Mit einer altmodischen Flüstertüte bewaffnet, stürmt Jodellehrer Thomas Reitsamer über die voll besetzte Sonnenterasse der Areit-Almhütte im österreichischen Zell am See. „Das ist mein Loudspeaker-System 2.0“, lacht der gut gelaunte Musiker und ruft noch einmal lautstark in den metallernen Kegel hinein: „Noch fünf Minuten, dann beginnt der Jodelkurs für jedermann!“
Seine Arbeitskleidung besteht aus Lederhose, Janker, Tiroler-Hut und cooler Sonnenbrille. Denn er ist ein Jodler der neuen Generation. „Meine Jodelkurse habe ich auch schon amerikanischen Schauspielern erteilt. Dann am Computer, über Skype!“, gesteht der 36-jährige selber über seinen eigenen Erfolg ein wenig überrascht zu sein.
Der Erfolg seiner Jodelschule kam ziemlich überraschend. „Pro Tag gebe ich momentan drei Jodelkurse. Für Privatleute in Hotels, im Auftrag von Hoteliers oder auf Firmenfeiern“, berichtet der Tausendsassa nicht ohne Stolz. Nebenbei mimt er noch James Bond in einer Bühnenshow und tritt als Musiker in verschiedenen Bands auf. Kein Wunder, dass der junge Mann in den Pinsgauer Bergen bekannt ist wie ein bunter Hund.
„Folklore liegt mir, ich bin Musiker – da war der Schritt zum Jodeln ganz natürlich“, erklärt der Autodidakt lachend, während er die Flüstertüte nochmals an den Mund führt und sich die Aufmerksamkeit der ganzen Sonnenterrasse sichert: „Noch eine Minute, dann geht’s los mit`m Jodeln!“
„Jodeln ist eine anatomische Sache, entweder man kanns oder man kanns nicht. Wer es nicht kann, der leidet unter einer anatomischen Fehlbildung“, tröstet Reitsamer schon im Vorfeld des Kurses diejenigen, die seinen Lektionen nur theoretisch und nicht stimmlich folgen können. Manch einer, so Reitasamer, entdeckt aber auch im fortgeschrittenen Alter sein Jodeltalent und bucht prompt im Anschluss an den Einführungskurs Privatunterricht.
So positiv gestimmt, spitzen alle Skifahrer, die sich um die Mittagszeit neben einer Pause auch eine gepflegte Mahlzeit auf der Alm gönnen, die Ohren, als sich Reitsamer als „Boss of the Jodel-School“ vorstellt.
„Jodeln existiert seit Urzeiten. Der berühmteste Jodler war Tarzan, der seine Jane durch diese phantastischen Urlaute eroberte.“ Wichtig sei der „Schnackler“, bei dem einem als Zuhörer das Herz gleich mitjuchzt. Wer den drauf hat, für den klappt es auch mit den Frauen, verrät der Jodellehrer Tricks aus der Flirtkiste.
Man startet mit relativ überschaubaren Jodelsilben „Hei-hi-how-üttiiii!“ und ein freiwilliges Paar erzeugt auf der improvisierten Bühne gleich ganz anständige Berg-Sounds im Duett.
Weil die Skifahrer das schon ganz passabel hinbekommen und die Skischuhe so einen guten Rhythmus auf dem Holzboden ergeben, geht Jodellehrer Reitasamer zur zweiten Lektion über, dem Lockruf. Es folgt, vorgeführt von Hans aus den Niederlanden mit dem Juchitzer der Höhepunkt der Lehrstunde in Sachen Jodeln.
Hans, durch einen frisch gebrochenen Arm leicht gehandicapt, jodelt auf Anhieb wie ein Naturtalent und hofft, so bei der Damenwelt den Eindruck zu schinden, der ihm auf den Skibrettern nicht mehr gelingen wird. „Mit dem gebrochenen Arm jodeln geht ganz gut, Skifahren ist leider für mich nach einem Sturz erstmal leider nicht mehr drin“, grinst der Verletzte gut gelaunt.
Dass das Jodeln stimmungsaufhellend wirkt und Geist und Körper gut tut, erlebt Reitsamer jeden Morgen. „Als Erstes gehe ich auf den Balkon und lasse einen Juchitzer los – und von irgendwo jodelt ein Bauer zurück. Das lässt die Glückshormone nur so sprudeln.“
Neben Juchitzer, Almschrei und Jodelgesang vom Feinsten wie dem Erzherzog-Johann-Jodler zählen auch Atemtechniken und ein kurzer Einblick in die Jodel-Geschichte zu dem kurzweiligen Kurs. Jodellehrer Thomas begleitet den Kurs mit dem Akkordeon und gemeinsam wird das Jodeln und Juchitzen geübt.
Zum krönenden Abschluss erhält jeder Teilnehmer neben einem Mitschnitt seiner Jodelkünste sein eigenes Jodeldiplom und einen Text zum Nachjodeln. Denn man weiß ja bereits von Loriot: „Das Jodeln mit Diplom unterscheidet sich von dem Jodeln ohne Diplom durch den Jodeldiplomabschluss.“
Weitere Informationen: Jodelschule Thomas Reitsamer, Telefon 0043-(0)676-6609701, stube@diejodelschule.at, www.diejodelschule.at
Preise: Der Jodelkurs beginnt bei 39 Euro pro Person – auf Wunsch auch in der freien Natur vor phantastischer Bergkulisse rund um Zell am See und Kaprun.
Allgemeine Informationen: Zell am See-Kaprun Tourismus, Brucker Bundesstraße 1a, A-5700 Zell am See, Österreich, Telefon 0043-6542-770, www.zellamsee-kaprun.com
Essen & Trinken: Areitalm, Schmittenhöhe; Kontakt: c/o Schmittenhöhebahn, Salzachtal Bundesstraße 7, A-5700 Zell am See, Telefon 0043-(0)6542-57177, info@areitalm.at, www.areitalm.at. Modern gestaltete Alm mit großer Speisenauswahl und einladender Sonnenterasse.
Ketting-Alm, Schmittenhöhe; Kontakt: Schernthaner KG, Dorfstraße 43, A-5721 Piesendorf, Telefon 0043-(0)676-6156460, www.kettingalm.at. Traditionelle Alm mit typischen Speiseangebot von Germknödel bis Schnitzel.
Zum Hirschen, Dreifaltigkeitsgasse 1, A-5700 Zell am See, Telefon 0043-(0)6542-7740, www.zum-hirschen.at. Gehobene österreichische Küche direkt in der Fußgängerzone.
Übernachten: Schmittenhof, Schmittenstraße 109, 5700 Zell am See, Österreich, Telefon 0043-(0)6542-70364, www.schmittenhof.at. Das Vier-Sterne-Hotel liegt nur fünf Gehminuten von der Talstation entfernt und bietet Doppelzimmer ab 65 Euro an.
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Mortimer
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