Das „wahre“ Hotel New Hampshire

Die Wahrheit gleich zu Beginn: Das Hotel New Hampshire liegt gar nicht in New Hampshire, wie der gleichnamige Film nach einer Romanvorlage von Bestseller Autor John Irving Glauben machen will. Nun aber zu den positiven Nachrichten: Das prächtige, ganz in Rot und Weiß gehaltene Holzhaus gibt es wirklich. Und es ist tatsächlich ein stilvolles Hotel. Allerdings nicht in den USA, sondern im benachbarten Kanada. Genauer gesagt in der Provinz Québec im 850-Seelen-Nest Tadoussac am Ufer des mächtigen Sankt-Lorenz-Stroms – und dies auf historischem Grund und Boden.

Vor längst vergangenen Zeiten war dieses Fleckchen eine Versammlungsstätte von Indianern, ehe hier 1535 Jacques Cartier anlandete. Der Entdecker und Seefahrer erschloss weite Teile der heutigen Provinz Québec für die französische Krone und ließ in Tadoussac einen Handelsposten sowie Hafen errichten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten dann mehr und mehr Reisende die malerische Region am Zusammenfluss des Saguenay Flusses mit dem Lorenz-Strom, wo sich noch heute wegen des Krill-Reichtums Hunderte von Walen fast ganzjährig tummeln. Nachdem ab 1860 Dampfschiffe zweimal pro Woche amerikanische Touristen aus Montréal nach Tadoussac brachten, um das Naturschauspiel zu beobachten, dauert es nicht lange, ehe 1864 das mondäne Hôtel Tadoussac seine Pforten öffnete.

„Mit drei Etagen und einer Front mit zwölf Fenstern galt es für die damalige Zeit fast schon als ein wenig überdimensioniert“, weiß Managerin Véronique Gaudreault zu berichten. 1941 wurde das Hotel dann während er Herbststürme fast völlig zerstört und schon 1942 auf Initiative von Sir William Hugh Coverdale, dem Präsidenten der Canada Steamship Lines, die die Touristen von Montréal aus hierher karrte, wieder aufgebaut. Getreu dem Motto „neuer, schöner, größer“ erhielt der Prachtbau nun 137 Zimmer. Das Hotel wurde im kanadischen Landhausstil eingerichtet. Die Wände mit alten kanadischen Gemälden verziert. Im Jahr 2000 wechselte das Hotel dann zum zweiten Mal nach 1984 den Besitzer. Der neue Eigentümer, die Groupe Dufour, investierte sodann rund eine Millionen kanadische Dollar um die nunmehr 149 Zimmer und drei Restaurants zeitgemäß zu renovieren und dabei den historischen Charme zu wahren. 2005 ging der Komplex an die Canadian Hotel Income Properties REIT.

„Es ist ein schwieriger Spagat, zum einen das historische Ambiente zu bewahren, zum anderen einen modernen Standard zu gewährleisten“, so Véronique Gaudreault weiter. Ganzer Stolz des Hauses ist die Great Hall, deren Dekor und Möblierung an das 19. Jahrhundert angelehnt ist und noch viele originale Einrichtungsgegenstände enthält. Ein Hingucker der besonderen Art ist fraglos auch die mehr als 60 Jahre alte, riesige Wandmalerei eines unbekannten Künstlers im Coverdale Dining Room, obschon die Blicke der meisten Besucher in der Hoffnung, wenigstens die Fluke eines Wales zu sehen, mehr auf den Sankt-Lorenz-Strom gerichtet sind.

Andere wandeln durch das Hotel und die großzügige Gartenanlage auf der Suche nach einem Stück Hollywood. Schließlich wurde hier 1981 der Kinohit „Hotel New Hampshire“ mit Jodie Foster, Nastassja Kinski und Rob Lowe in den Hauptrollen abgedreht. Die 7,5 Millionen US-Dollar teure Produktion erzählt die ebenso skurrile wie tragisch-komische Geschichte der Familie Berry, die nacheinander verschiedene Hotels in Europa und den USA betreibt – darunter eben auch das eigens als Hotel New Hampshire umfunktionierte Hôtel Tadoussac. Im Mittelpunkt steht dabei das Leben der Kinder Frank, Franny, John, Lilly und Egg. Dabei gaukeln sie ihrem Vater Win Berry, der bei einer Bombenexplosion das Augenlicht verlor, vor, das runtergekommene Hotel sei ein hochexklusives Hotel, dass es sich leisten kann, kaum Gäste zu haben.  Womit auch schon die einzige Verbindung zum Hôtel Tadoussac hergestellt ist. Denn dieses ist auch nach gut 150 Jahren noch  hochexklusiv.

Allgemeine Informationen: www.bonjourquebec.de

Informationen: Hôtel Tadoussac, 165 rue Bord de l’Eau, Tadoussac, G0T 2A0, Québec, Kanada, Telefon 001-(0)418-235-4421, www.HotelTadoussac.com. Doppelzimmer sind ab 165 Kanadische Dollar erhältlich.

Allgemeines: Die Provinz Québec liegt im Nordosten des amerikanischen Kontinents und misst rund 1,6 Millionen Quadratkilometer Fläche. Etwa 83 Prozent der Bevölkerung sprechen Französisch. Aber auch Englisch ist weit verbreitet. Die Zeitdifferenz zur Mitteleuropäischen Zeit beträgt minus sechs Stunden. Für die Einreise wird ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass benötigt.

Lage: Tadoussac liegt etwa drei Autostunden östlich von Québec City an der Mündung des Saguenay Fjord in den Sankt-Lorenz-Strom. Von Québec City erfolgt die etwa 250 Kilometer lange Anreise über den Highway 440 in östliche Richtung und weiter über den Highway 138 East.

Anreise: Air Canada bietet täglich Direktflüge ab Frankfurt nach Montreal an. Informationen unter aircanada.com.

Bus und Bahn: In der Provinz Québec gibt es gut ausgebautes Bus- und Bahnnetz. Informationen über Strecken, Fahrpreise und Abfahrtszeiten erteilen Via Rail Canada (www.viarail.ca) und Orléans Express (www.orleansexpress.com).

Walbeobachtung: Dreistündige Touren in englischer und französischer Sprache werden zwei bis dreimal täglich unter anderem von Croisières AML (www.croisieresaml.com) und Dufour (www.dufour.ca) ab Tadoussac angeboten. Marine Mammal Interpretation Centre, 108 rue de la Cale Séche, Tadoussac, Telefon 001-(0)418-235-4701, www.quebecmaritime.ca/cimm.

Essen und Trinken: Hervorragende Cuisine und ein Blick auf den Lorenz-Strom lassen sich im Restaurant de la Pinsonniére kombinieren: de la Pinsonniére, 124 rue St-Raphael, Cap á-l´Aigle, Telefon: 001-(0)418-6654431.

Bewertung des Mortimer Reisemagazins

In jeder Kategorie werden maximal fünf Sterne vergeben:

  • Lage ∗∗∗∗∗
  • Ausstattung ∗∗∗
  • Sauberkeit ∗∗∗∗
  • Essen & Trinken ∗∗∗∗
  • Service ∗∗∗∗∗

Fazit: Das Hôtel Tadoussac besticht durch eine tolle Lage, kann aber in den Zimmern den tollen Eindruck von Außen nicht bestätigen. 

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Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.