Kyushu zwischen Onsen und Riesenkrater

Kyushu
Mit dem Nostalgiezug ASO 1962 lässt sich die Vulkanlandschaft in Kyushu erkunden. – Foto Karsten-Thilo Raab

Die hoch aufschießenden Berge gemahnen ein bisschen an das Voralpenland, wäre da nicht die merkwürdige Form der Schluchten und Tal-Einschnitte. Bäume sind mit Ausnahme vereinzelter Zedern-Schonungen überaus rar gesät. Dafür sind die von Lava geformten Hügel und Hänge mit mannshohen Gräsern bewachsen. Dazwischen fallen immer wieder Terrassen mit Reisfeldern ins Auge. Was wie eine riesige Gebirgskette anmutet, ist tatsächlich der mit 128 Kilometern Umfang größte Vulkankrater der Welt. Der Mount Aso im gleichnamigen Nationalpark gehört fraglos zu den faszinierendsten Naturschauspielen auf Kyushu, der südlichsten der vier japanischen Hauptinseln.

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Überaus beliebt ist die Zugfahrt von Kumamoto nach Aso. – Foto Karsten-Thilo Raab

Schon bei der knapp zweistündigen Anreise mit dem Nostalgiezug ASO 1962 von Kumamoto nach Aso lassen sich die gewaltigen Ausmaße des Kraters erahnen. Im Schneckentempo quält sich das Schienenross die steilen Berge hinauf, wechselt dabei immer wieder in Spitzkehren die Fahrtrichtung. Und mit jeder Wende fällt ein weiteres Stück des feuerspeienden Berges ins Auge. Der Mount Aso umfasst fünf Gipfel, Aso-gogaku genannt, und viele kleinere Gipfel, die somma, die zusammen von der Kontur her an einen liegenden Buddha erinnern.

Vulkan Nakadake weiterhin aktiv

Im Anflug mit dem Hubschrauber auf den Aso-Krater. – Foo Karsten-Thilo Raab

Während die Vulkane Takadake (1592 Meter hoch), Nekodake (1433 Meter), Kishimadake (1362 Meter) sowie Eboshidake (1337 Meter) längst erloschen sind, brodelt der Nakadake (1506 Meter) weiter vor sich hin. Weithin sichtbar sind seine weißlichen oder gelblichen Rauchsäulen mit ihrem hohen Schwefelgehalt. Wenn der Vulkan – wie zuletzt im Jahre 1990 – ausbricht, bedeckt er weite Teile Kyushus mit Asche. In der Regel legt der Nakadake aber ein weitaus freundlicheres Gesicht an den Tag, erlaubt Besuchern bis auf wenige Meter an den Kraterrand heranzutreten. Zu diesem Zweck wurde bereits 1958 die weltweit erste Seilbahn eröffnet, die zu einem aktiven Vulkan hinaufführt. Um gegen eventuelle Launen des speienden Berges gewappnet zu sein, befinden sich am Kraterrand Betonbunker, die den Besuchern im Falle eines plötzlichen Ausbruchs Schutz bieten.

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Das Brodeln des Nakadake Vulkans aus der Vogelperspektive. – Foto Karsten-Thilo Raab

Wer sich das Naturschauspiel lieber aus sicherer Entfernung anschauen möchte, muss jedoch nicht auf den Blick in den Krater verzichten. Wer mag, kann den Nakadake alternativ mit einem Hubschrauber überfliegen. Alternativ bietet das nahegelegene Aso Volcano Museum auf großen Bildschirmen Live-Bilder aus dem Kraterinneren an. Daneben kann hier alles Wissenswerte rund um Vulkane erfahren werden.

Entspannung pur im Onsen

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Am Eingang zum Shinmeikan Onsen stehen Holzschlappen für die Badegäste bereit. – Foto Karsten-Thilo Raab

Auf ganz andere Art und Weise sorgt der Mount Aso in umliegenden Kurorten wie Kurokawa für Entspannung und wohlige Wärme. Insgesamt 24 öffentliche Bäder, Sentō genannt, werden mit Wasser aus einer heißen Quelle, dem Onsen, gespeist. Zahlreiche heiße Quellen finden sich auch in Yufuin am Fuße des 1.584 Meter hohen Berges Yufu (auch Bungo Fuji genannt). In der 11.500-Seelen-Gemeinde ist die Badekultur derart ausgeprägt, dass selbst in der Wartehalle des von Stararchitekt Arata Isozaki entworfenen Bahnhofs für 160 Yen ein Fußbad in einem Onsen genommen werden kann.

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Teil der Badetradition ist das Übergießen mit dem wohlig warmen Wasser. – Foto Karsten-Thilo Raab

Treibende Kraft für die Entwicklung von Yufuin zu einem der beliebtesten Kurorte in Japan war Mizoguchi Kumpei. Der hoch betagte Hotelier, der das mondäne Tamanoyu Hotel betrieb und vor Jahren seine Geschäfte an seine Tochter übertragen hatte, reiste Anfang der 1970er Jahre für 50 Tage nach Deutschland, um sich vor Ort über Konzepte für Kurorte zu informieren. Besonders fasziniert zeigte er sich von Baden-Baden, Wiesbaden und Badenweiler. „Die Geräumigkeit der Einrichtungen, die Naturverbundenheit und die Anordnung der Straßen hat mich sofort begeistert“, räumte Kumpei ein, viele Ideen aus Deutschland mitgebracht und kopiert zu haben. Dank der Initiative von Kumpei wandelte sich Yufuin von einer verschlafenen Kleinstadt zu einem touristischen Kleinod mit mehr als 3,8 Millionen Besuchern jährlich.

Japanische Handwerkskunst in Mingeimura

Einen besonderen Hingucker bilden Laternen und Schilder in Kurokawa. – Foto Karsten-Thilo Raab

Zu den beliebtesten Einrichtungen gehört neben den Onsen ein kleines Freilichtmuseum. Im Mingeimura wird traditionelle japanische Handwerkskunst von der Herstellung von Kinderkreiseln (auch in Reiskorngröße) über Glasbläserei, Papierschöpfen bis hin zu Tuchfärberei präsentiert. Auch bei der Herstellung von  Miso, einer Paste, die hauptsächlich aus Sojabohnen mit Reis, Gerste oder anderem Getreide besteht, lassen sich die Museumsmitarbeiter bereitwillig über die Schultern schauen.

In Yufuin findet Traditionelles neben Modernem Platz. – Foto Karsten-Thilo Raab

Daneben sorgen in Yufuin Film- und Musikfestspiele, aber auch ein ungewöhnlichen Wettbewerb für Kurzweil: Beim Ushikui-Zekkyo-Taikai, was frei übersetzt so viel heißt wie „Rindfleisch essen und laut brüllen“, lassen die Milchbauern der Region gewaltige Urschreie erklingen. Bewertet werden die Phonzahl und die Länge des Schreies. Zugleich sollen mit diesem Ritual Götter gelinde gestimmt werden, um sicher stellen, dass jederzeit saftiges Gras in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht.

Die Menschen in Kyushu sind überaus freundlich und aufgeschlossen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Um nichts dem Zufall zu überlassen, schlachten die Bauern daher im Rahmen des Wettbewerbs auch gleich ein paar Rinder. Damit tragen sie dazu bei, dass für die übrigen Paarhufer mehr Gras da ist. Schließlich sind die Wiederkäuer neben den Touristen die wichtigste Einnahmequelle in Yufuin. Ihr Steakfleisch gilt als besonders exzellent. Kein Wunder, denn die Bauern lassen den Rindern eine ganz spezielle Pflege angedeihen. Damit das Fleisch möglichst saftig ist, sollen sich die Kühe möglichst wenig bewegen. Dafür werden ihnen regelmäßig die Fesseln massiert und dem Futter wird Bier beigemischt, was dem Fleisch eine spezielle Note verleiht. Weitere Informationen unter www.jnto.de.