Kakteen und Karneval auf Lanzarote

Karneval auf Lanzarote, Copyright Udo HaafkeUnbedingt nur gucken, nicht anfassen! – Ein solches Hinweisschild im Kakteen-Garten, Jardin de Cactus, von Guatiza auf der Kanareninsel Lanzarote ist in der kunstvoll gestalteten Anlage nicht zu finden. Stattdessen weist man lediglich darauf hin, dass das Betreten der Beete verboten sei. Aber es versteht sich ja eigentlich von allein den nötigen Sicherheitsabstand zu den stacheligen Zeitgenossen, die sich hier üppigsten Wachstums erfreuen, zu wahren. Jeder, der schon einmal mit seinen Händen versehentlich im Gartencenter oder auf der heimischen Fensterbank mit dem hartnäckigen Stachelkleid selbst kleinster Exemplare in Berührung gekommen ist, weiß um die Probleme beim Entfernen der oft winzigen, aber widerborstigen Peiniger.

Guatiza, Jardin de Cactus,  Lanzarote, Copyright Udo HaafkeEine sehr schön restaurierte Gofio-Mühle mit roter Kuppel überragt den in der Form eines Amphi-Theaters aus dem allgegenwärtigen Lavagestein angelegten Kakteengarten. Schon aus der Ferne deutet sie auf den Standort des ungewöhnlichen Botanischen Gartens hin, dessen Eingang noch ein in der Sonne glänzender, stählerner grüner Kaktusgigant ziert. César Manrique, der aus der Inselhauptstadt Arrecife stammende Avantgarde-Künstler, vollendete hier 1990 sein letztes touristisch orientiertes Konzept. Manrique drückte mit seinen Projekten und Anlagen der Insel seinen besonderen, künstlerischen Stempel auf, der vielerorts eine ganz eigentümliche Prägung besitzt, jedoch den Charakter Lanzarotes zu formen vermag. Ganz so, wie es der Wunsch des Künstlers war.

Trotz weltweiten Erfolges in der modernen Kunstszene und großen internationalen Ruhms zog es Manrique 1968 zurück zu seinen Wurzeln. Seine surrealistischen skulpturalen Werke tauchen heute unvermittelt am Rande der Inselstraßen und in der Mitte von Kreuzungen oder Kreisverkehren auf, doch bedeutsamer sind die Museen, die Kulturzentren und Begegnungsstätten überall auf der Insel. Er sorgte mit seinen Ideen und Wünschen für einen sanften und gemäßigten Tourismus und setzte sich bereits in den 70er Jahren erfolgreich für einen für die Landschaft verträglichen Siedlungsbau ein, der mit dem Verzicht auf Hochhäuser und monströse Betonwüsten einherging. Inseltypische Architektur sollte auf dem vulkanischen Boden umgesetzt werden. Tragischerweise kam César Manrique 1992 bei einem Verkehrsunfall unweit seines Stiftungszentrums in der Inselmitte ums Leben.

Guatiza, Jardin de Cactus,  Lanzarote, Copyright Udo HaafkeDer Kakteengarten entstand in einem aufgelassenen Steinbruch, überdies in einem Gebiet, in welchem der Anbau von Opuntien große wirtschaftliche Bedeutung hatte. Die auf den Feigenkakteen in hoher Zahl anzutreffenden Cochenille Schildläuse liefern einen karminroten Farbstoff, der vielfach industriell genutzt wurde und wird. Gut 1500 verschiedene Arten gedeihen ausgezeichnet auf den runden Terrassenebenen des Gartens, denn die Lavaasche im Boden unterstützt durch ihre besonderen Eigenschaften den Pflanzenwuchs. Mächtige Exemplare der exotischen, wasserspeichernden Gewächse sind hier anzutreffen. Sie blühen in einer schier unglaublichen Fülle und Farbenpracht und widersprechen damit überzeugend dem Ruf nur langweilig zu sein. Es finden sich auch Sukkulentenarten und lebende Steine. Im wohl durchdachten Gesamtensemble integriert wurden ein Restaurant und ein Informations- und Shopbereich, die ganz nach typischer Manrique-Art eine harmonische Einheit bilden.

Gucken, aber nicht anfassen gilt auch für die unterschiedlichen Karnevalsinszenierungen, die während der 5. Jahreszeit in und um Arrecife fröhlich und ausgelassen zelebriert werden. Insbesondere die spektakulären Bühnenshows in der großen Veranstaltungshalle am Meer ziehen das Publikum auf den gut gefüllten Zuschauerrängen in ihren Bann. Mit großem Aufwand, viel Licht-, Qualm- und Geräuscheffekten, immer wieder unterbrochen von eloquenten Conférenciers und Moderatoren, läuft die nicht wirklich mit dem hiesigen Sitzungskarneval vergleichbare Show ab. An einem Abend stellen sich auf derart pompöse Weise die Bewerberinnen um die Krone der Karnevalskönigin vor, die ihre opulenten, schwergewichtigen und extraordinär geschmückten Kostüme dennoch höchst graziös im Scheinwerferlicht zu präsentieren vermögen. Doch die dezenten wie farbenprächtigen Kostüme sind keine Kostüme im eigentlichen Sinn. Es sind Kunstwerke, Inszenierungen aus Tüll, Federn, Strass, Glitzer und Glamour. Und tapfer lächeln die jungen Frauen im Blitzlichtgewitter von den Zuschauerrängen und den Pressefotografen.

Drag-Queen,  Karneval auf  Lanzarote, Copyright Udo HaafkeWesentlich skurriler wirkt für den braven mitteleuropäischen Geschmack indes die Drag-Show, in welcher die Darbietung und Wahl der Drag-Queen vollzogen wird. Einem Phänomen, das sich auf den Kanarischen Inseln einer überaus großen Beliebtheit erfreut. Zu stampfenden House- und Technoklängen, die den Trommelfellen mit der Zeit erhebliche Schmerzen bereiten, erobern die verkleideten Herren in mächtigen Highheels und buntem Lack und Leder Outfit die Bühne. Lichtkegel in allen Schattierungen flackern hektisch über das Podium und nehmen auch einzelne Personen auf den Rängen ins Visier. Die abenteuerliche Travestieshow ist angefüllt mit mutigen Tanzeinlagen, die ein ums andere Mal um das Wohl des Hauptakteurs fürchten lassen. Begleitet und unterstützt von einer wild umher wirbelnden Tanzgruppe drängt die wohlgesetzte Choreografie um den Protagonisten alsbald dem jeweiligen Höhepunkt entgegen. Dieser besteht in der möglichst spektakulären Ablage der bunten Kleidung bis auf ein winziges Nichts, das monströse Schuhwerk, das üppige Make-Up und – manchmal – die wilde Mähne aus künstlichen Haaren. Sogleich brandet frenetischer Jubel auf und die erschöpften Mimen verlassen den Ort des Geschehens, bevor sie nach der Jury-Abstimmung über Sieger und Platzierte zum großen Finale nochmals, dies Mal jedoch in lockerer Folge auftreten.

Drag-Queen,  Karneval auf  Lanzarote, Copyright Udo HaafkeDaneben spielt aber auch der Straßenkarneval eine gewichtige Rolle im alljährlichen Fastnachtsprogramm. Kleine Umzüge verschiedenster Gruppen bilden an den Tagen vor Rosenmontag die Ouvertüre für die riesige Parade, die am Abend des wichtigsten Tages während der närrischen Zeit stattfindet. Bunt und auffällig, meist sehr fantasievoll verkleidet ziehen die Grüppchen, Kinder, Erwachsene und Senioren, entlang der Uferpromenade von Arrecife bis zum alten Hafen Puerto Naos und dem Lagunensee. Für die musikalische Begleitung sorgen sie dabei gleich selbst. Mit Rhythmen von Salsa bis Samba weht dann ein Hauch Südamerika durch die Gassen. An Temperament fehlt es ganz bestimmt nicht.

1Drag-Queen,  Karneval auf  Lanzarote, Copyright Udo HaafkeDie große, die Feierlichkeiten abschließende Rosenmontagsparade startet, wenn die Sonne bereits den Horizont küsst. Es beginnt am Stadion und führt auf der Umgehungsstraße bis hinunter zum Meer, das die ersten Zugteilnehmer schon erreicht haben, wenn sich die Letzten gerade erst in Bewegung setzen. Eine kunterbunte Mischung aus Masken, Maskeraden, Kostümen und Gruppen erzeugt ein vielfältiges Szenario. Einige, aufwändig gestaltete Wagen sind im Zug vorhanden, von denen eifrig kleine Leckereien geworfen werden. Sehr zur Freude der Kleinsten unter den Zuschauern, die sich in dicht gedrängten Reihen entlang des Zugweges aufgestellt haben. Viele davon ebenfalls in Verkleidung. Die Musikgruppen überbieten sich gegenseitig in Lautstärke und Stilrichtungen, Hauptsache Rhythmus, zu dem getanzt werden kann. Gefühlt scheint die ganze Insel für den Umzug auf den Beinen zu sein. Im Gewusel gehen die schon bekannten Gruppen aus den Vortagen beinahe unter. Auch die mit viel Pomp gekürte Karnevalskönigin ist nur ein kleiner Höhepunkt im prächtigen, im friedlichen Treiben, das bis tief in die Nacht dauert.

Drag-Queen,  Karneval auf  Lanzarote, Copyright Udo HaafkeWeitere Informationen unter www.spain.info/de und unter www.turismolanzarote.com

Anreise: Air Berlin fliegt die Insel direkt von den meisten deutschen Flughäfen an (www.airberlin.com), alternativ geht es mit der nationale Fluglinie Iberia über Madrid auf die kanarische Insel (www.iberia.com). Vor Ort ist ein Mietwagen hilfreich, mit dem man alle Regionen entdecken kann (www.cabreramedina.com).

Unterkunft:  Für Individualreisende, die speziell zur Karnevalszeit anreisen ist das Hotel Lancelot im Zentrum von Arrecife mit Strand und Blick aufs Meer empfehlenswert, das auch mit Halbpension buchbar ist.

Termine 2013: Arrecife: Umzug am Rosenmontag, 11. Februar 18 Uhr, Beerdigung der Sardine am Aschermittwoch, 13. Februar 2013. Der 12. Februar ist Feiertag ohne jegliche Veranstaltung.

Punta del Carmen: 15. – 17. Februar m2013, großer Umzug am 16. Februar 2013

Tinajo und Yaiza: 22. – 24. Februar 2013

Costa Teguise: 2. März 2013 mit großem Umzug

Playa Blanca, Haria, Teguise: 8. – 10. März 2013, Umzug jeweils am Samstag.

Weitere Bilder auch unter www.facebook.com/MortimerReisemagazin

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