Luftige Geschmacksverwirrung – die unbändige Lust auf Tomatensaft über den Wolken

Über den Wolken überaus begehrt: Tomatensaft. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Über den Wolken überaus begehrt: Tomatensaft. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten – allenfalls wundern. Wobei sich viele auch über sich selber wundern dürften, wenn ihre Geschmacksknospen in der Höhenluft wieder einmal völlig verwirrt sind. Wie von Geisterhand gesteuert, erwischen sich die Flugpassagiere selber dabei, wie sie, warum auch immer, bei der netten Flugbegleiterin einen Tomatensaft bestellen, um die Lippen mit dem roten Extrakt der ausgequetschten Nachtschattengewächse ein wenig zu benetzen.

Am Boden und im echten Leben käme wohl kaum jemand auf die Idee, den roten Gemüsesaft in einer Kneipe zu ordern oder gar in sich hineinzuschütten. Fakt ist, rund drei Prozent der weltweiten Tomatensaftproduktion wird über den Wolken genossen. Im Jahre 2008 soll die Lufthansa in ihren Maschinen sogar erstmals mehr Tomatensaft als Bier ausgeschenkt haben. Demnach sollen 1,7 Millionen Liter Tomatensaft bei der Kranich-Airline im Ausschank gewesen sein, während es im gleichen Zeitraum „nur“ 1,65 Millionen Liter Gerstensaft waren.

Thekenbrust-CoverEine Erklärung für dieses Phänomen gibt es nicht. Vermutet wird, dass der Flugkabinen herrschende Unterdruck hier den entscheidenden Einfluss hat. Der Kabinendruck führt uns also an der Nase und den Geschmacksknospen herum. Schnell noch ein bisschen Pfeffer und eine Prise Salz, vielleicht noch ein paar Gewürze untergerührt und schon rinnt die dickflüssig Plörre den Rachen hinunter. Statt von einem kulinarischen Höhenflug müsste hier wohl eher von Höhenwahn gesprochen werden.

Vielleicht ist das Ganze aber auch nur bewusstes Kalkül der Airlines. Denn angeblich zügeln die im Tomatensaft enthaltenen Bitterstoffe den Appetit der Fluggäste, so dass es diesen relativ egal ist, welche nur dürftig genießbaren Speisen mitunter an Bord serviert werden. Dank des Tomatensaftgenusses haben die Fluggäste diesbezüglich scheinbar Tomaten auf den Augen. Letzteres kann aber auch vorkommen, wenn der Sitznachbar aufgrund von plötzlich auftretenden Turbulenzen seinen Tomatensaft verschüttet. Aber dies ist ein ganz anderes Thema.

Buchtipps: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Karsten-Thilo Raab: San Diego Waldfried,  (ISBN: 978-84-9015-620-9). Erhältlich  im Buchhandel oder direkt beim Verlag für 20,90 Euro.