Wunderbar wanderbar – die Sunnmørsalpen

Traumhaft und perfekt für Wanderungen: die Region rund um den Ørstafjord. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Traumhaft und perfekt für Wanderungen: die Region rund um den
Ørstafjord. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Wasser, Berge, Bäume, Heidekraut, viel Grün und unendliche Weiten – das ist alles. Viel mehr ist hier nicht zu finden. Und doch wird die einfache Wortwahl dem beeindruckenden Naturschauspiel in keiner Weise gerecht. Denn hinter jeder Biegung wartet ein neues, beeindruckendes Panorama, ein neuer, atemberaubender Ausblick auf eine der schönsten und spektakulärsten Landschaften im Westen Norwegens – die Sunnmørsalpen.

Für Wanderer fast schon obligatorisch: ein Eintrag in das, in einem Metallrohr aufbewahrte Gipfelbuch am Helgehornet. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Für Wanderer fast schon obligatorisch: ein Eintrag in das, in einem Metallrohr aufbewahrte Gipfelbuch am Helgehornet. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die zu Recht als Geheimtipp gehandelte Region ist geprägt von Kontrasten aus tiefblauen Fjorden, üppigen Wäldern, farbenfrohen Heidefeldern, saftigen Wiesen und alpinen Felsformationen, deren höchste Spitzen ganzjährig weiße Gletscher zieren. Gerade der Übergang zwischen den majestätischen Bergen und malerischen Fjorden verzaubert seit Generationen Kaiser, Könige und Blaublütige aus aller Herren Länder.

Und auch Naturliebhaber, Trekkingfreunde und Wanderer fühlen sich in den „Alpen des Nordens“ königlich. Schließlich haben sie die Qual der Wahl zwischen mehr als einhundert abwechselungsreichen und vor allem (fast) völlig menschenleeren Routen.

„Friluftsliv“ heißt die Annäherung an die Natur auf Norwegisch. Und die fällt spürbar rustikaler aus als beispielsweise in den deutschen Alpen oder Mittelgebirgen. Statt über künstlich angelegte Wege führen die Wanderungen zumeist auf Trampelpfaden im wahrsten Sinne des Wortes über Stock und Stein. Auch die Beschilderung mutet eher spärlich an und besteht häufig allein aus einem roten „T“, aufgemalten Punkten oder Pfeilen.

Tolle Aussicht: den Kolåsbreen Gletscher fest im Blick. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Tolle Aussicht: den Kolåsbreen Gletscher fest im Blick. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Doch diese Markierungen sind mehr als ausreichend. Auf dem mitunter steilen Weg zum Gipfel kann man sich wirklich nicht verlaufen – höchstens einmal ein paar Meter zu viel zurücklegen. Aber dies nehmen echte Naturliebhaber gern in Kauf, zumal sie auf Schritt und Tritt mit grandiosen An- und Ausblicken entlohnt werden.

Überall in den Sunnmørsalpen zu finden: die Varde, die von Menschenhand aufgetürmten Steinfiguren. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Überall in den Sunnmørsalpen zu finden: die Varde, die von Menschenhand aufgetürmten Steinfiguren. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Das Gros der Berge ragt kaum höher als 1.500 Meter hinauf, fällt aber immer wieder steil ins Meer hinab. Die Vegetationsgrenze dieser zum Teil Schnee bedeckten Gesteinsformationen aus Gneis und Granit liegt bei knapp 800 Metern. Geschaffen wurde die alpine Fjordlandschaft in einer Laune der Natur während der letzten Eiszeit. Und die Entstehungsgeschichte ist der wunderbar wanderbaren Region heute noch anzusehen. Besonders reizvoll muten die Sunnmørsalpen im Herbst an. Denn wenn im Hochgebirge die ersten Nachtfröste auftreten, leuchten Laub, Moore und Pflanzen in flammendem Rot und Gelb.

Als zentral gelegener Startpunkt für die meisten Tagestouren eignet sich die Kleinstadt Ørsta am gleichnamigen Fjord. Von hier lässt sich in zwei bis drei Stunden der pittoreske Helgehornet (623 Meter) erklimmen. So genannte „Varde“, von Menschenhand aufgeschichteten Steintürmchen, die als Wegezeichen und Gipfelkreuze dienen, markieren hier zugleich die besten Aussichtspunkte auf den langgestreckten Meeresarm.

Über Stock und Stein geht es hinauf zum Kolåsbreen Gletscher. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Über Stock und Stein geht es hinauf zum Kolåsbreen Gletscher. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Auch der 1.437 Meter hohe Kolåsbreen Gletscher lässt sich von Ørsta aus bequem in fünf bis sechs Stunden erschließen. Als familiengerechte Alternative zu diesem phasenweise schwierigen Gipfelsturm bietet sich der Brudavollen Natur- und Kulturpfad an. Startpunkt ist der Brudevoll Gard, ein Bauernhof aus dem frühen 19. Jahrhundert, der heute als Museum dient. Der abwechselungsreiche Lehrpfad stellt anhand von Schildern Bäume und Pflanzen vor, während steinerne Hütten auf der Brudavollsetra (setra = Alm) oder die Reste einer Behausung auf der Barstadsetra vom entbehrungsreichen Leben in den Bergen zeugen.

In weiten Teilen ein Stück Bilderbuch-Norwegen: die Sunnmørsalpen. (Foto Karsten-Thilo Raab)
In weiten Teilen ein Stück Bilderbuch-Norwegen: die Sunnmørsalpen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Die Berge wirken immer noch höher und noch spektakulärer auf der anderen Seite des Fjords“, schmunzelt Christer Lundberg Nes, der einer von 40 lizenzierten Bergführern in Norwegen ist. Ein Eindruck, der sich vor allem entlang des Hjørundfjords aufdrängt. Der malerisch gelegene Meeresarm reicht 35 Kilometer landeinwärts und wird an beiden Uferseiten von mächtigen Gebirgsmassiven mit zackigen und steilaufragenden Felswänden gesäumt. Mit dem 1.418 Meter hohen Jønshorn und dem 1.717 Meter hohen Kvitegga ragen zwei Gipfel besonders heraus.

Beliebte Wanderziele sind darüber hinaus Kolåstinden, Molladalen, Bjørkehornet und Saudehornet. Nicht zu vergessen ist Slogen, die „Königin der Sunnmørsalpen“. Der knapp vierstündige und nicht gerade einfache Aufstieg von Øye, Skylstad oder Urke lässt den Schweiß in Strömen fließen. Doch spätestens beim Blick aus 1.564 Metern Höhe auf die atemberaubende Fjordlandschaft sind die vorangegangenen Mühen mit einem Wimpernschlag vergessen.

Eine romantische Flussquerung ist die Svidebrud in Norangsdalen. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Eine romantische Flussquerung ist die Svidebrud in Norangsdalen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Weniger schwierig, aber kaum minder interessant, erweist sich die Route entlang der Reichsstraße 655 durch Norangsdalen. Nur wenige Kilometer außerhalb von Øye fällt ein idyllisch gelegener Bergsee ins Auge. Doch das Gewässer hat es in sich. Der See entstand, als 1908 ein mächtiger Steinschlag Richtung Tal donnerte und eine Sennalp mit mehreren Häusern unter sich begrub. Noch heute erkennt man in den Fluten des Lyngstøylvatnet die Grundmauern der Almhütten und die alte Straße wieder.

Lohnenswert ist auch ein Besuch im nahe gelegenen Ålesund. Norwegens Fischereihauptstadt war 1904 fast komplett niedergebrannt. Aus der Asche entstand eine neue Minimetropole im Jugendstil. Den besten Blick auf das vom Meer umgebene Zentrum genießt man vom Stadtberg Aksla, zu dessen Aussichtplattform 418 Stufen führen. Und die könnte, wer zuvor den Slogen bezwungen hat, mit einem müden Lächeln auf einem Bein nehmen. ..

Abendlicher Schaukelspaß am Hjørundfjord. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Abendlicher Schaukelspaß am Hjørundfjord. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Weitere Informationen unter www.visitnorway.com und  unter www.orstainfo.no

Sehenswürdigkeiten: Ivar Aasen Hof und Museum: Der viel beachtete Sprachforscher, der als Begründer des Nynorsk (Neunorwegisch) gilt, wurde hier am 5. August 1813 geboren. Neben Aasens Wohnhaus wurde dem Linguisten von Stararchitekt Sverre Fehn mit einem modernen Museum ein Denkmal gesetzt. Weitere Informationen unter www.aasentunet.no.

Literaturtipp: Ulrike Katrin Peters & Karsten-Thilo Raab: Oh, diese Norweger, Conrad Stein Verlag, ISBN 978-3-86686-803-8. Erhältlich ist der Titel, der auf augenzwinkernde Art und Weise Skurriles und Wissenswertes über die Norweger vermittelt, im Buchhandel oder direkt beim Conrad Stein Verlag.


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