Chinas neue Zwei-Fliegen-Politik

Zugegeben, ob seiner Andersartigkeit kommt China manchem Asien-Reisenden schnell mal irgendwie Spanisch vor. Als neue Wirtschaftsmacht ist das Reich der Mitte nicht erst seit den Olympischen Spielen 2008 in Peking massiv bemüht, die touristische Infrastruktur zu verbessern. Gewohnheiten, wie das Spucken beim Essen auf den Tisch, sind jedoch so tief in dem Milliardenvolk verwurzelt, dass sie wohl auch weiterhin zum China-Bild gehören wie die Unmengen an Fahrrädern, die sich durch die hoffnungslos überfüllten Straßen der Innenstädte schieben. Obschon die Drahtesel mehr und mehr von Motorrädern und Rollern verdrängt werden.

Einen eiskalten Schauer lässt vielen China-Reisenden auch immer wieder der Zustand öffentlicher Toiletten über den Rücken laufen. Da gibt es Bedürfnisanstalten, die aus einem großen Raum mit wassergespülter Rinne bestehen, über der ein halbes Dutzend Chinamänner (oder -frauen) mit heruntergelassener Hose hockt, um scheinbar einen Weltrekordversuch im Simultan-Pullern aufzustellen. Ein Anblick, der selbst bei einer bis zum Zerbarsten gefüllten Blase, nicht wenige davon überzeugt, dass sie doch gar nicht so nötig müssen und locker noch bis zur abendlichen Heimkehr ins Hotel aushalten können.

Auch der Hygienezustand vielen WC-Anlagen, der selbst bei verstopfter Nase oft drei Meilen gegen den Wind mit dem Riechkolben wahrgenommen werden kann, ist berühmt-berüchtigt. Nun darf aber kollektiv aufgeatmet werden. Denn die chinesische Regierung hat qua Gesetz den Zustand der Toiletten neu geregelt. So sind ab sofort Wasser- und Urin-Lachen auf den Böden der sanitären Anlagen auf Flughäfen, Bahnhöfen, in Krankenhäusern und Parks nicht mehr gestattet.

Außerdem wurde dem Ort, an dem viele dem Ruf der Natur folgen, ein Regelwerk für Mutter Natur auferlegt. Die Erben Mao Tse-tungs haben nämlich dafür Sorge zu tragen, dass pro Stillem Örtchen maximal zwei Fliegen anzutreffen sind. Wobei es egal ist, ob diese tot oder lebendig sind. Nach der jahrelang praktizierten Ein-Kind-Politik ist die Regierung nun also wild entschlossen, konsequent auch eine Zwei-Fliegen-Politik zu verfolgen.

Bleibt nur zu hoffen, dass auch die ungeliebten Brummer dies akzeptieren und schnell eine Fliege machen. Andernfalls droht ihnen – wie anderen Delinquenten in China auch – die Todesstrafe. Man kann davon ausgehen, dass diese direkt vor Ort ohne jeden Richterspruch mit einem Genickschlag vollstreckt wird. Vermutlich werden selbst die Scharfrichter des Landes, die bis dato keiner Fliegen etwas antun konnten, eigens für diesen Zweck mit einer Fliegenklatsche ausgestattet. Gesetz ist schließlich Gesetz.

Buchtipp – weitere Kolumnen aus der Feder des Autors: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.


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