Schenna selber liegt schon auf 570 Metern über dem Meeresspiegel. Zwischen Apfel-Plantagen und Weinreben geht es hinauf zum leicht begehbaren Waalweg. Steil und schweißtreibend ist der Aufstieg. Als Lohn warten bei jeder Verschnaufpause herrliche Blicke auf die 3.000-Seelen-Gemeinde und das weite Tal rund um das benachbarte Meran. Nicht wenige haben hier voller Leidenschaft die Wanderstiefel geschnürt, wohl wissend, dass die famosen An- und Aussichten alle Strapazen schnell vergessen lassen.
Gut gelaunt folgen sie auf Schusters Rappen dem von Menschenhand geschaffenen Wasserband und sorgen hier und da für akute Sprachverwirrung. Mal folgt der obligatorische Gruß anderer Wanderer auf Deutsch, mal auf Italienisch, manchmal reicht es auch nur zu einem saloppen „Hi“. Mal fließt der Waal rauschend und donnert an einem vorbei, dann gibt es wieder Stücke, wo das Wasser ob der geringen Geschwindigkeit fast zu stehen scheint.
Uraltes Bewässerungssystem
So oder so gelten die Waalwege rund um Schenna als ein offener Geheimtipp für alle, die entspannt Südtirols atemberaubende Natur genießen möchten. Die uralten Bewässerungswege wurden bereits im 13. Jahrhundert von den Einheimischen angelegt, um das kostbare Wasser aus den Bergen zu den Feldern zu leiten. Geringe Niederschlagsmengen zwangen die Bauern bereits damals, ein ausgeklügeltes Bewässerungsnetz zu konzipieren. Als nie versiegende Quelle dienten die umliegenden Bergmassive, von denen das Wasser jeweils im Frühling „eingekehrt“ wird. Bis ins 19. Jahrhundert kultivierten die Bauern im Meraner Land und im benachbarten Vinschgau so ihre landwirtschaftlichen Flächen.
Um die Instandhaltung der Kanäle und die gerechte Verteilung des Wassers kümmert sich seit jeher ein sogenannter Waaler. Für die problemlose Verrichtung seiner Arbeit sind die parallel verlaufenden Wege einst angelegt worden. Heute dienen sie zusätzlich als idyllische Wanderwege, die sich entlang der steilen Hänge schlängeln und einen herrlichen Ausblick auf das Meraner Land bieten.
Verzweigte Wasserwegenetz
In Schenna verlaufen mit dem Maiser und dem Schenner Waal gleich zwei der wohl attraktivsten Kulturdenkmäler, beide Teil der großen Waalrunde rund um das Meraner Talbecken. Auf meist flachen Wegen folgen Wanderer ihrem verzweigten Netz und lernen dank aufschlussreicher Beschilderung ganz nebenbei jede Menge über die örtliche Landwirtschaft. Das sanfte Plätschern des Wassers begleitet einen auf Schritt und Tritt und sorgt für eine angenehme Entspannung. Die frische Bergluft und das satte Grün der umliegenden Wiesen und Wälder tun ihr Übriges, um die Sinne zu beleben.
Von der Waaler Hütte oberhalb des Ortsteils Verdins folgen Wanderer auf dem 5,5 Kilometer langen Schenner Waalweg dem ruhigen Plätschern des Waals in Richtung Talstation der Seilbahn Taser. Dort verläuft der Waalweg südwärts über die romantische Steintreppe „Katzenleiter“ und den Brunjaunhof bis zum Weiler St. Georgen. Dessen Prunkstück ist die Rundkirche aus dem 12./13. Jahrhundert mit ihren Fresken und einem gotischen Flügelaltar.
Mausoleum mit Strahlkraft
Eine nicht minder schöne Runde startet im Zentrum Schennas und führt über den Mitterplattweg durch Apfelgärten zum Maiser Waalweg. Zurück geht es über den Wald- oder den Riffianerweg in die Ortsmitte, wo Schloss Schenna thront. Der Prachtbau datiert aus dem Jahre 1350 und ist heute noch im Besitz der Grafen von Meran.
Zum Schloss gehört auch ein prachtvolles Mausoleum aus rotem Sandstein und Granit, das als einer der außergewöhnlichsten Sakralbauten der Neugotik im 19. Jahrhundert gilt. Bei einer Englandreise im Jahre 1815 lernte Erzherzog Johann von Österreich den damals hochmodernen, historistischen Stil kennen und lieben. Seinem sehnlichsten Wunsch entgegenkommend, „dass sein Haupt einst in Tiroler Erde ruhen möge“, ließ Sohn Franz Graf von Meran die Grabstätte für seinen Vater am Kirchhügel der Gemeinde oberhalb von Meran errichten.
Prachtvolle Gotteshäuser
Als der Erzherzog am 11. Mai 1859 im Alter von 77 Jahren starb, bestattete man ihn zunächst im Mausoleum des Grazer Doms. Zehn Jahre später wurde sein Leichnam nach Schenna überführt und dort am 24. Juni 1869 unter großer Anteilnahme der örtlichen Bevölkerung im Mausoleum beigesetzt. Unterirdisch befindet sich die Gruftkapelle, die von einem schweren Kreuzrippengewölbe überdacht wird. Dort ist auch der reich verzierte Marmor-Sarkophag von Erzherzog Johann und seiner Gattin zu besichtigen.
Mit der Wallfahrtskirche Maria Himmelfahrt verfügt Schenna zudem über einen weiteren bedeutendsten Sakralbau aus der Zeit um das Jahr 1200. Das Gotteshaus besticht durch ihre gotische Architektur und beherbergt wertvolle Kunstschätze, darunter prächtige Altäre und Fresken. Aus derselben Epoche stammt die ebenfalls sehenswerte Rundkirche St. Georg mit ihren romanischen und gotischen Fresken.
Kulinarische Gaumenfreuden
Auch kulinarisch hat Schenna einiges zu bieten. Die traditionelle Südtiroler Küche verwöhnt mit einer Vielzahl an Gaumenfreuden, die aus frischen, regionalen Zutaten zubereitet werden. Ein absolutes Muss ist beispielsweise die Südtiroler Speckknödel-Suppe, eine herzhafte Suppe mit würzigen Speckknödeln, die perfekt zu einem kalten Tag passt. Ebenso beliebt sind Gerichte wie Schlutzkrapfen, eine Art gefüllte Teigtaschen, und Kaiserschmarrn, ein süßes Gericht aus zerrissenem Pfannkuchen mit Rosinen und Puderzucker. Nicht zu vergessen sind die zum Teil exzellenten Weine, die in diesem Teil von Südtirol hergestellt werden.
Alles in allem ist Schenna ein lohnendes Ziel für alle, die auf der Suche nach unberührter Natur, kulturellen Schätzen und kulinarischen Genüssen sind. Ein perfekter Ort, um einfach mal die Seele baumeln zu lassen und neue Energie zu tanken. Weitere Informationen unter www.schenna.com.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.