihnen sicher täglich mitbringen, denn das ist in der Krankenhausversorgung nicht vorgesehen. Auch sieht man häufiger Verwandte mit notdürftig abgedeckten Hotel-Tellern über die Krankenhausflure huschen. Ein kleiner Gruß vom Buffet als Trost, dass man nicht selber von den Köstlichkeiten wählen darf. Auch einen ordentlicher Vorrat an Keksen, Salzstangen und Obst auf dem Nachttisch zudeponieren, ist nicht verkehrt.

7. Drugs
Der scheinbar recht lockere Umgang mit Medikamenten ist für deutsche Patienten etwas gewöhnungsbedürftig. Prophylaktisch gibt es gleich am Morgen erstmal „Magenschoner intravenös“ und nachts um halb zwei stößt die Nachtschwester mit einem lauten Rums die Tür auf und preist, in der Lautstärke eines Straßenhändlers, „Painkiiiiiiller, Painkiiiiiiller“ an.

8. Indirekte Kommunikation
Sie möchten vielleicht hin und wieder von der Schwester erfahren, warum dieses oder jenes Medikament plötzlich an Ihrem Tropf hängt. „Doctor sais take!“ ist die energische Antwort.

Die Untersuchungsmethode im Hospital de Muro kommen einem bisweilen doch etwas Spanisch vor.
Die Untersuchungsmethode im Hospital de Muro kommen einem bisweilen doch etwas Spanisch vor.

Am nächsten Morgen kann es sein, dass mit der Schwester überraschende Neuigkeiten ins Zimmer hineinrauschen. Man solle das Bett nicht mehr verlassen – und im Falle eines menschlichen Bedürfnisses solle der roten Knopf gedrückt werden.

DEN ROTEN KNOPF DRÜCKEN?! Der verhallt im Nirgendwo, niemals erhört irgendjemand dieses Notrufsignal, weil ständig viel zu viele Patienten nach zu wenigen Schwestern klingeln. Entgegnet man vehement, dass man sehr wohl aufstehen möchte und dass das den eigenen Gesundheitszustand verbessern wird, so kann es passieren, dass die lapidare Antwort: „Okay..“ lautet, „..then do!“.

Merken Sie sich, dass Sie hier nur körperlich anwesend sind. Eine Beruhigung Ihrer Nerven, eine Info für Ihr aufgewühlte Ratio, wann mit der Visite, der Untersuchung und/oder der Röntgenaufnahme zu rechnen ist, ist nicht vorgesehen. Vertrauen Sie aber darauf, dass hinter den Kulissen alles auf wunderliche Weise organisiert und geplant ist und dass man für Ihren Körper nur das Beste will.

9. Zuständigkeiten
Sie benötigen Klopapier? Keine Schwester zu sehen weit und breit? Dann ist es die einfachste Lösung, dass Sie aus der im Flur abgekippten „Lieferung“ aus Babywindeln, Damenbinden, Papierhandtüchern und so weiter selber vorsichtig nachschauen. Denn bis das leise Quitschen am unteren Ende des Flures wieder zu vernehmen ist, das die Ankunft einer Dame in lila Krankenhauskluft samt Medikamentenwagen ankündigt, kann ein wenig Zeit vergehen. Sie schiebt den übermannshohen Wagen von Tür zu Tür und ist ausschließlich für die Verteilung der Medikamente laut Plan zuständig. Fragen zu Mahlzeiten, anstehenden Untersuchungen, Klopapier oder dergleichen kann sie nicht beantworten.

Das Hospital de Muro kümmert sich tagtäglich um Einheimische wie Touristen. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das Hospital de Muro kümmert sich tagtäglich um Einheimische wie Touristen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

10. Früh zu Bett
Lernen Sie schnell von anderen touristischen Patienten, die sich schon länger mit den Routinen vor Ort auskennen. Um 20 Uhr ist bereits alles dunkel im Nebenzimmer? Kein Wunder, wer schon länger hier ist, der weiß: Die Nacht wird spätestens um 6 Uhr zu Ende sein und auch noch mal um eins und vier unterbrochen werden: Stichwort: „Paiiiinkiillller!“.

Gott Lob, wer eine gut gelaunte Britin als Zimmernachbarin abbekommen hat: „Let´s have a nap until they are coming back..“ Wer sich innerlich bereits auf Tür aufknallen und Licht anballern einstellt, der wird entweder gar nicht erst einschlafen oder sich nicht ganz so erschrecken, wenn es soweit ist. Außerdem kann ein über die Augen gelegtes T-Shirt und ein wenig Watte in den Ohren Wunder bewirken.

11. Five Minutes
Für Japaner ist es unhöflich, „nein“ zu sagen oder „Ich weiss nicht…“. Ähnlich muss es um spanische Schwestern bestellt sein: Erhört Sie endlich mal das Klingeln über die Rote-Hilfe-Taste und man bittet um dieses oder jenes, hört man als freundliche Antwort: „In five minutes…“ und sieht die helfende Fee so manches Mal nie wieder..

12. Seien Sie Ihr eigener Anwalt
Sie leiden unter Unterleibsschmerzen, der Notarzt will Ihre Lunge röntgen? Sagen Sie nein. Haben Sie Herzrasen, nachdem der Schlaf nachts durch die rabiaten Schwestern jäh unterbrochen wurde? Lassen Sie keine Verlegung auf die Intensivstation samt Herzpillen-Verordnung zu.

Der Erfolg der Behandlung steht und fällt wie so häufig mit den Qualifikationen und Erfahrungen des Arztes. Lassen Sie sich so schnell wie möglich aus der Notaufnahme an einen Facharzt innerhalb des Krankenhauses überweisen. Ist der aufnehmende Allgemeinmediziner unsicher, so neigt er zu „Mit Kanonen auf Spatzen schießen.“

Sicherheitshalber wird im Hosptal de Muro sofort ein Tropf gelegt. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Sicherheitshalber wird im Hosptal de Muro sofort ein Tropf gelegt. (Foto Karsten-Thilo Raab)

In den meisten spanischen Kliniken können Sie sich kostenpflichtig ins W-LAN einloggen. Im Hospital de Muro kostet dies 5 Euro für 24 Stunden. Informieren Sie sich selber: Welche Symptome gibt es bei der diagnostizierten Krankheit, habe ich diese, welche Therapien sind üblich?

13. Gott Lob, wer eine gute Krankenversicherung hat
Gute Auslands-Krankenversicherungen setzen sich so schnell wie möglich mit ihren Kunden in Verbindung. Entweder über das Zimmer-Telefon oder, sofern hinterlegt, ihre Mobilnummer. Nach kurzer Zeit übergeben die Auslandskrankenversicherungen, wie z.B. die HUK, an den ärztlichen Notdienst in Deutschland. Eine telefonische Beratung ist meist sehr hilfreich – Obacht allerdings bei der Diagnose.

Den Ärzten des medizinischen Notdienstes bleibt nichts anderes übrig, als die Diagnose der spanischen Ärzte übersetzen zu lassen und zu übernehmen. Vertrauen Sie auch hier auf sich und Ihre eigenen Verstand sowie Ihre eigenen Erfahrungen mit ihrem Körper und eventuellen Vorerkrankungen.

14. Die Entlassung
Sollten Sie sich im Krankenhaus nicht gut aufgehoben fühlen und dieses auf eigene Verantwortung verlassen wollen, so bedenken Sie, dass Ihr Versicherungsschutz verfällt. Fragen Sie im Zweifelsfall nach einer Überweisung in eine größere Klinik, die über eine Fachabteilung für Ihre Erkrankung verfügt.

Sollten sie ganz offiziell entlassen worden sein, dann bleibt nur noch, Ihnen einen guten Heimflug und weiter gute Besserung zu wünschen. Denken Sie daran, die „ready for flight“-Bescheinigung des Krankenhauses mit in Ihr Handgepäck zu nehmen, um sie bei Zweifelsfällen am Check in Schalter vorlegen zu können.