Quebéc – Kanadas famose Drei-in-Eins-Provinz

Gerade während des Indian Summers entfaltet Quebéc wie hier im Parc national de la Jacques-Cartier seine ganze Pracht. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Keine Frage, Quebéc, Kanadas größte Provinz, ist wie eine Wundertüte. In jedem Winkel, hinter jeder Ecke wartet eine neue Überraschung, eine neue Entdeckung. Quebéc mutet ein bisschen wie ein Produkt aus der Waschmittelwerbung an. Ein Produkt, das gleich mehrere positive Eigenschaften auf sich vereint. Quebéc, das ist französische Lebensart, amerikanische Baukunst und indianische Tradition. Quebéc, das sind pulsierende Metropolen wie Montréal, historisches Puppenstubenflair mit einem Hauch von Disneyland wie Québec City, das ist aber vor allem Natur pur.

Quebéc
Vom Kanu aus lassen sich in den Nationalparks grandiose Eindrücke einfangen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Ausgedehnte Wälder, die insbesondere im Herbst ihre ganze Farbpracht entfalten, Zehntausende von Seen und nicht zu vergessen, grandiose Nationalparks. Mit rund 1,6 Millionen Quadratkilometern ist die Region im Osten Nordamerikas fast fünfmal so groß wie Deutschland, zählt aber gerade einmal 4,4 Einwohner pro Quadratkilometer.

Ein Stück Bilderbuch-Kanada

Mit etwas Glück lassen sich an den Flußufern Karibus beobachten. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Zum Vergleich: In der Bundesrepublik sind es 402 Einwohner pro Quadratkilometer. Ja, Quebéc ist eine perfekte „Drei-in-eins-Provinz“, ein Stück Bilderbuch-Kanada mit ureigenem Charme, dessen Lebensader einer der mächtigsten Flüsse der Welt ist – der Sankt-Lorenz-Strom.

Der Charme des Indian Summers ist auch in kleinen Städten wie Baie-Saint-Paul allgegenwärtig. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die größte Binnenwasserstraße der Welt, dessen Mündungstrichter zum Atlantik fast 150 Kilometer Breite misst, erstreckt sich über mehr als 3.300 Kilometer. Ein Fluss, der zwei eigene Grenzen hat. Eine, westlich von Québec City, wo zwei Brücken über den Sankt-Lorenz-Strom geschlagen sind. Für große Schiffe wird das Gewässer daher zur Sackgasse. Ihre Endstation ist die Provinzhauptstadt.

Ein Hauch von Norwegen am Saguenay-Fjord

Könnte auch in Skandinavien liegen: der malerische Saguenay Fjord. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die zweite Grenze ist der Zusammenfluss des Saguenay Rivers und des Sankt-Lorenz-Stroms vor den Toren des malerischen Hafenstädtchens Tadoussac, des ältesten Pelzhandelsplatz in Kanada. Die 850-Seelen-Gemeinde liegt direkt am Saguenay-Fjord, einem Naturschauspiel aus 450 Meter hohen, steil aufragenden Felsen, dem südlichsten Fjord der Welt. Über einige Hundert Meter ist hier das Wasser aufgewühlt und von einer ungewöhnlichen Schaumkrone bedeckt. Die Wellenkämme markieren die Stelle, an der sich das Süßwasser der Saguenay mit dem Salzwasser des Sankt-Lorenz-Stroms mischt. Eine Laune der Natur mit hohem Planktonaufkommen und riesigen Mengen an Krill. Beides ist ein gefundenes Fressen für die größten Säugetiere der Welt, die Wale.

Mit motorisierten Schlauchbooten geht es auf Walsafari. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Einige Arten der sanften Riesen wie Mink- oder Belugawal sind ganzjährig hier anzutreffen, andere wie Buckel- oder Blauwal machen zumeist nur im Frühjahr oder Herbst hier Station. Giganten, wie die bis zu 25 Meter langen und 50 Tonnen schweren Finnwale, sind bereits von weitem durch ihre meterhohen Atemfontänen auszumachen. Von den zahllosen Tourbooten, die Naturfreunde an die Pfründe der Wale führen, lassen sich die Säuger kaum irritieren.

Die Speisekammer mächtiger Wale

Auf dem Saint-Lorenz-Strom stehen die Chancen gut, einen Finnwal zu Gesicht zu bekommen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Bis auf wenige Meter nähern sie sich den Ausflugsbooten, werfen ein Blick auf die mit Fotoapparat und Videokamera bewaffneten Touristen, teilen das Wasser mit ihrem mächtigen Rücken und heben die Flunke zum Abschiedsgruß, bevor sie wieder in die prall gefüllte Speisekammer des Lorenz-Stroms abtauchen. Die Chance einen oder gar mehrere Wale hautnahe zu Gesicht zu bekommen, liegt hier bei fast 100 Prozent. Und als Zugabe präsentiert der mächtige Fluss ganze Robbenkolonien. Wobei einem die kleinen Kerle fast schon leid tun können, denn sie werden angesichts der Begeisterung für die Wale häufig völlig ignoriert.

Hoch über Quebéc City thront das stolze Chateau Frontenac. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Dieses Schicksal teilen die Robben mit dem Gros der 6.000 Tier- und Pflanzenarten, die entlang des Lorenz-Stroms heimisch sind. Angesichts des Artenreichtums wirken die Robben da eher gewöhnlich. Denn neben den Walen stehen insbesondere Schwarzbären, Elche und Karibus ganz oben in der Gunst der Besucher. Und die bekommt der geneigte Naturliebhaber am ehesten in einem der herrlichen Nationalparks zu sehen.

Elche, Schwarzbären und Biber

Der La Mauricie Nationalpark wird von zahlreichen Föüssen durchzogen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

So kann sich etwa der knapp 540 Quadratkilometer große La Maurice National Park rühmen, dass in seinen dichten Tannen-, Ahorn- und Birkenwäldern allein 130 Schwarzbären, 325 Elche, zwei Wolfsrudel und 600 Biber heimisch sind. Hinzu kommen Kojoten, Rotfüchse, Schneehasen und Otter, Nerze, Wiesel sowie Eichhörnchen.

Mächtige Elche durchstreifen die Wälder der Nationaparks. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Das wellige, dicht bewaldete Areal des Nationalparks, aus dem die Granitkuppen des Kanadischen Schilds hervorragen, wurde gemeinsam mit den dazu gehörenden 150 tiefblauen Seen und den viele kleinen Wasserfällen während der letzten Eiszeit geschaffen. Die Landschaft erschließt sich über eine 60 Kilometer lange Panoramastraße, aber auch durch eine Vielzahl an Wander- und Radwegen.

Natur pur in den Nationalparks

Einfach prächtig: der Parc national de la Jacques-Cartier. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Empfehlenswert ist daneben das Kanuwandern entlang der Seen, deren größter der 16 Kilometer lange Lac Wapizagonke ist. An den Ufern tummeln sich nicht selten in den Abend- und Morgenstunden Meister Petz oder ganze Elch-Familien. Stilecht und mit leisen Paddelschlägen nähert man sich diesen im Rabaska, einem alten indischen Kiegskanu, das in den Nationalparks stunden- oder tageweise geliehen werden kann.

Am Cap Tourmente tummeln sich im Herbst Tausende von Schneegänsen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Nur eine halbe Fahrstunde östlich der Hauptstadt Québec ist im Frühjahr und Herbst am Cap Tourmente ein ganz anderes Naturschauspiel zu beobachten: Rund 500.000 Schneegänse legen in der dortigen Wildlife Area auf ihrem Zug zum oder vom Winterquartier eine Pause ein. In riesigen Wolken gehen sie am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms nieder und stärken sich im saftigen Gras der Marschen für den langen Weiterflug.

Problematische Biber-Population

Vielerorts sind auch die possierlichen Murmeltiere anzutreffen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

So faszinierend die Vögel mit ihrem ohrenbetäubenden Geschnatter auch sind, so zwiespältig stehen ihnen Naturschützer und Bauern gegenüber. Noch vor 100 Jahre waren die Schneegänse vom Aussterben bedroht. Die Population war weltweit unter 3.000 gesunken. Heute ist der Bestand auf eine Million angewachsen, was nicht ohne Probleme bleibt. Das Marschland am Cap Tourmente kann längst nicht mehr alle, der unter Artenschutz stehenden Schneegänse ernähren, daher plündern die Vögel gerne die nahe liegenden Felder.

Viele Häuser sind während des Indian Summers prachtvoll dekoriert. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Große Schäden richten immer wieder auch Biber an. Die possierlichen Nager haben das Aufstauen von Bächen und Flüssen perfektioniert. Binnen weniger Tage lassen sie ganze Straßenzüge verschwinden oder überfluten Bahngleise. Allein das Bahnunternehmen Via Rail Canada muss jährlich für jeden Bahnkilometer 1000 kanadische Dollar aufbringen, um Biberschäden zu beseitigen. Weniger Probleme bereiten hingegen die Schwarzbären. Obschon sie durchaus gefährlich sind, meiden sie den Menschen, wo immer möglich. Dennoch ist es vielen vergönnt, aus sicherer Entfernung einen Blick auf Meister Petz zu werfen.

Schwarzbären mit süßem Zahn

Geschickt angeln die Schwarzbären in dem Fass nach mit Mais und Melasse . (Foto Kasrsten-Thilo Raab)

Das Hotel Sacacomie bietet spezielle Biber- und Bärensafaris am gleichnamigen Sacacomie-See an. Angeführt von einem erfahrenen Trapper geht es auf leisen Sohlen in eine eigens errichteten Holzverschlag oberhalb einer Senke. In knapp 50 Metern Entfernung hat der Trapper ein altes Fass mit Mais und Melasse gefüllt. Mehrmals täglich kommen hier ein paar Schwarzbären vorbei, um ein bisschen zu naschen. Begleitet wird das Warten auf die Bären von einem unglaublichen Kribbeln, das deutlich macht, warum sich die Provinz Québec rühmt, Lieferant von Emotionen zu sein – und dies seit mehr als 400 Jahren. Weitere Informationen unter www.quebecoriginal.com.

Ein echten Mounty sieht man selten, Schwarzbären ebenso. Einen Schwarzbären als Mounty umso öfter – zumindest in Souvenirshops. (Foto Karsten-Thilo Raab)