Drachensaga und Spaghetti-Grotte: Das Höhlensystem der St. Beatus-Höhlen

Zahllose faszinierende Gesteinsformationen finden sich in den St. Beatus-Höhlen am Nordufer des Thunersees. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Zahllose faszinierende Gesteinsformationen finden sich in den St. Beatus-Höhlen am Nordufer des Thunersees. (Foto Karsten-Thilo Raab)

St.-Beatus sei Dank! Hätte sich der mutige Eremit im 6. Jahrhundert nicht so tapfer geschlagen und der Legende nach einen Feuer speienden Drachen in den heutigen St. Beatus-Höhlen erlegt – die Schweizer Region Interlaken wäre um eine Attraktion ärmer! Rund einen Kilometer geht es bei einer Höhlenwanderung ins Innere des Niederhorn-Massivs. Ein wahres Abenteuer für große und kleine Entdecker.

Denn wer die atemberaubenden Berge rund um den Thunersee schon von außen betrachtet schön findet, der möchte sicher auch einmal in ihr Inneres vordringen um sich die massiven Felsformationen aus einer ganz anderen Perspektive anzusehen. Vor das Abenteuer hat der liebe Gott aber zunächst den Schweiß gesetzt. Es gilt, vom See-Niveau zum Eingang hinauf zu stiefeln. Zum Glück ist überall erfrischendes Nass: Als Wasserfall-Kaskaden stürzt der Gebirgsbach Richtung Thunersee. So wird der gewundene, steile Aufstieg zum malerischen Eingangsbereich der St. Beatus-Höhlen zu einer erfrischenden Angelegenheit.

Panoramablick auf den Thunersee

Entlang eines spektakulären Wasserfalls führt der Weg hinauf zu den Tropfsteinhöhlen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Oben angekommen genießen Besucher erst einmal den phantastischen Ausblick über das gletschergrüne Wasser des Thunersees. Nach wenigen Schritten ist dann eine kleine Seitenhöhle erreicht. Hier wird großen und kleinen Besuchern gezeigt wird, wie karg der Eremit St. Beatus hier einst gehaust hat. Direkt daneben befindet sich der Eingang zur großen Höhle.

Neben den Höhlen selber wartet das dazugehörige Museum auf die Besucher. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Lautes Getöse dringt an die Ohren der Gäste. Denn auch im dunklen Inneren fließt der Gebirgsbach und sorgt dafür, dass man sich als Besucher laut anrufen muss, wenn man sich gegenseitig auf die beeindruckenden Gesteinsformationen aufmerksam machen will: „Cool, guck mal, da vorn geht s‘ noch tiefer in den Berg-Bauch hinein“, ruft die aufgeregte Louise ihren Geschwistern zu. Victor, ihrem jüngeren Bruder, ist etwas mulmiges zumute. Schließlich hat er von der Drachen-Saga gehört und muss sich neben dem Lärm auch erst an die Dunkelheit im Berginneren gewöhnen.

Spektakuläre Tropfsteinformationen

Eine kleine Schauhähle zeigt, wie der Heilige Beatus als Eremit gehaust haben soll. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Eine kleine Schauhähle zeigt, wie der Heilige Beatus als Eremit gehaust haben soll. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Das Familienoberhaupt hingegen muss stellenweise etwas gebückt durch die kurvigen Gänge gehen. Aber es lohnt sich. Schon in der ersten Grotte zeigen alle begeistert umher. Die Milton-Grotte, in der sich ein Sinterbecken gebildet hat, präsentiert Groß und Klein spektakuläre Tropfsteinformationen, die an Finger, Kirchtürme und Wendeltreppen erinnern. Der Phantasie ist freier Lauf gesetzt.

Durchzogen werden die Höhlen von zahlreichen Gewässern. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Hinter der nächsten Kurve liegt dann bereits die Burg-Grotte und man sieht tatsächliche eine verschnörkelte Burg wie aus dem Märchenbuch, die auf einem Berg am Horizont zu thronen scheint, wiederum geformt aus Tropfstein. Nun packt wirklich jeden die Entdeckerlust. Es geht immer tiefer in den Bergbauch hinein. Wasserläufe strömen aus entgegen gesetzten Richtungen unter dem Gangweg der Besucher hindurch, die geschickte Beleuchtung ermöglicht Blicke in Spalten bis zu vier Meter Höhe.

Tosende, unterirdische Wasserfälle

Auch unterirdische Wasserfälle sind in den Beatus-Höhlen zu finden. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Das ist meine Lieblingsgrotte!“, ruft Louise, die als erste in der Spaghetti-Grotte angekommen ist. „Hier hängt schließlich mein Lieblingsgericht von der Decke“, lacht die aufgeweckte Zwölfjährige. Tatsächlich hängen hauchzarte Stalaktiten von der Decke hinab und machen Lust auf das Mittagessen.

Die nun folgenden unterirdische Wasserfälle, die rund gespülte Steinlöcher – das Getöse des Wasserlaufs – all das gibt allen Sinnen der Besuchern beeindruckendes Zeugnis von der Kraft der Elemente und lässt Jeden ehrfürchtig staunen.

IOn jeder Grotte warten neue, bizarre Gesteinsformen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Es geht ein paar Stufen hinauf und Louises Mutter staunt: „Selbst hier wachsen Farbe und Moose ganz ohne Tageslicht!“ Schließlich ist die Kapitänsgrotte erreicht. Diese ist nach Johannes Knechtenhofer benannt, dem ersten Dampfschiffkapitän auf dem Thunersee.

Wasser bis zur Brust

Die Abenteuergeschichte der Entdeckung dieser Grotte beeindruckt den kleinen Viktor. Aber noch mehr gefällt ihm die Schwesterngrotte. Aus Kinderaugen-Perspektive ergibt sich eine phantastische Spiegelung in dem klaren See.

Auch Stalaktiten und Stalgmiten sind allgegenwärtig. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Mama, hier auf den Schild steht, dass die Mittelgrotte bei Hochwasser vom Hauptbach durchflossen wird. Dann würde uns das Wasser bis zur Brust stehen“, ruft Louise aufgeregt. Zur Beruhigung aller informiert das Schild aber auch darüber, das in solchen Fällen die Höhle für Besucher geschlossen bleibt.

Je tiefer man in die Höhle eindringt, desto spektakulärer werden die Felsformationen, durch die man sich schlängeln muss. „Papa, zieh` Deinen Bauch ein“, ruft Viktor feixend. Und dann: „Guck mal, hier, die ganzen Münzen in dem klaren See da unten. Die glitzern wie in Dagobert Ducks Comicabenteuern“, ruft der Vater zurück.

826 Meter lange Sackgasse

Das langsam fließende Wasser verleiht dem Gestein einen besonderen Glanz. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Wie Zitzen hängen Stalaktiten zu Hunderten von der Decke. Auch der Gang, den es jetzt zu durchschreiten gilt, mutet märchenhaft an. Wer nicht aufpasst, der stößt sich Kopf oder Schienbein. Höhepunkt für alle Höhlenbesucher ist zweifelsfrei die zauberhafte Spiegelgrotte in der andächtige Stille herrscht.

Je weiter man in das Bergmassiv vordringt, desto lauter wird das Getöse des Wassers jedoch wieder. Kein Wunder, denn hinter einer Kurve stürzt ein Wasserfall zehn Meter in die Tiefe. Besonders spannend ist nun die Wegführung.

Kleine, flache, unteriridsche Seen sorgen für einen besonderen Charme. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Als Besucher geht man über schmale, sich schlängelnde Brücken über den Wasserlauf hinüber und nebenher.

Schließlich ist nach 826 Metern das Ende der ausgebaute Höhle erreicht. Zwar geht es fast exakt auf dem gleichen Weg wieder hinaus Richtung Tageslicht. Aber Langeweile kommt auch auf dem Rückweg nicht auf. Schließlich bieten sich durch die neue Blickrichtung immer neue Perspektiven und Entdeckungen.

Drachengruß am Beatus-Ausgang

Spiegelungen auf dem Wasser sorgen für besonders stimmungsvolle Eindrücke. (Foto Karsten-Thilo Rab)

„Schau mal, Viktor! An der Decke hängen Silexknollen, die aussehen, als könne man sie ab pflücken. Das ist echter Feuerstein“, erklärt ihm seine Mutter. Auch eine Gletschermühle darf natürlich nicht fehlen, bevor bald der Ausgang erreicht ist. Hier gilt es, an einem steinernen Drachen vorbei zu gehen, der mit der gesamten Familie der Höhlenerkunder auf ein Erinnerungsfoto gebannt wird.

Eine nur bedingt hübsche Drachenskulptur ziert den Ausgang. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Wieder zurück am Tageslicht fällt der Blick durch die steinernen Bögen auf das phantastischem Türkis des Thunersees. „Und jetzt Spaghetti für alle“, ruft Louise und stürmt Richtung Restaurantterrasse.

Weitere Informationen unter www.beatushoehlen.ch.

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