Hoher Atlas: Marokkos wilde Seite

Hoher Atlas
Marokkos schwindelerregende Straßen im Hohen Atlas. – Foto: Susanne Timmann

Mit einem lauten, energischen Pfiff treibt der 55-jährige Hirte Nabil seine über die Weiten des Hohen Atlas im Zentrum von Marokko verstreute Schafherde wieder zusammen. Die weißen und schwarzgefleckten Wolllieferanten machen nicht den Eindruck, als wenn sie schon weitergehen wollten. Zu wenige Gräser hat der karge, steinige Boden für die blökende Gemeinschaft hergegeben. Doch Nabil bleibt unerschütterlich bei seinem Vorhaben, weiter zu ziehen. Die Wolken und ersten Regentropfen verheißen nichts Gutes. Da ist es sicherer, den Abstieg zu beginnen und die Wolltiere zurück ins beschaulich kleine Dorf zum Stall zu treiben.

Abenteuer für geübte Autofahrer

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Tierische Begegnungen sind garantiert. – Foto: Susanne Timmann

Marokko, eines der nördlichsten Länder Afrikas, ist berühmt für seine Städte wie Casablanca, Marrakesch, Agadir, Fès und Rabat. Und so überrascht es umso mehr, wie beeindruckend die weitläufige und oft raue Region des Atlas-Gebirges ist. Wer ein geübter Autofahrer ist, kann es durchaus wagen, die Gegend auf eigene Faust zu erkunden. Wurde das oft unüberschaubare Getümmel von Marrakesch verlassen, wird der Straßenverkehr deutlich weniger. Die Anzahl der Autos sinkt, die der mit einer Pferdestärke angetriebenen Gefährte steigt.

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Noch gibt es viele Gefährte mit nur einer Pferdestärke. – Foto: Susanne Timmann

Überraschende Einblicke in das einheimische Leben

Wie eine überdimensionierte Schlange windet sich die schmale Straße durch grüne Täler mit kleinen Dörfchen, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Dann wieder stellt sich ein Berg in den Weg, den es mit dem vierrädrigen Gefährt zu erklimmen gilt. Trotz der Einöde auf den ersten Blick gestaltet sich die abwechslungsreiche Landschaft überraschend spektakulär. Eine wahre Farbenpracht zeigt das Gebirge. Helle Gesteine finden sich eher selten. Dafür brilliert der Hohe Atlas mit hellbraunem bis nahe zu schwarzem Gestein. Unwirklich wirken dagegen die grünen, landwirtschaftlich genutzten Flächen in den Tälern.

Land der Gegensätze. – Foto: Susanne Timmann

Jede Kurve eröffnet neue, bezaubernde Blicke in die Vergangenheit des Gebirges und in die oft noch ärmliche Gegenwart, in der die einfachen Bauern ihrem Tagwerk nachgehen. Für ein freundliches Lächeln bleibt aber meist Zeit. So grinst Nabil in seiner traditionellen dunkelblauen Jalabiya, dem Kaftan, den in Marokko noch viele Einheimische tragen, zufrieden. Dieser schützt ihn im Sommer vor der glühenden Hitze und hält im kalten Winter warm. Sein Blick ist in Richtung des regnerischen Himmels gelenkt und scheint dann die noch immer hungrigen Schafe zu zählen.

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Das Leben in den Dörfern ist sehr einfach und oft entbehrungsreich. – Foto: Susanne Timmann

Die Bergwelt bleibt beeindruckend

Während sich Nabil mit seiner wilden Schafhorde talabwärts begibt, führt die Straße weiter und noch tiefer in die Abgelegenheit des Hohen Atlas. Die beeindruckenden, steilen Felswände erfordern auch mal Schwindelfreiheit. In der Hoffnung, dass kein klappriger Lastwagen auf den schmalen, wenig befestigten Sträßchen entgegen kommt, führt die Tour vorbei an sensationellen Ausblicken in die Täler.

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Die Straßen schlängeln sich die kargen Berge im Dadès Tal hoch. – Foto: Susanne Timmann

Erst kurz vor Dunkelheit wird das Städtchen El-Kelâa M’Gouna erreicht. Die alte Kasbah Itran wurde im Jahre 2001 hergerichtet und liegt etwas außerhalb. Mit Betreten der alten Gemäuern ist man wirklich angekommen. In Marokko, im Hohen Atlas und im nordafrikanischen Lebensgefühl. Bei Kerzenlicht wird das traditionelle Abendessen in vielen, kleinen Gängen mit frischen Zutaten liebevoll gekochten Häppchen serviert. Besonders beliebt sind die köstlichen kleinen Vorspeisen mit regionalen Zutaten. Viele der Gerichte werden noch im traditionellen Berberofen zubereitet.

Blick auf die Ebene des Dadès Tales von der Kasbah Itran aus. – Foto: Susanne Timmann

Zur Abwechslung legen Kinofreunde gerne einen Zwischenstopp in Ouarzazate ein. Dort befindet sich seit 1983 Klein-Hollywood in den Atlas Studios, die besichtigt werden können. Hier riecht die Luft nach prominenten Persönlichkeiten wie Samuel L. Jackson, Jean-Claude van Damne, Ben Kingsley, Nicole Kidman, Brad Pitt, Jean Paul Belmondo, Leonardo Di Caprio und vielen anderen.

Filmreife Kulissen nicht nur in den Studios. – Foto: Susanne Timmann

Selbst Freunde spannender Schluchten finden im Hohen Atlas perfekte Routen, um ihrem Hobby nach zu gehen. Das Dadès Tal formte der Oued Dades, der im Hohen Atlas entspringt. Der Fluss hat sich auf seinem Weg gen Süden tief in das Gebirge gegraben. Die beeindruckende Landschaften ist auch beliebt für kleine oder auch längere Wandertouren. Wo das Tal weiter wird, findet der Wanderer Dörfchen, deren Bewohner den Fluss zum Betreiben ihrer kleinen Landwirtschat nutzen. Die Todra Schlucht ist kürzer, durchaus lohnenswert, allerdings meist mehr besucht. So quetschen sich hier auch schon mal größere Reisebusse durchs Tal. Ausgangspunkt ist das Berberstädtchen Tinerhir. Beide Schluchten liegen nahe zusammen. So kann jeder seinen ganz eigenen Eindruck gewinnen.

Oasen-Charme in den Tälern runden die schönen Eindrücke ab. – Foto: Susanne Timmann

Wissenswertes in Kurzform

Weitere Informationen unter www.visitmorocco.com

Perfekter Ausgangsort für eine Hohe-Atlas-Tour ist Marrakesch. – Foto: Susanne Timmann

Übernachten: Jede Kasbah hat ihren ganz eigenen Charme. Die Kasbah Itran verfügt auch über sehr große Zimmer.