Warth-Schröcken – die stille Arlberg-Seite

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Postkartenidyll: der Körbersee in Warth-Schröcken. – Foto: Klaus Pfenning

„Atem der Berge“ lautet das gemeinsame Motto der beiden Arlberg-Gemeinden Warth und Schröcken. Sie liegen auf der Nordseite des Bergmassivs, als südliche Fortsetzung der Allgäuer Alpen. Und sie stehen für eine naturverbundene, ruhige Form des Tourismus.

Der Arlberg. Im Winter ist das für viele der steppende Après-Ski-Bär beim Mooserwirt oberhalb von St. Anton. Oder royale Gäste in St. Christoph mit ebenso royalen Hotelpreisen. Dazu die High-Snowciety im mondänen Lech oder auch im Hoteldorf Zürs, das im Sommer in einer Art Wachkoma liegt. Der genaue Gegenentwurf zu diesen Magneten am Arlberg sind, nicht nur in der kalten Jahreszeit, die eher verschlafen daherkommenden Walserdörfchen Warth und Schröcken auf der nördlichen Seite.

Verbunden durch ein Skigebiet

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Eindeutig: viele Wege führen nach überall. – Foto: Klaus Pfenning

Radiohörern ist zumindest der Name Warth seit Jahrzehnten vertraut. „Die Strecke von Lech nach Warth ist gesperrt“, heißt es im Winter traditionell. Wegen Lawinengefahr im steilen, engen oberen Lechtal. Verbunden sind die beiden Orte im Winter nur über Skipisten und den 2013 eröffneten Auenfeldjet. Zwischen Lech und Warth liegen sieben Kilometer – und Welten in der Tourismusphilosophie. Warth hat 180 Einwohner, Schröcken gut 200, beide trennt der knapp 1.700 Meter hohe Hochtannbergpass.

„Manche Gäste lachen“, sagt Bürgermeister Stefan Strolz: „180 Einwohner – das ist bei uns ein kleines Hochhaus.“ Vielleicht mit dem Unterschied, dass die Bewohner der ersten Etage die der dritten gar nicht kennen. In Warth ist das anders, in Schröcken auch, hier kennt jeder jeden. Seit einigen Jahren bilden beide Gemeinden eine Tourismusgemeinschaft, setzen auf den „Atem der Berge“.

Atemstunde mit Anleitung

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Konzentriert: Atemtherapeutin Carmen Drexel. – Foto: Klaus Pfenning

Wir testen diesen Atem an einem verlängerten Wochenende. Wo man das am besten beginnt? Natürlich bei einer Atemstunde bei Atemtherapeutin Carmen Drexel aus Warth. Der Kurs findet im schmucken Kindergarten der Gemeinde statt. In Warth waren Kindergartenkinder vor wenigen Jahren noch Fehlanzeige, heute sind es wieder rund ein Dutzend. „Das verändert das Sozialleben in einer so kleinen Gemeinde stark“, freut sich Dorfoberhaupt Strolz. In Warth heißt gefühlt fast jeder Zweite Strolz, in Schröcken heißt man Schwarzmann.

Bei Carmen Drexel lernen wir, unsere Atembewegungen zu spüren, das Zwerchfell zu aktivieren, zu schnüffeln, stoßzuatmen. Wir erfahren, was es mit der Hawaiianischen Piko-Piko-Atmung auf sich hat. Vor allem aber lernen wir, bewusst zu atmen. Und dass Atmen mehr ist, als die Lungen mit lebensnotwendigem Sauerstoff zu füllen. Sondern den ganzen Körper mit Energie.

Bodenständiger Olympiasieger

Charismatisch: Ex-Olympiasieger Hubert Strolz. – Foto: Klaus Pfenning

Sehr viel Energie hat auch noch die Wartherin Wiltrud Drexel. 1972 gewann sie bei den Olympischen Winterspielen in Sapporo die Bronzemedaille im Riesenslalom, zuvor den Weltcup in der Abfahrt. Mit heute 73 steigt sie fast noch täglich hinauf auf die Berge und füttert Murmeltiere. Auch Olympiasieger Hubert Strolz wurde in Warth geboren, lernte hier das Skifahren fast so schnell wie das Laufen – und lebt noch immer hier. Warth war schon früher ein Skifahrerdorf. Was wollte man auch machen, in den langen Wintern vor SUV, WLAN und Whatsapp.

Am nächsten Morgen brechen wir am Hochtannbergpass auf zu einer kleinen Wanderung an den Körbersee. Zweimal schon wurde das kleine Gewässer am Fuß der Juppenspitze von den Österreicherinnen und Österreichern zum schönsten Platz des Landes gekürt. Sicherlich nicht zu Unrecht, bietet doch das Gesamtpaket aus Wasser, Bergen, blauem Himmel, grünen Weiden und bimmelnden Kühen das perfekte Postkartenmotiv. Bei der Tour mit dabei ist die Kräuterpädagogin Daniela Pfefferkorn. Für das ungeübte Auge wächst am Wegesrand einfach nur viel Grün. Für Pfefferkorn ist es ein kleines Paradies. „

Enorme Pflanzendichte und -vielfalt

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Versiert: Kräuterexpertin Daniela Pfefferkorn. – Foto: Klaus Pfenning

Auf einem Quadratmeter wachsen bis zu 20 unterschiedliche Pflanzen“, weiß sie aus Erfahrung. Für nahezu alles, egal ob Blätter, Blüten, Stengel oder Wurzel findet sie in irgendeiner Form eine Verwendung. Der Klappertopf hilft nach ihrer Überzeugung gegen Angstzustände, der Frauenmantel dient dem allgemeinen Wohlbefinden der Frau. Blutwurz helfe als Tinktur gegen Magen-Darm-Beschwerden oder auch Zahnschmerzen. Der Silbermantel alias Männerkraut sei wiederum gut für die Prostata. Wer allerdings eine maskulin daherkommende Pflanze erwartete, der wird enttäuscht.

Das Männerkraut ist eher ein Kräutlein, kaum größer als Klee. Da lacht auch unser Wanderführer, der Bürgermeister von Schröcken: Herbert, mit Nachnamen natürlich Schwarzmann. Am Berghaus Körbersee stärken wir uns mit einer typisch regionalen Spezialität: Käsefladen, einem Hefeteig mit einer Mischung aus Eiern, Milch, kleingeschnittenen Zwiebeln und einer guten Portion geriebenem Bergkäse obendrauf.

Adrenalin pur beim Canyoning

Startklar: ab ins eiskalte Wasser. – Foto: Klaus Pfenning

Wer die pure Natur auf eine ganz andere Art erleben möchte, der sollte in Schröcken mit einem Guide zu einer Canyoning-Tour aufbrechen. Eingepackt in dicke Neopren-Anzüge steigen wir ins kalte Wasser des Seebachs und beginnen zu wandern. Oder tun zumindest so. Dank einer speziellen Gummimischung unserer Schuhsohlen kleben wir wie Geckos an den glitschigen Steinen. Wir stemmen uns gegen die unbändige Kraft des Gebirgsbachs, waten durch hüfthohes Wasser, rutschen auf dem Hintern 10, 15, 20 Meter sanft die rundgespülten Felsen hinab, seilen uns sechs Meter neben und auch in einem Wasserfall hinunter, springen aus zwei Metern in einen tiefen Gumpen. Das Adrenalin in unseren Adern weicht zunehmend einem zufriedenen Grinsen im Gesicht.

Olympiasieger Hubert Strolz hat schon lange das Adrenalin gegen den ruhigen Atem der Berge getauscht. 1988 wurde er in Calgary Olympiasieger in der Alpinen Kombination. Das selbe Kunststück in der selben Disziplin gelang seinem Sohn Johannes 2022 in Peking. Hubert Strolz war mehr Techniker als Abfahrer, beim Gedanken an die „Streif“ in Kitzbühel muss er noch immer tief durchatmen. Der 61-Jährige lebt bis heute in Warth und bewirtschaftet nebenbei eine kleine Alm mit zwölf Tieren, darunter fünf Milchkühe.

Almbetrieb aus Tradition

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Typisch: das Walser Hus in Warth. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Nötig hätte er das nicht, „aber das ist eine ungeschriebene Familientradition“, sagt der noch immer schlanke und durchtrainierte Mann. Die Alm bewirtschaftet Strolz nach biologischen Kriterien und ausschließlich mit heimischen Rassen. Dafür nimmt er gerne in Kauf, dass die Kühe nur 20 Liter Milch am Tag geben und nicht 50 wie eine Hochleistungskuh. In der Lechtaler Naturkäserei im benachbarten Steg verwandeln sie sich herrlich aromatischen Bergkäse, Heumilch-Camembert, Brie oder Almbutter

. Rund 20 Bergbauern liefern in der kleinen, aber feinen Käserei den weißen Rohstoff ab. Wir treffen Hubert Strolz im Alten Sennhaus in Warth, wo Senner Kurt Sojer die Produkte verkauft und eine kleine Vesperstube betreibt. Nach anderthalb äußerst kurzweiligen Stunden verabschiedet sich der Olympiasieger. Er müsse jetzt auf seine Alm, sagt er fast schon entschuldigend. Zum Mähen, das Wetter sei gerade so schön. Den Atem seiner Heimatberge Berge gibt es täglich kostenlos dazu. Weitere Informationen unter www.warth-schroecken.at.


Die Recherche fand auf Einladung/mit Unterstützung von Warth-Schröcken Tourismus und Hansmann PR statt.