Duft aus einer anderen Welt in Ybor City

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Zigarren werden – nicht nur in Ybor – mehr und mehr auch von Frauen genossen. – Foto Debonair Nestory

Fassaden wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, morbider Charme, hier und da ein Geschäft mit frischen, handgerollten Zigarren. Einst war dieses Latin Quarter rechts und links der siebten Straße der Nabel der zigarrophilen Welt. Wenn man die Augen schließt, ist es ein wenig, wie im Film Es war einmal in Amerika. Man hört das blubbernde Geräusch von Straßenkreuzern, auf dem Gehsteig klacken die metallbeschlagenen Schuhe zwielichtiger Gestalten in feinen Anzügen, aus Bars ist Swing zu hören und der Rauch von Zigarren weht heraus. Wir sind in Ybor City, der Cigar Capitel of the World. So steht es noch heute zum Beispiel bei El Sol Cigars an der 7th Avenue geschrieben.

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Newman gehört zu den renommierten Zigarren-Herstellern in Ybor. – Foto: Honza Klein

Immerhin hat die American Planning Association der Straße den Titel One of the Ten Greatest Streets in America verliehen. Vielleicht hilft das, den Verfall aufzuhalten. Einige Fassaden sind ein wenig restauriert, erinnern an das French Quarter in New Orleans. Bei anderen Häusern steht nur noch die Mauer zur Straßenseite. Dahinter Wildwuchs. Ziemlich in der Mitte der Straße findet man eine Shoppingpassage wie überall in den USA. Restaurants, Kino, Geschäfte. Das Centro Ybor lockt mit Entertainment. Eine Straßenbahn verbindet Ybor mit dem Hafen und der City Tampas, deren Hochhäuser in der Ferne gen Himmel ragen. Viele Menschen bringt die Bahn jedoch nicht mit.

Standortsuche für Zigarrenfabrik

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Ybor reklamiert für sich die Zigarren-Hauptstadt der Welt zu sein. – Foto: Honza Klein

Dabei war hier, unweit des Hafens von Tampa, noch bis zum Ende der 1950er Jahre des vergangenen Jahrhunderts pulsierendes Leben. Im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte Vicente Martinez-Ybor die Stadtgründung betrieben. Er suchte einen neuen Ort für seine Zigarrenfabrik. Zuvor war er in Key West ansässig, doch dort war zu dieser Zeit noch im wahrsten Sinne des Wortes Indianerland. Von Tampas Stadtverwaltung gab es günstiges Bauland und so folgten dem Beispiel von Martinez-Ybor etliche andere Zigarrenhersteller. Ringsum siedelte sich alles an, was für eine aufstrebende Gemeinde benötigt wurde. Arbeiter kamen aus Spanien, Kuba, Sizilien, der Einzelhandel wurde von Rumänen beherrscht, die Deutschen brachten ihre Kenntnisse der Lithografie mit.

Bis heute ist die Zigarren-Herstellung Handarbeit. – Foto: Honza Klein

Der Ursprung der heutigen Zigarren Label: Im bereits erwähnten Geschäft El Sol Cigars bedruckt Eigentümer Robert G. Saitta damit T-Shirts. Jedes Label verströmt den Geist einer anderen Epoche. Mittendrin findet sich indes auch ein T-Shirt mit dem Aufdruck Free Cuba. Schließlich hat Cuba viel mit dem Aufleben und dem Niedergang von Ybor City zu tun. Von Cuba kam der Tabak, der die Stadt und seine Zigarrenbarone reich machte. Auf der Karibikinsel wurden Zigarren aus den Manufakturen Ybors geraucht. Von Kuba ist man seit dem 7. Februar 1962, dem Beginn des durch die USA verhängten Embargos, abgeschnitten.

Kubanischer Einflus

Der Tabak wird von Hand gerollt.

Nach Castros Revolution flüchteten viele Kubaner Richtung Florida. Miami, die Keys und auch Tampa und Ybor City waren ihre Stationen. „Ich hatte 500 Mitarbeiter in meiner Zigarrenproduktion in Cuba, schon mein Vater war in dem Geschäft. Dann wurde ich enteignet. Da blieb mir nur, zu gehen“, erzählt Roberto Ramirez. In Ybor hat er sich eine neue Existenz aufgebaut. Inzwischen ist sein Sohn Abraham mit dabei. Ihr kleiner Laden und die Marke heißen La Herencia de Cuba (Das Erbe Kubas).

Trotz der starken Einschränkungen für Raucher pilgern viele Zigarren-Liebhaber eigens nach Florida.

Die Zigarrenringe erinnern an Cohiba, alles ist Handarbeit. Schließlich ist auf der Werbebroschüre zu lesen, dass Roberto zu den zehn besten Zigarrenrollern der Welt gehört und dass er sogar schon im Weißen Haus für den Präsidenten Zigarren gerollt hat. Auf eben dieser Werbebroschüre ist Robertos Foto in ein Foto eines Zigarren Anbaugebietes auf Kuba montiert. „Der Traum von Kuba ist immer noch da“, sagt er etwas wehmütig. „Vielleicht können wir eines Tages wieder dort produzieren.“

Der andere Umgang mit dem Rauchverbot

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In Showrooms lässt sich viel Wissenswertes über die Zigarren-Produktion erfahren. – Foto: Honza Klein

Ähnliches ist von fast allen Exil-Kubanern zu hören, die in der Gegend ihre teils schäbigen Geschäfte haben. Nur schwer und mit einiger Fantasie kann man sich den Glanz von einst vorstellen. Am ehesten gelingt dies noch im Showroom der Handelskammer oder auch bei J.C. Newman Cigar Co. „Seit 1895 ist meine Familie hier im Zigarrenbusiness“, erzählt, nicht ohne Stolz, der heutige Chef Robert C. Newman. „Wir gehörten zu den Ersten.“ Cuesta Rey, Diamand Crown, La Unica und Rigoletto heißen die Marken, die seinen Betrieb verlassen. Im Foyer des stattlichen Baus befindet sich ein kleines Museum. Ein Blick in eine andere, vielleicht sogar bessere Zeit. Jedenfalls aus zigarrophiler Sicht.

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Mit Ausnahme der Zigarren-Herstellung ist Ybor eine typische amerikanische Stadt. – Foto: Honza Klein

„Aber wir blicken optimistisch in die Zukunft“, meint Newman zur Verabschiedung. Optimismus auch bei den Fuentes. Ihr Hauptquartier – die Tampa Sweethearts Cigar Co. – wurde vor ein paar Jahren renoviert. „Aber es ist eigentlich wirklich nur unser Hauptquartier“, sagt Arturo Fuente jr., als wir in seinem Büro sitzen. Natürlich hat er eine Zigarre angezündet, natürlich ruhen schon etliche in seinem Aschenbecher. Bis hierher hat es die US-Rauchverbotspraxis noch nicht geschafft. „Wir produzieren fast ausschließlich in der Dominikanischen Republik“, erzählt Fuente. Auch die in unseren Breiten bekannte Ashton und die Arturo Fuente kommen aus seiner Produktion.

Vermeintlich weltgrößter Humidor

Prachtvolle Gebäude bilden in Ybor eher die Seltenheit. – Foto: Honza Klein

Ansonsten findet man längs der 7th Avenue eher Unbekanntes. Oft gänzlich ohne Marke versehen. Etwa bei Nicahabana Cigars, wo eine ältere Frau direkt im Schaufenster sitzt, und ihrem Handwerk nachgeht, ebenso bei Ybor Cigar Plus, wo es neben frischen Zigarren gleich noch den frischen Haarschnitt zu Livemusik und Mojitos gibt. Und wir wären nicht in den USA, wenn es da nicht auch noch das Größte gäbe. The World’s Largest Walk-In Humidor wird bei Metropolitan Cigars angepriesen. Die Regale sind voll, es wird auch noch selbst gerollt und die Kundschaft kommt reichlich. Als ich Store-Manager Peter Perez frage, was passiert, wenn das Embargo fällt, lacht er. »Wer weiß das schon«, lacht er. „Vielleicht haben wir dann einfach eben auch kubanische Zigarren in unserem Angebot.“ Wann das sein wird, da mag er sich aber auch nicht festlegen.

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Mit der Mosaik-verkleideten Fassade gehört das Columbia zu den Landmarken von Ybor. – Foto: Honza Klein

Der Rundgang durch die Geschichte Ybor Citys endet schräg gegenüber von Perez’ Laden. Das 1905 eröffnete Columbia Restaurant – welches zugleich das älteste spanische Restaurant in den USA ist – bietet die schönste Fassade weit und breit. Keramikfliesen die Kolumbus’ Ankunft auf dem amerikanischen Kontinent zeigen, hinter einem geschnitzten Säulenvorbau ein kleiner Brunnen – pures Karibikgefühl. Im Innern ein Restaurant, wie es so wohl schon zur Eröffnung aussah. Natürlich bietet der Souvenirshop neben schöner Keramik und ein wenig Nippes auch Zigarren. Ein bisschen ist es eben noch immer die Zigarrenhauptstadt der Welt. Weitere Informationen unter www.visittampabay.com.