In der Luft liegt der schwere Geruch von offenem Feuer und frisch gebackenem Brot. Dreckverschmierte Schweine rennen, laut quickend, aufgeregt durch die engen, belebten Gassen. Geschäftige Rheinschiffer passieren den kleinen Marktplatz und tragen im Verborgenen ihre meist gut gefüllten Geldsäcke durch das bunte Getümmel. Die Marktfrauen in ihren dicken, schweren Röcken schleppen handgeflochtene Körbe voll mit weißen Rüben, frisch vom Feld, in Richtung der Baustelle von Burg Friedestrom.
So, oder so ähnlich könnte es sich im Jahr 1373 nach Christi zugetragen haben, nachdem der ehemalige kurkölnische Rheinzollort Zons zur Stadt erhoben wurde. Aufgrund dieses geschichtsträchtigen Ereignisses errichtete Erzbischof Friedrich III. von Saarweden die Burg Friedestrom. Und Zons wurde mit dicken Mauern und tiefen Gräben befestigt. Denn, vor allem das Zollamt musste geschützt werden, seit im Jahr 1372 der Rheinzoll von dem Gebiet des heutigen Neuss nach Zons verlagert wurde. Die Zollfeste Zons wurde von den betriebsamen Händlern gefürchtet. Nur wer seinen Tribut im Rahmen der verlangten Zölle bezahlt hatte, durfte auf dem Markplatz seine Waren vertreiben. Auf jeden Fall war ein Weiterkommen, ohne Zölle zu berappen, nicht möglich.
Wer heute mittelalterliche Luft schnuppern möchte, ist in Zons am Rhein genau richtig. Schon allein der Blick auf die vollständige, sehr gut erhaltene Wehrmauer flößt Ehrfurcht ein. Durchbrochen wird die brachiale Befestigungsanlage durch den Rhein- beziehungsweise Zollturm. Unter diesem strömen Einheimischn und Besucher, an schönen, sonnigen Tagen auch mal in Maßen, ins mittelalterliche Sightseeing-Vergnügen.
Doch nicht nur der steinerne Rheinturm selbst ist zu Beginn der kurzweiligen Tour durch Zons zu besichtigen. Direkt angrenzend befinden sich das Zollhaus und die Kapelle zur heiligen Dreifaltigkeit. Besonders spannend: Die Kapelle war vom Zollhaus über den Torüberbau witterungsunabhängig zu erreichen. Das Zollhaus selbst war über 400 Jahre im Eigentum des Kölner Domkapitels.
Weiter sehenswert sind die Wachtürme „Pfefferbüchsen“, der Eckturm „Eisenbrecher“ sowie der Krötschenturm. „Krötsch“ bedeutet „kränkelnd“. Kein Wunder, in diesem Turm hausten während den Zeiten der Pest die Infizierten, um weitere Ansteckungen zu vermeiden. Sicherlich kein Vergnügen, krank und leidend in den kalten Mauern eingesperrt zu sein. Ansonsten diente der Krötschenturm als Wehr- und Wachturm, als Verlies, Speicher oder auch Lagerraum.
Selbst die historische, über 600 Jahre alte Windmühle ist in die Stadtmauer integriert und führt Interessierte auf eine Reise in längst vergangene Zeiten. Als eines der Wahrzeichen Zons wurde die Mühle von 2008 bis 2010 renoviert und wieder instandgesetzt. Heute kann sie besichtigt werden und der interessierte Besucher erhält lehrreiche Einblicke, wie in etwa in die Funktionsweise des originalen, hölzernen Mahlwerk aus dem 17. Jahrhundert.
Der weithin sichtbare Juddeturm aus roten Backsteinen mit seinem imposanten, grauschwarzen barocken Dach liegt im Zentrum von Zons. Der Name des außergewöhnlichen Turms ist wohl auf das Patritziergeschlecht der Judde aus Köln zurückzuführen und birgt dunkle Geschichten. Das gut erhaltene Bauwerk wurde vor langen Zeiten als Verlies für Gefangene benutzt. Diese wurden in dem sehr engen, tunnelartigen Turm eingesperrt. Schon von außen lässt sich erahnen, wie schrecklich das gewesen sein muss. Es fällt nur wenig Licht in das düstere Gemäuer.
Zu Beginn des Sträßchens „Hohes Örtchen“ im Westen lohnt ein Blick hoch auf das Straßenschild, wo in luftiger Höhe ein stilles Örtchen installiert ist. Derweil eröffnen sich von der mittelalterlichen Rheinstraße zwischen der Turm- und Schlossstraße schöne Ausblicke auf die Auen des Rheins. Das Flanieren entlang der Gassen vorbei an Cafés, Restaurants und kleinen Läden entfacht das ganze Flair der Befestigungsanlage aus dem 14. Jahrhundert. Ein Halt am Alten Zollhaus lohnt sich, auch wenn aktuell keine Heiratspläne anstehen.
Burg Friedestrom ist das traditionelle Zentrum der Zollfeste. Das gesamte Burgareal umfasst etwa ein Sechstel der gesamten Altstadtfläche. Der entspannte Spaziergang durch den Park führt vorbei am ausgebauten und modernisierten Kulturzentrum. Auch die angrenzende Freilichtbühne ist ein echtes Highlight. Ein Blick auf das aktuelle Programm lohnt sicherlich für Jung und Älter.
Nur einen Steinwurf vom lebendigen Schlossplatz lädt der kleine Kräutergarten zu einer Ruhepause ein. Außerhalb der Stadtmauern ist eine Stippvisite am Schweinebrunnen fast schon ein Muss, auch wenn hier die mittelalterliche Atmosphäre verlassen wird. Der sehenswerte, langsam dahinplätschernde Brunnen stammt aus dem Jahre 1959 und ist ein Werk des Bildhauerst Bernhard Lohf. Er nimmt, modern aufgefasst, die historische Begebenheit der „Zonser Schweinefehde“ auf: In den Jahren 1575/1577 sollen Soldaten des damaligen Kölner Erzbischof Salentin von Isenburg die Zonser Schweineherde, immerhin um die 50 Tiere, gestohlen haben. Also eine richtige Schweinerei!
Zons am Rhein, das nahezu in der Mitte zwischen Düsseldorf und Köln liegt, freut sich jährlich über mehr als 700.000 Besucher und das zu Recht. Das kleine Fleckchen Erde, das heute Teil von Dormagen ist, gilt als eine der wenigen und einzigartig gut erhaltenen mittelalterlichen Städte in Deutschland und wird deswegen häufig liebevoll als „Rothenburg des Rheinlands“ tituliert.
Übrigens, neben Wanderungen durch die naturbelassenen Rheinauen bei Zons verspricht eine Überfahrt mit der kleinen Fähre über den Rhein ein Stück Urlaubsfeeling. Auf der anderen Seite des mächtigen Flusses bietet der Düsseldorfer Stadtteil Urdenbach mit seinem Naturschutzgebiet Kämpe „Natur pur“. Und – quasi genau gegenüber von Zons – schlummert mit dem Haus Bürgel als Teil des Niedergermanischen Limes ein Weltkulturerbe der UNESCO. Weitere Informationen unter www.zons-am-rhein.info.
Literaturtipp: Wieder zu Hause angekommen bieten die packenden Zons-Krimis von Catherine Shepherd einen mitreisenden Zeitvertreib, der rund um die mittelalterliche Zollfeste am Rhein in verschiedene Geschichten entführt.
Susanne Timmann
lebt im Rheinland, ist aber in der Welt zuhause. Seit 2022 fungiert sie als stellvertretende Chefredakteurin des Mortimer Reisemagazins, für das sie Beiträge in Wort und (Bewegt-) Bild über Destinationen weltweit verfasst.