Tallinn ist 2023 Grüne Hauptstadt Europas

Grüne Hauptstadt
Tallin rückt 2023 als Grüne Hauptstadt Europas in den internationalen Fokus. – Foto: Visit Estonia/Kaupo Kalda

Liebe zur Natur ist Teil der estnischen DNA. Die Hütte am See, Beeren- und Pilzsammeln im Herbst, Wandern in Wald und Moor – das alles ist den Esten heilig. Buchstäblich, denn vor der Christianisierung waren sie spirituell in der Natur verankert, und noch heute sind ihnen Erdgeister nicht fremd. Während der sowjetischen Besatzung stärkte die Nähe zur Natur ihre nationale Identität. Heute entstehen aus ihr zahlreiche grüne Initiativen. Auch und vor allem in Tallinn, das 2023 Grüne Hauptstadt Europas wird.

Vom Schnellschuss zum globalen Projekt

Natürliche Vielfalt – wie hier Saaremaa – gehört zu den Pfunden, mit denen Estland wuchern kann. – Foto:  Visit Estonia/Priidu Saart

Gute Ideen sofort umzusetzen, zählt zu Estlands Kernkompetenzen. Auch beim Umweltschutz. So taten sich 2008 fünfzigtausend Esten zusammen, um fünf Stunden lang Müll zu sammeln. Es war die Geburtsstunde einer weltweiten Bewegung. Zehn Jahre später befreiten beim ersten World Clean-up Day 18 Millionen Menschen in 157 Ländern ihre Umwelt binnen eines Tages von Millionen Tonnen illegal entsorgten Mülls. Heute ist die einst von tatkräftigen Esten initiierte Maßnahme die größte Freiwilligen-Aktion der Welt im Kampf gegen den Müll. Auch im Tourismus setzt Estland auf Umwelt- und Klimaschutz. Nachhaltigkeit ist eines der strategischen Ziele der Tourismusförderung des Landes. Seit 2021 ist Estland zudem Mitglied des Globalen Rats für nachhaltigen Tourismus (Global Sustainable Tourism Council). Die gemeinnützige Organisation legt Standards für eine nachhaltige Entwicklung im Reisesektor fest.

Bienen, Bikes und Null-Euro-Ticket

Grüne Hauptstadt
Auch das ist die Grüne Hauptstadt 2023: Ein Bienenstock auf dem Dach der Universität Tallinn. – Foto: Visit Estonia

Nachhaltigkeit erfordert langfristiges Engagement. Auch Tallinns Auszeichnung als Grüne Hauptstadt Europas 2023 hat eine Vorgeschichte. So bot die Hauptstadt ihren Bewohnern schon 2013 die kostenfreie Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Bis 2035 soll der ÖPNV dazu CO2-neutral werden. Tram-Bahnen werden bereits zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben. Weitere Kriterien für den Titel: Jeder Bezirk Tallinns verfügt über öffentliche Gärten; insgesamt ist ein Drittel der Fläche der Stadt von Grünflächen bedeckt. 80 Bienenstöcke auf öffentlichem Grund und 300 Kilometer Radwege beweisen, dass Tallinn Natur und nachhaltigem Lebensstil Raum gibt. Biodiversität, die Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks und eine nachhaltige Verwaltung der Stadt sind ihre Ziele als Grüne Hauptstadt Europas. Im Herbst 2023 münden Projekte und Neuerungen in eine Messe zum Thema grüne Innovation.

Lokale Produkte und Zero Waste

Frische und Nähe bestimmen die Gerichtauswahl in Tallins Küchen. – Foto: Visit Estonia/Peeter Järvelaid

Saisonalität, Regionalität und Produkte aus der Natur wie Beeren, Pilze, Fisch und Wild sind seit jeher die Eckpfeiler der estnischen Küche. Mit diesem Ethos und konsequent nachhaltigen Konzepten haben estnische Restaurants jetzt die ersten Grünen Sterne im Guide Michelin für Estland errungen. Etwa das Restaurant Fotografiska, das in Tallinn schönste Blicke auf die Altstadt öffnet und nordische Gerichte nach Zero-Waste-Prinzip bietet. Alle Zutaten werden mit Stumpf und Stiel verarbeitet, 80 Prozent stammen aus der Umgebung, Kräuter und Honig vom eigenen Dachgarten. Auch das ebenfalls mit einem Grünen Stern ausgezeichnete Restaurant Põhjaka in einem ehemaligen Gutshof zwischen Tallinn und Tartu arbeitet hyperlokal. Gemüse, Obst und Kräuter kommen aus dem Garten. Das Team sammelt Pilze und Waldfrüchte, hält Hühner und Schafe, räuchert Fisch und Fleisch und betreibt eine eigene Brennerei.

Natur erleben, die Umwelt schonen

Nicht nur aus der Vogelperspektive ist Rakvere überaus spannend. – Foto: Visit Estonia/Simo Sepp

Nachhaltige Erlebnisse für Reisende und umweltbewusstes Handeln seitens der Urlaubsziele stehen im Fokus des internationalen Wettbewerbs „Green Destination“. Estland ist seit 2020 mit sieben Orten beteiligt: den Inseln Saaremaa und Hiiumaa, dem Badeort Pärnu, der Universitätsstadt Tartu, dem Bezirk Järva, dem Nationalpark Lahemaa sowie der Klimaneutralität anstrebenden Stadt Rakvere im Nordosten. Ihre Verwaltung ist im ersten annähernd ohne Energieaufwand operierenden öffentlichen Gebäude in Estland ansässig. Saaremaa wurde gleich im ersten Jahr zum Sieger des Nachhaltigkeitswettbewerbs gekürt. Neben einem hohen Maß an sozialer Verantwortung und zahlreichen Maßnahmen zum Umweltschutz punktete die Insel mit ihrem Naturreichtum: 36 der 38 in Estland heimischen Orchideenarten wachsen hier. Vogel- und Naturliebhaber können im Frühling und Herbst ungezählte Zugvögel auf der Durchreise beobachten.

Grüner Schlüssel zu gutem Schlaf

Zur Grünen Hauptstadt gehören auch grüne Unterkünfte. – Foto: Visit Estonia/Tonu Tunnel

Rund 20 Hotels, Ferien-Bauernhöfe und Gäste-Apartments in Estland tragen derzeit das Öko-Label Green Key. Das international vergebene Label gibt Standards zur umweltverträglichen Nutzung von Elektrizität, Heizung und Wasser vor und fördert ein ausgewogenes Verhältnis von Qualität, Komfort und umweltschonendem Betrieb. Die ausgezeichneten Betriebe in derzeit 57 Ländern werden jedes Jahr überprüft. Estnische Unterkünfte mit Green Key arbeiten zusätzlich zu den vorgegebenen Standards im kulinarischen Bereich mit Erzeugnissen aus der Umgebung und ermutigen Gäste zu Aktivitäten in der Natur und in Zusammenhang mit dem örtlichen Kulturerbe. Die Bandbreite der zertifizierten Unterkünfte mit grünem Schlüssel umfasst so unterschiedliche Häuser wie das moderne Park Inn by Radisson in der Hauptstadt und das elegante Boutique-Hotel Rosenplänter in einem historischen Bau im Badeort Pärnu. Weitere Informationen unter www.visitestonia.com.