Winchester Mystery House – das kuriose Geisterhaus von San José

Das Winchester Mystery House gilt als wohl größtes Kuriosum in der amerikanischen Baugeschichte. (Foto Visit San José)

Einige böse Zungen behaupten, Sarah Winchester, die Alleinerbin des legendären Gewehrherstellers, hätte den Schuss nicht gehört. Ein hartes Urteil, das mit Blick auf das Winchester Mystery House im kalifornischen San José auf mannigfaltige Art und Weise Bestärkung findet. Denn das gigantische Holzhaus nur einen Steinwurf von der Prachteinkaufsmeile an der Santana Row entfernt, gilt mit seinen 160 verwinkelten Räumen als ein labyrinthähnliches Kuriosum. „Sarah Winchester war auf ihre Art wohl die erste namhafte Designerin und Erfinderin im heutigen Silicon Valley“, flachst Mariah Kampschafi mit Blick auf die ungewöhnliche Lebensgeschichte und die nicht enden wollende Bausucht der steinreichen Frau.

Bauarbeiten ohne jeglichen Plan

Sarah Winchester war 38 Jahre lang die treibende Kraft für die permanenten Bauarbeiten. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Sarah Winchester war 38 Jahre lang die treibende Kraft für die permanenten Bauarbeiten. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Nicht weniger als 38 Jahre lang ließ Sarah Winchester das Anwesen aus- und umbauen – zunächst bis zum schweren Erdbeben im Jahre 1906 in die Höhe, danach in die Breite. „Es gibt keinerlei Aufzeichnungen über die Bauarbeiten, was reichlich Raum für Spekulationen lässt“, ergänzt Mariah mit Blick auf die ungewöhnliche Geschichte des Anwesens und die Bauherrin, die zu den reichsten Frauen ihrer Zeit gehörte.

Überaus prachtvoll muten einige Räume - wie hiert der große Ballsaal - noch heute an. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Überaus prachtvoll muten einige Räume – wie hiert der große Ballsaal – noch heute an. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Vermutlich im Jahre 1840 hatte Sarah Lockwood Pardee in New Haven in Connecticut als Tochter eines Wagenbauers das Licht der Welt erblickt. Mit 22 Jahren gab sie William Wirt Winchester, dem einzigen Spross des gleichnamigen Waffenherstellers, das Jawort. Doch das Glück sollte trotz des schier unvorstellbaren Reichtums nicht von langer Dauer sein. 1866 verstarb die einzige Tochter des Paares mit nur vier Jahren; 1881 folgte ihr William ins Grab.

Fluch der Winchester-Gewehre?

Mindestens ein Viertel der Räume wurde als Schlafzimmer genutzt. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Mindestens ein Viertel der Räume wurde als Schlafzimmer genutzt. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Bis heute gibt es mehr Fragen als Antworten zur Person und Motivation von Sarah Winchester“, weiß Mariah zu berichten, dass die trauernde Witwe kurz nach dem Tod ihres Mannes wohl ein Medium kontaktierte. Die Wahrsagerin soll ihr geraten haben, in den Westen des Landes zu ziehen. Sie solle dort ein Haus errichten, aber niemals aufhören zu bauen, da sie sonst die Geister derer, die mit den Waffen von Winchester getötet wurden, holen würden.

Bei der Wahl der Baumaterialien legte Sarah Winchester stets Wert auf beste Qualität. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Bei der Wahl der Baumaterialien legte Sarah Winchester stets Wert auf beste Qualität. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Und das waren Unzählige, vor allem Indianer. Denn die berühmten Repetiergewehre, die erstmals das Schießen ohne ständiges Nachladen ermöglichten, wurden nicht von ungefähr als „The Gun that won the West“, als das „Gewehr, das den Westen eroberte“, bezeichnet.

Ursprünglich nur acht Zimmer

Für die damalige Zeit besaß das Winchester Mystery House eine hypermoderne Waschküche. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Für die damalige Zeit besaß das Winchester Mystery House eine hypermoderne Waschküche. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Und so gipfelte die kuriose Prophezeiung in einem wohl weltweit einmaligen Bauprojekt: 1884 erwarb Sarah Winchester ein eher bescheidenes Farmhaus mit acht Zimmer in San José. Ein Gebäude, das in den kommenden 38 Jahren bis zu ihrem Tode zu einer Dauerbaustelle werden sollte.

Auch ein eigens Nähzimmer fehlte nicht. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Auch ein eigens Nähzimmer fehlte nicht. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Offenbar getrieben von der Angst, die Geister der Winchester-Opfer könnten sie tatsächlich heimsuchen, ließ Sarah ständig neue Gänge, Treppen und Zimmer anlegen, um die Gestalten aus dem Jenseits zu verwirren“, weiß Mariah zu berichten, dass Sarah Winchester, um sicher zu gehen, wohl jede Nacht in einem anderen Raum übernachtet habe.

Treppen, die ins Nichts führen

Sarah Winchester soll jede Nacht in einem anderen Zimmer geschlafen haben. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Sarah Winchester soll jede Nacht in einem anderen Zimmer geschlafen haben. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Rund um die Uhr wurde dem Vernehmen nach gewerkelt. Entstanden sind dabei nicht nur 160 unterschiedlich große Zimmer, sondern auch zahlreiche Verrücktheiten. So gibt es Türen, hinter denen nur ein Wand zu finden ist. Eine andere Tür öffnet sich ins Nichts und würde Ahnungslose in den Tod stürzen lassen. Hinzu kommen Treppen, die einfach in der Decke enden oder Treppen, die ohne Sinn und Zweck sieben Stufen hinauf und dann wieder elf Stufen hinunter führen. Und einige Eingänge und Flure sind so schmal oder niedrig, dass kein normal gewachsener Mensch hindurchgehen kann.

Das Haus verfügt über nicht weniger als 47 Treppenaufgänge, von denen einige im Nichts enden. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das Haus verfügt über nicht weniger als 47 Treppenaufgänge, von denen einige im Nichts enden. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Sarah Winchester verbaute für die damalige Zeit die unvorstellbare Summe von 5,5 Millionen Dollar“, präsentiert Mariah noch weitere faszinierende Zahlen zum Winchester Mystery House: Mindestens 40 der 160 Räume dienten als Schlafzimmer. Es gab 47 Treppen, sechs Küchen, drei Speiseräume, 13 Badezimmer, zwei Ballsäle, zwei Keller, vier Aufzüge, 47 Kamine, 2.000 Türen und sage und schreibe 10.000 Fenster.

Zwei eingebaute Gewächshäuser

Äußerst prunkvoll irkt auch das Speisezimmer, in dem immer wieder wie von geisterhand Gabeln vom Tisch plumpsen sollen. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Äußerst prunkvoll irkt auch das Speisezimmer, in dem immer wieder wie von geisterhand Gabeln vom Tisch plumpsen sollen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Im Haus fanden sich sogar zwei integrierte Gewächshäuser mit eigenem Bewässerungssystem, in denen Sarah Winchester Pflanzen aus 110 Ländern der Erde zusammengetragen hatte“, betont Mariah, dass die Hausherrin, die stets schwarze Kleidung und einen Schleier vor dem Gesicht getragen haben soll, bei der Wahl des Materials stets hohe Qualitätsansprüche an den Tag legte. Dies spiegeln noch heute die kostbaren Tapeten, wertvolle Tiffany-Gläser sowie das verwendete Mahagoni-, Teak- und Rosenholz wieder. Auch eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Warmwasserdusche und Knöpfe zum Anschalten der Gaslampen ließ Winchester installieren.

Viele Räume blieben nach dem Tod von Sarah Winchester unvollendet. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Viele Räume blieben nach dem Tod von Sarah Winchester unvollendet. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Durch die repräsentative Haustür durfte niemand gehen“, berichtet Mariah, dass angeblich sogar der Präsident eines Tages am Haus der Winchesters geklopft haben soll und Sarah ihn aufgefordert habe, den Boteneingang zu benutzen. Daraufhin soll das beleidigte Staatsoberhaupt wortlos wieder verschwunden sein.

Schweres Erdbeben als Warnun der Geister

Das große Ersatzteillager hält noch heute genügend Material für etwaige Reperaturen vor. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das große Ersatzteillager hält noch heute genügend Material für etwaige Reperaturen vor. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die öffentlichkeitsscheue Sarah ließ sich auch eine riesige Kutschenhalle bauen, in der das Gefährt samt Pferden einfahren konnte, so dass die Hausherrin auch bei schlechtem Wetter trockenen Fußes aussteigen konnte.

Nur etwa ein Drittel aller Räume ist heute noch möbiliert. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Nur etwa ein Drittel aller Räume ist heute überhaupt noch möbiliert. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Als 1906 ein verheerendes Erdbeben Kalifornien erschütterte, stürzten Teile des Holzhauses ein – darunter der siebenstöckige Turm. Eine Naturkatastrophe, die Sarah als Warnung aus der Geisterwelt interpretierte. Statt weiter nach oben zu expandieren, ließ sie das nun nur noch maximal vierstöckige Haus zu allen Seiten in der Breite weiter wachsen.

Unnatürliche Geschehnisse im Geisterhaus

Auch Besonderheiten wie dieses kleine Marmorwaschbecken sind in dem Haus zu finden. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Auch Besonderheiten wie dieses kleine Marmorwaschbecken sind in dem Haus zu finden. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Nach Sarahs Tod am 5. September 1922 haben die Handwerker sofort alles stehen und liegen gelassen“, erläutert Mariah, warum nicht wenige Räume noch heute an eine Baustelle gemahnen. Aber gerade das macht einen Teil des Charmes in dem hölzernen Labyrinth aus. Ebenso wie die nicht enden wollenden Geschichten und Anekdoten über die „schwarze Witwe“, deren Geist irgendwie allgegenwärtig scheint.

Nach Einbuch der Dunkelheit wirkt das Winchester Mystery House noch geheimnisvoller. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Nach Einbuch der Dunkelheit wirkt das Winchester Mystery House noch geheimnisvoller. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Manche behaupten sogar, in dem Winchester Mystery House würden unnatürliche Dinge vorgehen und tatsächlich Geister ihr Unwesen treiben. Fakt ist, zumindest mit Blick auf die permanente Bautätigkeit hat der Spuk in Kaliforniens berühmtesten Haus schon lange ein Ende. Weitere Informationen unter www.winchestermysteryhouse.com.

Ein filmisches Denkmal

Nicht nur im Haus selber, sondern auch in einem Hollywoodfilm ist die Geschichte der Sarah Winchester allgegenwärtig. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Nicht nur im Haus selber, sondern auch in einem Hollywoodfilm ist die Geschichte der Sarah Winchester allgegenwärtig. (Foto Karsten-Thilo Raab)

2018 erschien „Winchester − Das Haus der Verdammten“ mit Helen Mirren in der Rolle der Sarah Winchester. Der Kinofilm rückt dabei auch die Geschichte des Hauses anschaulich ins Bild. Gedreht wurde übrigens tatsächlich im Winchester Mystery House.

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