Organisierte Gästequälerei

Eine gute Kinderstube lehrt einem eigentlich, dass der Gast König sei. Dies impliziert auch, dass der Gastgeber sich um seinen Gast bemüht und nichts unversucht lässt, um zu dessen Wohlbefinden beizutragen. Schließlich möchte ja ein jeder, dass der Gast ihn in guter Erinnerung behält und nach Möglichkeit wieder kommt. Ein Selbstverständnis, das nicht alle teilen. Insbesondere die Fluggesellschaften scheinen den Begriff anders zu definieren. Denn der gemeine Fluggast wird häufig nicht gerade wie ein König behandelt. Das fängt schon damit an, dass sich der Gast die Gastfreundschaft an Bord eines Fliegers oft teuer erkaufen muss.

Wie sonst auch üblich, kann der Gast natürlich nicht kommen, wann er möchte, sondern man teilt ihm im Vorfeld mit, wann man ihn erwartet. Üblicherweise ein bis zwei Stunden vor dem Abflug. Was auch wieder allen Regeln der Gastgeberkunst widerspricht. Denn, wer lädt beispielsweise jemanden zum Abendessen ein, und lässt ihn dann ein, zwei Stunden vor der Tür warten. Bei Fluggesellschaften ist dies hingegen gängige Praxis. Die lassen die Gäste einfach nicht an Bord. Stattdessen müssen sie sich irgendwie die Wartezeit im Flughafengebäude vertreiben. Hier werden natürlich keine Erfrischungen gereicht.

Wer seine Zunge benetzen möchte, muss selber etwas mitbringen oder käuflich erwerben. Wenn dieses Beispiel im echten Leben Schule machen würde, müssten die Gäste in Nachbars Garten oder im Supermarkt um die Ecke warten, ehe man ihnen Einlass gewährt. Und als ob dies nicht genug wäre, setzen die Airlines noch einen drauf.

Während unsereins sich bemüht, den Gästen die besten und bequemsten Stühle anzubieten, zwingen die Fluggesellschaften ihre Gäste, in viel zu engen Reihen Platz zu nehmen. Für Leute, die nicht größer als ein Hamster mit Hut sind, mag dies noch halbwegs in Ordnung sein. Für große Gäste bedeutet dies, sich im Selbststudium eine gewisse Falttechnik beizubringen und sich wie Bibo zwischen Stuhlreihen und dicke Sitznachbarn zu quetschen. Dann werden den Gästen an Bord noch allerlei Vorschriften gemacht. So dürfen sie beispielsweise nicht rauchen, müssen sich anschnallen und dürfen nur aufstehen, wenn der Kapitän es erlaubt. Das Erstaunlichste aber ist, dass die meisten Gäste trotz der miesen Behandlung wieder kommen. Und sei es nur, weil sie wieder nach Hause wollen.

Buchtipp – weitere Kolumnen aus der Feder des Autors: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 €. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.