Museum Van Buuren – ein Gesamtkunstwerk

Art Deco vom Allerfeinsten in Van Buuren Museum. (Foto Michel de Bray)
Art Deco vom Allerfeinsten in Van Buuren Museum. (Foto Michel de Bray)

Man kann sich, wenn man etwas über den Art Déco-Stil erfahren will, mit Design-Büchern beschäftigen. Oder ins Kunstgewerbemuseum gehen. Man wird dort mehr oder weniger bedeutende Einzelstücke in Vitrinen betrachten können. Wenn man aber einen Eindruck davon gewinnen will, wie damals, auf allerhöchstem Niveau, wirklich mit diesen eleganten Objekten gelebt wurde, wie Kunst, Design und Architektur zu einem alle Bereiche des häuslichen Daseins durchdringenden Lebensstil verschmolzen – dann sollte man schnellstens das ehemalige Wohnhaus der Van Buurens in der belgischen Hauptstadt Brüssel besuchen. Hier ist noch alles an Ort und Stelle, genauso wie damals, in den Goldenen – und überaus schicken – Zwanzigern.

Hinter der schlichten Fassade  schlummert so mancher ungeahnter Schatz. (Foto: M. de Bray)
Hinter der schlichten Fassade schlummert so mancher ungeahnter Schatz. (Foto: Michel de Bray)

Auf der Avenue Errera im Stadtteil Uccle zeigt sich Brüssel von seiner vornehmen Seite. Das Haus mit der Nummer 41 jedoch, dessen Eingang einige Meter von der Strasse zurückgesetzt ist, nimmt man nicht unbedingt auf den ersten Blick wahr. Im Gegenteil. Nichts deutet darauf hin, dass sich hinter der schlichten Backsteinsfassade eben kein gewöhnliches Vorort-Idyll befindet, sondern ein atemberaubendes Kunststück. Ein Gesamtkunstwerk, das sich zusammensetzt aus einer luziden Innenarchitektur, einigen hundert Gemälden – und den erlesensten Einrichtungsstücken, vom Silberbesteck bis zur Sessel-Gruppe, die größtenteils in den besten (und teuersten) Ateliers ihrer Zeit auf Maß gefertigt wurden, speziell für dieses Haus, oftmals auf Entwurf seines Besitzers. Hinter der betont unauffälligen Fassade verbirgt sich ein ebenso einmaliges wie spektakuläres Ensemble aus der Glanzzeit des Art Déco – der reinste Luxus. Schon das bescheidene, bewusst zurückgenommene Äußere des Hauses verrät den guten Geschmack seiner einstigen Bewohner.

Ein Meisterwerk: Der Treppenaufgang des Van Buuren Museum.
Ein Meisterwerk: Der Treppenaufgang des Van Buuren Museum. (Foto Michel de Bray)

Der Bankier David Van Buuren und seine Ehefrau Alice ließen dieses Haus in der zweiten Hälfte der Zwanziger Jahre bauen und ausstatten. Beide haben hier bis zu ihrem Lebensende gewohnt, aber trotz einiger späterer Erweiterungen, die vor allem den ausgedehnten und sehr sehenswerten Gartenbereich betreffen, hat sich hier der Geist, der Stil seiner Entstehungszeit so gut wie unverändert erhalten. Bestens gepflegt, seit dem Tod Alice Van Buurens in ein Museum verwandelt, das ohne Vitrinen und Absperrgitter auskommt, scheint die Zeit hier stehen geblieben zu sein.

Fast möchte man glauben, es wäre immer noch, wie seit 1928, ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens von Brüssel, wo Literaten, Politiker und Künstler wie René Magritte und Raoul Dufy verkehrten, wo Christian Dior seine neuesten Kreationen von Mannequins vorführen ließ und im Garten später einmal sogar Elvis Presley seine Songs zum Besten gab. In ihrem Salon empfingen die Van Buurens die große und weite Welt, selbst die belgische Königin Elisabeth war hier häufig zu Gast. Sie besaßen ziemlich viel Geld, mindestens ebensoviel Geschmack – und ein Haus, das schon damals als ein ganz besonderes Kunststück bewundert wurde. Für uns aber stellt es heute eine veritable Sensation dar. Wo sonst schon böte sich die Gelegenheit, von Gastgebern empfangen zu werden, die zur High Society der Roaring Twenties gehörten, in einem ganz und gar authentischen, stilechten Art Déco-Interieur?

Bezaubernd angelegt: Der Garten des Museums Van Buuren. (Foto: M. Vanhulst)
Bezaubernd angelegt: Der Garten des Museums Van Buuren. (Foto: M. Vanhulst)

David Van Buuren, ein Mann vieler Welten, war Jude, stammte aus den protestantischen Niederlanden und verbrachte sein Leben überwiegend in Brüssel. Er arbeitete für eine Privatbank, betätigte sich aber zugleich mit Leidenschaft und einigem Können als (Hobby)Maler; sein Atelier ist im Haus übrigens noch zu sehen, mitsamt einer Auswahl seiner Arbeiten. Er liebte moderne Kunst und Design, hat aber auch mit gutem Instinkt Altmeistergemälde aus dem 15. und 16. Jahrhundert gekauft, die sich überdies perfekt in das Art Déco-Ambiente seines Hauses fügen. Mit einigen der Künstler, die zur Ausstattung seines Hauses beitrugen, darunter Gustave van de Woestyne und Gustave de Smet, verband ihn sogar eine engere Freundschaft. Auch deswegen dürfte wohl – genau darin liegt das Geheimnis der ganz speziellen Eleganz dieses Hauses – die stilistische und farbliche Abstimmung zwischen der Einrichtung der Räume und ihrer Ausstattung mit Gemälden und Skulpturen so ungemein eng und gelungen sein.

Ohnehin sind es nicht allein die hier versammelten Kunstwerke, die Gemälde von Kees van Dongen oder Constant Permeke, die höchste Qualität besitzen – das gleiche trifft auch auf die Möbel, die Teppiche, die Wandvertäfelungen, die Lampen und all die anderen Objekte zu, die eigens entworfen und in Handarbeit aus den kostbarsten Materialien hergestellt wurden, um das Leben in diesem Haus zu einem ästhetischen Erlebnis zu machen. Man hat hier nur eines vergessen, stellt der überwältigte Besucher fest, der am liebsten gar nicht mehr weggehen möchte: Ein Gästezimmer.

Informationen: David und Alice van Buuren Museum, Avenue Errera 41, B-1000 Brüssel, Telefon 0032 (0)2 343 48 51, www.museumvanbuuren.com


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