Korsika, Frankreichs schroffe Schöne, ist landschaftlich äußerst vielfältig. Ein Kontinent im Kompaktformat. Urlauber müssen reichlich Gepäck mitnehmen – Wanderstiefel für die Berge, Badesachen für den Strand.
„Man riecht die Insel bereits, bevor man überhaupt ihre Küste sieht“, soll Korsikas berühmtester Sohn gesagt haben, Napoleon Bonaparte. Zumindest der Legende nach. Anna und ich stehen vor dem Geburtshaus des kleinen Mannes mit der großen Wirkung – in der rue Saint-Charles von Ajaccio, wo der spätere Kaiser am 15. August 1769 das Licht der Welt erblickte. Heute dient die Maison Bonaparte als Museum. Und ist natürlich ein Pflichttermin für jeden kulturinteressierten Korsika-Besucher.
Danach bummeln wir durch Ajaccios Altstadtgassen, werfen von der Jetée de la Citadelle aus einen Blick über den Hafen. Und kommen in einem Café mit Stefan ins Gespräch, einem sonnengebräunten Mittfünfziger aus Bremen – der Korsika schon vor Jahrzehnten zu seiner Wahlheimat machte. Wie das? „Ganz einfach“, meint Stefan.
„Es war Liebe auf den ersten Blick. Damals, während des Studiums, kam ich per Anhalter nach Südfrankreich. Ich nahm die Fähre rüber auf die Insel, sah am Horizont diese Bergriesen aus dem Meer in den Himmel ragen und dachte: Wow, das ist es! Hier möchtest du leben.“ Ein Jahr später begegnete Stefan auf Korsika Michelle. Und wieder war es Liebe auf den ersten Blick …
„Seitdem habe ich Korsika nur noch einmal verlassen – um meine restlichen Sachen zu holen“, sagt Stefan. „Ich muss auch nicht woanders hin in den Urlaub fahren. Hier habe ich doch alles quasi gleich vor der Haustür – gebündelt auf einer Fläche von rund 8.700 Quadratkilometern. Auf den schneebedeckten Hängen des Renoso komme ich mir vor wie in der Schweiz. Die Felsenbuchten von Scandola oder der Golf von Porto haben etwas von der vietnamesischen Halong Bay. Und über dem türkisfarbenen Wasser von Santa Giulia weht in meinen Augen ein Hauch von Tahiti …“
Auf unserer Autofahrt zur Südspitze Korsikas, nach Bonifacio, fangen Anna und ich an, Stefans Begeisterung zu verstehen. Mit jedem gefahrenen Kilometer mehr. Rechts der Straße wechseln sich schroffe Felsbuchten mit verträumten Sandstränden ab. Linker Hand steigen Granit- und Schiefermassive in die Höhe. Es ist diese landschaftliche Vielfalt, die Korsika so reizvoll macht.
„Quasi hinter jeder Ecke überrascht dich die Insel mit einem völlig neuen Panorama.“ Einmal mehr spricht Anna genau das aus, was ich gerade denke. Und das mit den „Ecken“ kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn auf der Küstenstraße fahren wir selten eine längere Strecke geradeaus. Ja, auf 183 Kilometern Länge und 83 Kilometern Breite entfaltet sich hier ganzer Kontinent im Kompaktformat. Korsika ist zweifellos die gebirgigste, grünste und vielseitigste Insel im Mittelmeer.
Am Abend erreichen wir Bonifacio, die südlichste Stadt der Insel. In ihrem fjordähnlichen Naturhafen soll einst Odysseus angelegt haben. Wir schlendern durch die Altstadt, die auf einem etwa 70 Meter hohen Kreidefelsen thront, und genießen bei einem leichten Muscat du Cap Corse die wunderbare Aussicht auf die Bouches de Bonifacio – jene Meerenge, die Korsika und Sardinien trennt.
Zu unseren Füßen: der Grain de Sel, ein Felsen, der sprichwörtlich Wind und Wellen trotzt. Die Häuser hier scheinen direkt über dem Meer zu schweben, denn das Wasser hat sich an dieser Stelle tief in die Sandsteinfelsen hinein gefressen. Bonifacio war schon immer reich – früher durch die Piraterie, heute durch den Tourismus.
Es gibt zahlreiche gute Gründe für einen Urlaub auf Korsika. Einer davon ist die korsische Küche – kräftig und deftig. Selbst bei den kulinarisch durchweg anspruchsvollen Franzosen gilt die Insel als Schlemmerparadies.
Ursprünglich war die korsische Küche eine Küche für Arme – mit Gemüse und Kräutern aus dem eigenen Garten und Kleinviehhaltung. Heute gewinnt man aus dieser Tradition die leckersten Spezialitäten: Allein schon die korsischen Wurstwaren genießen einen legendären Ruf. Denn die Schweine wachsen meist noch immer in freier Natur auf und ernähren sich von Kastanien. So entstehen würzige Spezialitäten, wie Figatellu (Leberwurst), Lonzu (Schweinefilet), Salamu (Wurst) oder Prizutto (roher Schinken).
Und der korsische Käse! Sorten aus Schafs- oder Ziegenmilch gibt es fast so viele, wie es Dörfer gibt. Asterix-Fans wissen: Korsischer Ziegenkäse kann ganze Schiffe zum Explodieren bringen. Dezenter ist der Frischkäse Brocciu – sprich: brutsch –, der z.B. als Füllung in Cannelloni zu finden ist, in Omelettes oder gezuckert auch als Dessert.
Eines wird der Reisende allerdings schnell feststellen: Die Korsen lassen sich ihre kulinarischen Genüsse einiges kosten. Und das fängt bereits bei der kleinen Erfrischung zwischendurch an. Der Insel-Tarif für eine Kugel Eis liegt im in diesen Tagen flächendeckend bei 2,50 Euro!
Die zweite große Attraktion: Korsika ist bekannt als Gebirge im Meer. Daher sind die meisten Insel-Besucher sportlich engagiert, haben Wanderstiefel im Reisegepäck. Denn mehr als 120 Gipfel überragen die 2.000-Meter-Marke. Und über alle wacht das mächtige Haupt des Monte Cinto mit seinen 2.710 Metern Höhe.
Neben dem GR 20, dem Wanderweg-Klassiker durch das Inselzentrum, zwischen Calenzana und Bonze, stehen diverse Querverbindungen in Ost-West-Richtung zur Wahl – beispielsweise Mare a mare Nord, Centre und Sud.
Da wechseln bizarre Felsnadeln und Seen mit weiten Plateaus. Wasserläufe haben Schluchten, wie etwa die Restonica, hunderte von Metern tief in die Landschaft gegraben. Überall rauschen mächtige Wasserfälle zu Tal.
Bis weit in das Frühjahr kontrastieren weiße Firnfelder mit dem fast unwirklichen Azur des Himmels. Und immer wieder bieten sich weite Panoramen bis hin zum Meer. Sie erinnern daran, dass sich auf Korsika Bergwandern und Badespaß wunderbar miteinander kombinieren lassen.
Korsikas über 1.000 Kilometer lange Küste besteht zu einem Drittel aus Sandstränden. Der Rest: kleine Felsbuchten und imposante Steilküsten. Als schönster Strand der Insel wird vielfach Palombaggia, südlich des Golfs von Porto Vecchio gelegen, bezeichnet. Anna und ich hingegen haben den Golf von Santa Giulia zu unserem persönlichen Favoriten erklärt. Aber das ist letzendlich ja Geschmackssache.
Und was hatte ich im Prospekt der Agence de Tourisme gelesen? Die Korsen nennen ihre Heimat liebevoll „kalliste“. Was aus dem Griechischen entlehnt ist und „Die Schöne“ bedeutet. Nun ist es mit Werbeslogans ja oft so eine Sache. Vor Ort weicht die Euphorie dann häufig einem „Naja“. Bezeichnet man aber Korsika als „Île de Beauté“, Insel der Schönheit, ist das eher eine Untertreibung.
Weitere Informationen: www.korsika.com, www.korsika.fr.
Beste Reisezeit: Von Juni bis September lädt die Insel mit rund 230 Sonnentagen und warmen Wassertemperaturen zum Baden ein, Sportler reisen am besten im Frühling oder Herbst auf die Insel.
Klima: Typisches Mittelmeerklima mit milden Wintern und heißen Sommern: im Juli und August sind 35 °C keine Seltenheit.
Essen und Trinken: Die korsische Küche war ursprünglich eine Arme-Leute-Küche. Heute geben italienische, spanische, provenzalische und arabische Einflüsse mit den Ton an. Typische Gerichte sind
z.B. Bastelle, deftig gewürzte Teigtaschen (z.B. mit Kürbisfüllung) und Zuppa Corsa (Gemüsesuppe). Eine große Rolle spielen Kastanien (als Mehl für Brot und Kuchen oder als Beilage) und wild wachsende Gewürze wie Thymian, Myrte und Rosmarin.
Restaurants: Ajaccio: Restaurant „Le 20123“ (www.20123.fr), 2 rue du Roi-de-Rome: Es werden 5-Gang-Menüs für rund 35 Euro in schnuckeliger Atmosphäre serviert.
Centuri: Das Restaurant „Le Langoustier“ liegt direkt an der Hafeneinfahrt am Cap Corse mit Blick auf das Hafentreiben. Gegessen wird, was aktuell gefischt wurde.
Sehenswert: Hauptstadt Ajaccio; Hafenstadt Bastia am Fuß des Pigno-Massivs; Wallfahrtskapelle Notre Dame de la Serra; Ausgrabungen von Filitosa bei Propriano. Die insgesamt 1.047 km lange Küstenlinie weist unzählige wunderschöne Buchten und Strände auf, z.B. an der Nordküste von Calvi bis St. Florent und rund ums Cap Corse. Der stimmungsvolle Strand Roccapina an der Südwestküste liegt inmitten einer wilden Naturlandschaft.
Unbedingt machen: Eine Radtour zu den Balagnedörfern einplanen. Eine Wanderung zum Gipfel des Monte Renoso machen. Einen der Hochseilgärten besuchen, z.B. in Calvi (hinter dem Sandstrand direkt in einem Pinienwald gelegen), sich im Aqua Gliss Wasserpark (Erlebnisschwimmbad mit
8 Riesenrutschen) von Porticcio austoben.
Unbedingt vermeiden: Ohne Sonnenschutz wandern gehen – auch bei bewölktem Himmel. Billig-Souvenirs aus Taiwan kaufen.
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Mortimer
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