Quellen der Weisheit; Brunnen des Lebens

Quellen
Als eine der Quellen der weisheit gilt auch der Wishing Well im irischen St. Mullins. – Foto Tourism Ireland

Wasser wird seit Urzeiten als die Quelle des Lebens betrachtet, zumal es für die Menschen oft genug ein knappes Gut war, immer noch ist und zunehmend wird: ein Geschenk der Götter, oft begehrt und umkämpft. Die Kelten glaubten, dass Quellen und Brunnen heilige Orte seien. Aber auch Seen, Tümpel und Teiche waren für sie verbunden und im Austausch mit der Anderwelt. Irlands großer Literat William Butler Yeats hat ihre Mystik in seiner keltisch mythologisch inspirierten Dichtung eindrucksvoll wiedergegeben.

In den Vorstellungen der keltischen Naturreligion beherbergte das Wasser Gottheiten und Feen. Ihm wurde Weisheit spendende und heilende Kraft zugeschrieben und folglich fand es nicht nur zum profanen Trinken oder Baden höchste Wertschätzung. Gewässer waren zu allen Zeiten auch magische und meditative Orte: die spirituelle Welt der Wassergeister. Ihre Verehrung, sich ausbreitende Riten und persönliches Gebet nährten und festigten über Jahrhunderte leichthin die Idee der Wunschbrunnen. Sie hat sich bis in die Gegenwart gehalten, in volkstümlichem Aberglaube und – infolge der späteren Christianisierung – in naiver Frömmigkeit: nun überformt von Heiligenlegenden. Die Rituale der Pilger, die zu solchen Orten kamen und kommen, folgen oftmals noch sehr alten, tradierten Mustern.

Im vorchristlichen Irland wurden solch heilige Orte zu besonderen Zeiten im keltischen Kalender besucht: zu Imbolc etwa, heutzutage am 1. Februar, oder an Beltane am 1. Mai, dem Sommeranfang. Dies gilt besonders für den 1. November, für Samhain, den Winterboten, wenn die Grenze zwischen Lebenden und Toten am durchlässigsten ist und das kleine Volk an heiligen Stätten gesehen werden kann. Manchmal wurden solche Wasserstellen markiert: mit Statuen der assoziierten Gottheit.

Auch den Wishing Steps am Blarney Castle werden magische Kräfte nachgesagt. – Foto Blarney Castle

Wir finden heilige Quellen, Wunschbrunnen und -bäume heute noch in Irland und in der keltischen Lebenswelt rings umhin: auffällig behangen mit Bildern und Fotografien, mit Rosenkränzen, Wunschzetteln und Preziosen. Unsichtbar verhangen mit unbekannten Schicksalen und menschlichen Tragödien. Unhörbar überladen mit flüsternden sehnsuchtsvollen Bitten der Leidtragenden – und dem Dank der Erhörten.

Wunschbrunnen und heilige Quellen sind in vielerlei Hinsicht sehenswert. Denn sie korrespondieren mit der Schönheit der Natur. Solche Orte vereinen oftmals drei markante strukturelle Elemente der Landschaft: magische Gewässer, einen heiligen Baum und einen Berg oder Hügel – zuweilen einem „Standing Stone“. Sie sind teilweise einbezogen in einen Rundweg, der dem Sonnenlauf von Ost nach West folgt. Außerhalb der Ortschaft Ederney im County Fermagh liegt ein ungewöhnlicher, weil überdachter Wunschbrunnen an der Hauptstraße nach Omagh.

Der Zugang liegt jenseits eines „Kissing Gates“ am Straßenrand. Der Brunnen war vormals Teil der Glendarragh Lodge. Doch wurde der in den späten 1850ern durch den Bau der neuen Straße von Ederney nach Lack vom Lodge-Areal abgetrennt. Im 19. Jahrhundert erzählte ein Einwohner von Ederney (Edenclaw) und offenbar ein Hellseher, Terence Boyle, dass ein Wunsch an der Quelle gewährt würde. Er begründetet somit einen Brauch, der in der gesamten Gegend die Jahrhunderte überdauerte.

Nahe des Städtchens Termon im County Donegal liegt eine der meist besuchten Heiligen Brunnen von Donegal. Abertausende Pilger haben ihn im Laufe der Jahrhunderte besucht: Doon Well. Es heißt, ein „heiliger Mann“, Lector O’Friel habe den Brunnen im 15. Jahrhundert geschaffen. Über die Region hinaus war er als großer Heiler bekannt. Und als er alt wurde, sorgten sich die Leute, ihn zu verlieren. Doch er tröstete sie, sich nicht zu sorgen, denn er würde die Quelle segnen (Doon Well): das Wasser werde die Beschwerden aller, die es trinken oder anwenden, lindern. Besonders in der Silvesternacht hat der Brunnen regen Zulauf: von Menschen aus dem ganzen Land.

Weitere Wunschbrunnen und heilige Quellen sind beispielsweise im County Donegal die St. Catherine’s Well in Killybegs sowie die St. Eigne’s Well in Inishowen; im County Sligo die Tobernalt Holy Well; im County Mayo die Holy Wells in Balla und in der Ballintubber Abbey. Auch im Burren warten zahlreiche heilige Quellen darauf, entdeckt zu werden.