Natürlich wäre es der leichteste Weg, sich bei einer Familienreise nach Paris für das Eurodisney als Reiseziel und Urlaubsinhalt zu entscheiden. Schließlich gibt es an jeder Ecke Pommes und Plastikvergnügen. Aber auch, wer für sich als Eltern und für den eigenen Nachwuchs entscheidet, die echte Welt für viel spannender zu halten, kann an der Seine einen für alle Beteiligten spannenden Aufenthalt erleben.
Sicher, man sollte sich für die gemeinsame Stadterkundung einen guten Plan zurechtlegen und die Erwartungen an der grandiosen Museums-Front von Paris nicht allzu hoch hängen. Einen gelungenen Einstieg bildet bereits eine entspannte Anreise. Wer sich für den Zug statt das Flugzeugs entscheidet, kommt meist genauso schnell, dafür aber viel kinderfreundlicher ans Ziel. Wer zum Beispiel den Thalys ab Ruhrgebiet, Köln oder Aachen nimmt, steigt vormittags an Bord und ist nachmittags bereits am Gare du Nord, Paris berühmten Sackbahnhof, angelangt.
Dann bleibt noch Zeit genug für einen sanften Einstieg in das Stadterlebnis. Kurz die Koffer ins Hotel gebracht, dann mit der Metro ab zum Place de la Concorde. Mit einer kleinen Promenade durch die weitläufige Parkanlage Tuileries, die auf Initiative von François Mitterand vor mehr als 30 Jahren wieder so weit restauriert wurde, dass sie heute fast wieder genauso aussieht wie im 17. Jahrhundert, ist Groß und Klein gedient. Es lässt sich hier nicht nur wunderbar flanieren und die langen und kurzen Beine nach der Reise ordentlich strecken. Die großen Brunnen laden zum Enten füttern und Steinchen werfen ein.
Fast wie von selbst gelangen die kleinen Beinchen so zum Louvre. „Guck mal, Mama! Eine Papa-Pyramide, eine Mama-Pyramide, eine Baby-Pyramide!“ staunt der süßte Sohn der Welt und saust auf den Louvre los. Abends sind die Absperrbänder für die Warteschlangen des Tages ein prima Labyrinth fürs Fangenspielen. Zur blauen Stunde werden die Steinwürfel von unten illuminiert – perfekter Spot für Familienfotos, auf denen man selbst als Kunstwerk oder Statue posieren kann.
Dass allein die Metro, die U-Bahn von Paris, für Große und Kleine ein Erlebnis ist, versteht sich von selbst. Nicht nur die fremd klingenden Stationsnamen wie Abbesses, Trocadéro und Champs-Élysées – Clemenceau klingen faszinierend. Auch die unzähligen Musiker, die, mit ihren Gitarren, Akkordeons oder Cellos bepackt von Station zu Station zu- oder aussteigen, sind eine Attraktion für sich. Kleine Eisenbahner sind sicher zudem besonders von der Metrolinie 1 fasziniert, fährt diese doch voll automatisch und ohne Fahrer. Wer ganz vorne sitzt, kann wunderbar verfolgen, wie die Bahn durch die kurvigen Tunnelsysteme rauscht und sich fast selbst wie ein Zugführer fühlen.
Am besten wohnt es sich etwas außerhalb des Zentrums, zum Beispiel im ruhigeren, sehr gepflegten Neuilly. Hier borden die Blumenbeete über vor pastellfarbener Pracht, nette kleine Bistros finden sich an jeder Straßenecke und die Gehwege sind meist breiter, die zu überquerenden Straßen schmaler.
In unmittelbarer Nähe der Metrostation Les Sablons liegt auch der Freizeitpark Jardin d`Acclimation sowie das Freizeitbad Centre Aquatique, das an Regentagen für Abwechslung sorgen kann. Auch ein Vorteil: Direkt an der Haltestelle gibt es einen mehr als wohl sortierten, typisch französischen Supermarkt, bei dem man sich mit allem nötigem für ein Picknick eindecken kann: Frischer Käse, Baguette, Jogurt und einem Fläschchen Cidre – hier fehlt es an nichts, was zur berühmten Lebenskunst unserer französischen Nachbarn, dem savoir vivre, unbedingt dazugehört.
Staunend steht hier die gesamte Familie vor den meterlangen Frischetheken: Eine endlose Auswahl an köstlichen (und teilweise nicht nur für Kindernasen ganz schön stinkigen) Käsesorten mit verheißungsvollen Namen, an die Hundert Fische, die auf Eiswürfeln liegen wie auf einer großen weißen Bettdecke ergötzen die Augen und kitzeln die Nasen wach.
Der süßeste Sohn der Welt hält sich kurzerhand seinen kleinen Riechkolben mit dem Finger zu – und bestaunt die Meeresfrüchte mit runden Augen. Schon eilt der freundliche wie adrett bekleidete Fischverkäufer auf den Nachwuchs zu und ruft: „Mais non!“ und signalisiert breit lächelnd, mit den Daumen und Zeigefinger, dass das alles „délicieux!“ schmeckt und reicht einen Scampi zum Probieren.
Das Centre Pompidou bildet einen farbenfrohen Start in den nächsten Tag. Mit seinen bunten Röhren und riesigen Auspuffrohren gemahnt es an eine riesige bunte Bonbonfabrik und bildet schon von außen eine spannende Augenweide. Eine große Anziehungskraft geht ebenfalls vom imposanten Stravinsky Brunnen von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle direkt neben dem Kunst- und Kulturzentrum aus. Mit seinen 16 Wasser speienden, sich drehenden, teilweise metallischen und teilweise bunten Phantasiefiguren scheint er ebenfalls wie für Kinderaugen gemacht zu sein. Kein Wunder, bediente sich Komponist Igor Stravinsky, nach dem dieses Wasserbecken benannt ist, doch zahlreicher Märchen und Volksweisen als Inspirationsquelle für seine Werke.
Während die kleinsten Paris-Besucher sich wohl damit begnügen werden, das Spektakel zu bestaunen, so haben größere sich bald die Hände im riesigen Becken und plantschen mit den Kunstobjekten, die die Musik Strawinskys widerspiegeln wollen, um die Wette. Etwas älteren Kindern kann man an dieser Stelle ganz bildlich zu einem ersten Verständnis von moderner Kunst und Stadtplanung verhelfen.
Einst ein eher trostloser Ort, sollte der Strawinsky-Platz aufgewertet werden. Man beauftragte den französischen Künstler Tinguely, sich etwas einfallen zu lassen, um die freie Fläche zu beleben. Dieser nahm den Auftrag an, weil er sich nach eigenen Angaben „in Madame Pompidou“ verliebt habe. Einzige Bedingung: Seine damalige Lebensgefährtin, keine Geringere als Niki de Saint Phalle, solle das Projekt mit ihm gemeinsam verantworten. Eine Zusammenarbeit, die ein perfekt passendes Ergebnis zu Tage bringen sollte. Wie ein Fluss bildet das Alubecken heute eine gelungen Verbindung zwischen der eher düster anmutenden gotischen Kirche Saint Merri, für die nach Tinguely seine dunklen Metallarbeiten stehen auf der einen Seite und dem bunten pulsierenden Centre Pompidou auf der anderen Seite, das durch die Arbeiten von Saint Phalle widergespiegelt wird.
Straßenkünstler geben am Place Ivar Stravinsky das ihre, um die plätschernde Wasserkunst zu übertrumpfen und in den umliegenden Bistros gibt es neben Kaffeespezialitäten auch die Geschenke der französischen Küche an die Kinderwelt: Wie wäre es zum Beispiel mit einem croque monsieur? Das zusammengeklappte, gebackene Sandwich gibt es wahlweise mit Käse, Schinken oder auch als croque madame, bei dem noch ein Spiegelei das krosse Brot krönt.
Frisch gestärkt geht es dann zu Fuß weiter und nach wenigen Schritten ist bereits das Hôtel de Ville, das Rathaus, erreicht. Hier steht meist, wie an vielen weiteren touristischen Spots der Stadt, ein wunderbar buntes, altmodisches doppelstöckiges Karussell von anno dazumal. Geschnitzte Pferde schweben auf und ab, ihre hölzerne Mähnen scheinen im Wind zu wehen, goldene Muscheln wiegen die Besucher sanft hin und her. Zwischen zwei und drei Euro kostet eine Rundfahrt hier und bildet eine gute Investition in die Laune der kleinsten Teilnehmer der Reisetruppe.
Schließlich führt der Weg weiter über die malerische alte Steinbrücke Pont D`Arcole über die Seine. Spätestens hier fühlen sich die kleinen Stadterkunder dann wie im Film, kommen doch solche Stadtansichten von Paris sowohl in dem Comicstreifen Ratatouille als auch Aristocats zu Hauf vor.
Fast unbemerkt hat man nun die Île de la Cité, eine Insel in der Seine, erreicht und schlendert die Rue d`Arcole entlang, eine kleine Straße, auf der es vor Souvenirläden nur so wimmelt und von den zahllosen Straßenständen ein verführerischer Duft nach Crêpes und Waffeln ausgeht. Eine willkommene Stärkung, bevor das imposante Notre Dame erreicht ist. Hier lauschen Kinderohr besonders gespannt der mitreißenden Geschichte vom Glöckner vom Notre-Dame, die Eltern hier unbedingt auf Lager haben sollten.
Wenn sich Papa dann noch Mamas Handtasche als Buckel-Ersatz unter die Jacke steckt, ist auch der Foto-Spaß perfekt. Der Ersatzglöckner kann anschließend alle Familienmitglieder gleich die paar Steinstufen zur Seine hinunterjagen.
Hier, am Quais de Montebello liegen die Boote des „Batobus“ an. Bei der 40-minütigen Rundfahrt, die sich für die Mittagszeit anbietet, können sich große und kleine Füße erholen. Außerdem gibt es acht Haltepunkte, die jeweils in der Nähe von Sehenswürdigkeiten gelegen sind. Mann kann mit dem Tagesticket aus- und zusteigen, so oft man möchte. Durch das gebogene Panoramadach sind große und kleine Freizeitmatrosen auch bei nicht ganz so gutem Wetter gut geschützt. Allerdings gibt es an Bord zwar einen Kühlschrank, der mit ein paar Getränken bestückt ist, leider fehlt aber das Angebot an Essbarem und eine Toilette sucht man auch vergeblich. Picknick-Einkauf und Toilettengang sollte man also am besten erledigen, bevor man sich an Bord begibt.
Natürlich darf ein Besuch am imposanten, 324 Meter hohen Eiffelturm nicht fehlen. Einen großartigen Blick auf Paris berühmtestes Wahrzeichen hat man vom Trocadéro Hügel aus. Unterhalb der Terrassen des Palais de Chaillot verwandelt sich das Wasserbassin im Sommer als Planschbecken, in dem warm gelaufene Füße Erfrischung finden. Skater sorgen außerdem bei dem fußmüden Publikum mit ihren Sprungkünsten für Unterhaltung. Gut vorbereitete Eltern zücken hier (oder wenn sie im Restaurant in Ruhe speisen wollen) wie selbstverständlich eine Malvorlage aus der Tasche, bei der der Tour d`Eiffel Punkt-für-Punkt nachgezeichnet oder ausgemalt werden muss. Tolle Vorlagen mit Pariser Themen findet man im Internet, u.a. hier – ebenso wie einen Bastelbogen für Ältere.
Hoch hinaus geht es, wenn man den ehemaligen Künstlerstadtteil Montmartre besuchen möchte. Schon direkt nach verlassen der Metrostation muss man 90 Treppenstufen erklimmen, bevor das Tageslicht wieder erreicht hat. Für Kinder ist das meist kein Problem – vor allem, wenn sie versuchen, die Stufen zu zählen und gleichzeitig noch gespannt auf die abwechslungsreichen Gemälde unter den Treppengeländern schauen. Vor allem die Aussicht auf die Funiculaire-Fahrt spornt bei dem kurzen folgenden Fußmarsch an. Die Standseilbahn mit ihren merkwürdig aussehenden Wagen kann man mit dem Metro-Tagesticket benutzen und sich so eine stattliche Anzahl an Treppenstufen hinauf zur beeindruckenden Basilika Sacre Coeur sparen.
Spaziert man nach Erkundung des strahlend weißen Gotteshauses die unzähligen Treppenstufen wieder herunter, so fällt am Fuße der Sacre Coeur neben dem antiken Karussell auch einen kleinen Spielplatz mit Klettermöglichkeiten, der Kinder im Kindergartenalter eine willkommene Abwechslung bietet, ins Auge. Nur ein paar Schritte entfernt findet sich zwischen den unzähligen Souvenirläden ein kleiner Supermarkt in dem man sich mit ein paar Erfrischungen eindecken kann. An Stufen, auf denen man sich niederlassen kann, um ein Eis zu schlecken oder einen Moment auszuruhen, mangelt es in Montmartre ohnehin nicht.
In einem Punkt ist Paris allerdings alles andere als Vergnügungssteuerpflichtig: Mal düst eine Vespa mit voll aufgedrehtem Gashahn über den Troittor, mal ignoriert die Fahrerin des schwarzen Kleinwagens die rote Ampel und brettert über den Zebrastreifen. Aber auch das ist Paris. Sowohl die Jugendlichen Vespa-Fahrer als auch die sonnenbebrillte Kleinwagenfahrerin: Beide treten nach ihrem Fauxpas voll in die Bremsen, beide setzen das charmanteste Lächeln unter der Sonne auf und rufen durch den Helm und die herunter gelassene Scheibe: „Excusez moi, Monsieuer! Exkusez moi, Madame, excuse moi, mon petit!“, bevor sie weiter brettern.
Und noch eine weitere Herausforderung bietet die Stadt der Liebe für Besucherfamilien. Wer mit Kinderwagen oder Buggy unterwegs ist, wird an den U-Bahnen sicher bald Verzweifeln. Fahrstühle gibt es so gut wie nie, funktionierende Rolltreppen selten, dafür aber kilometerlange Stufen. Zudem sind die Metros zu Stoßzeiten so voll, dass schlichtweg kein Platz für diese fahrbaren Untersetzer ist. Die Strecken, die zu Fuß zu erledigen sind, kann man, bei geschickter Wahl der Transportmittel überschaubar halten und Papa kann vielleicht hier und da eine tragende Rolle übernehmen und die Kleinsten schultern.
Allgemeine Infos: http://de.rendezvousenfrance.com
Anreise: Paris ist von Deutschland aus bequem mit dem Thalys zu erreichen. Direktverbindungen bestehen von Essen, Duisburg, Düsseldorf, Köln und Aachen zum Gare du Nord. Die Fahrzeit von Köln beträgt lediglich 3:15 Stunden. Tickets sind schon ab 35 Euro erhältlich. Buchungen und Informationen unter www.thalys.com/de.
Bootsausflüge auf der Seine: Täglich zwischen 10 und 19 Uhr, acht Haltestellen, darunter am Notre Dame, in der Nähe des Louvre und des EifFelturms, eine komplette Rundfahrt dauert ca. 40 Minuten. Preise: pro Tag 15 Euro (Kinder unter 16 Jahren 7 Euro), Kinder unterdrei Jahren sind frei. Mehr unter www.batobus.com
Übernachten: Mövenpick Hotel Paris Neuilly, 58 Boulevard Victor Hugo, 95220 Neuilly sur Seine, Telefon 0033-(0)1-5563-6374, hotel.paris.reservation@moevenpick.com, www.moevenpick-hotels.com. Das Vier-Sterne-Hotel liegt etwa 700 Meter vom U-Bahnhalt Les Sablones. Von dort ist der Eiffelturm bequem mit den U-Bahnlinien 1 und 6 binnen 20 Minuten zu erreichen.
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Mortimer
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