Łódź (Lodsch), Polens drittgrößte Metropole, ist geprägt durch riesige Backstein-Fabriken und Fabrikantenpaläste aus dem 19. Jahrhundert. Doch die Anfänge der Stadt liegen im Mittelalter. Im Jahr 2023 feiert Łódź nicht ohne Stolz den 600. Jahrestag der Verleihung seiner Stadtrechte. Zentrale Feiern finden vom 28. bis 30. Juli 2023 statt.
Der Literaturnobelpreisträger Władysław Reymont setzte der multiethnischen und -religiösen Textilmetropole des späten 19. Jahrhunderts in seinem Roman „Das gelobte Land“ (Ziemia Obiecana) ein sozialkritisches Denkmal. Die legendäre Verfilmung durch Andrzej Wajda war 1974 zum besten nicht-englischsprachigen Film für den Oscar nominiert. Bis heute zeugen riesige Fabrikanlagen und luxuriöse Fabrikantenpaläste von dieser Glanzzeit, die der Stadt den Beinamen „Manchester des Ostens“ einbrachte.
1332 urkundlich erwähnt
Erstmals erwähnt wurde das Dorf Lodzia 1332 in einer Urkunde von Władysław Garbaty, des Fürsten von Łęczyca. Die Verleihung der Stadtrechte 1423 änderte nicht viel am Alltag der Einwohner. Die lebten über Jahrhunderte als Untertanen des Bischofs von Włocławek von Landwirtschaft, Handwerk und dem hiesigen Markt. Das änderte sich erst im Jahr 1820. Der industrielle Aufstieg begann damals per Dekret, als die nur rund 250 Einwohner zählende Ackerbürgerstadt zum Standort für die Textilproduktion im russischen Teilungsgebiet von Polen bestimmt wurde.
Kurze Zeit später entstanden die ersten Baumwollspinnereien und -webereien. Sie versprachen den Besitzern einen sagenhaften Reichtum. Arbeiter aus Schlesien, Sachsen, Großpolen und Böhmen strömten in die Stadt. Innerhalb von vierzig Jahren wuchs die Einwohnerzahl auf 40.000 an, um gegen 1900 bereits rund 300.000 und gegen Anfang des Ersten Weltkriegs eine halbe Million zu zählen.
Zentrum für Film- und Bühnenkunst
Im Zuge der Industrialisierung zog die Altstadt vor allem arme jüdische Bevölkerung an. Die Viertel rund um den Alten Markt wurden im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern zum Getto erklärt. Nach der Ermordung der jüdischen Bevölkerung wurden große Teile der Wohnbebauung abgerissen. Der Altstadtmarkt bekam in den 1950er-Jahren ein sozrealistisches Aussehen und wird derzeit revitalisiert. Nach 1945 entwickelte sich Łódź zu Polens wichtigstem Zentrum für Film- und Bühnenkunst. Weltbekannte Künstler wie Roman Polański, Andrzej Wajda oder Krzysztof Kieślowski studierten an der Staatlichen Hochschule und schufen in Łódź ihre ersten bedeutenden Filmwerke.
Mit den politischen Veränderungen 1989 kam die Krise. Die Textilindustrie verlor ihre wichtigsten Märkte, viele Betriebe mussten schließen, die Bevölkerungszahl ging zurück. Heute hat die 700.000-Einwohner-Metropole die Unsicherheiten der Nachwendejahre überstanden und ihren Weg ins 21. Jahrhundert gefunden. Überall werden die alten Fabrikgelände restauriert und zu modernen Wohn-, Kultur- und Gewerbevierteln aufgewertet. Am bekanntesten ist das Kunst-, Freizeit- und Einkaufszentrum Manufaktura das sich vor rund 15 Jahren auf dem Gelände der einstigen Baumwollfabrik von Izrael Poznański entwickelte.
Stadtviertel im Wandel
Derzeit wird Księży Młyn (Pfaffendorf) mit seinen Fabriken und Arbeitersiedlungen in ein neues Stadtviertel im historischem Flair umgewandelt. Entlang der Straße ul. Piotrkowska, Polens längster Flaniermeile, wechseln sich alteingesessene Geschäfte mit Hipsterläden und Edelboutiquen ab. In den Lofts alter Fabriketagen hat die aufstrebende Mode- und Kunstdesignszene genug Platz, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Mode aus Łódź hat längst den Weg auf internationale Laufstege gefunden.
Auf ihre vielfältige Geschichte sind die Einwohner von Łódź stolz und so prägt das Spannungsfeld von Vergangenheit und Gegenwart auch das Festjahr. Das zeigt sich schon in der Wahl der Paten für das Jubiläum. In einer öffentlichen Abstimmung sprachen sich mehr als 50 Prozent der Einwohner dafür aus, dass die „Lodscher Weberinnen“ diese Ehrung besonders verdient hätten. Verschiedene Veranstaltungen und Aktionen werden sich mit der Rolle auseinandersetzen, die insbesondere die Arbeiterinnen für den Erfolg der Textilindustrie spielten. Der Stadtrat bestimmte zudem die 2011 verstorbene Dichterin Chava Rosenfarb, eine Überlebende der Shoah, sowie den 1973 verstorbenen Komponisten Paweł Klecki zu weiteren Paten.
Juli als Feiermonat
Die zentralen Feierlichkeiten werden vom 28. bis 30. Juli stattfinden. Das genaue Programm wird derzeit noch ausgearbeitet, mit dem britischen Songwriter Tom Odell hat aber bereits der erste Musiker von Weltrang seine Teilnahme angekündigt. Die Museen der Stadt bereiten verschiedene Sonderausstellungen und Veranstaltungen anlässlich des 600-jährigen Geburtstages vor. So lädt das Städtische Museum im frisch restaurierten Poznański-Palast einmal im Monat zu einem Wochenende mit Sonderführungen zum halben Preis ein. Zudem wird die ständige Ausstellung anlässlich des Jubiläums neugestaltet. Darüber hinaus können Besucher im Rahmen von Konzertveranstaltungen die Werke Kleckis kennenlernen.
Auch das Zentrale Textilmuseum in der „Weißen Fabrik“ von Ludwig Geyer wartet mit verschiedenen Extraangeboten auf. So startete die renommierte Einrichtung am Südende der Piotrkowska-Straße die digitale zweisprachige Ausstellung „600 Jahre Łódź“. Mehr als 100 aufwendig digitalisierte Exponate illustrieren die industrielle Geschichte der Stadt und ihrer Einwohner. Die Bandbreite reicht von Alltagsgegenständen und Kleidung über Industrie- und Werbegrafiken bis hin zu historischen Dokumenten und Fotografien. Weitere Informationen unter www.lodz.travel.
Mortimer
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