Island – einfach erfrischend anders

Der mächtige Gullfoss-Wasserfall - einer der vielen Naturphänomene auf Island. (Foto Icelandair)
Der mächtige Gullfoss-Wasserfall – einer der vielen Naturphänomene auf Island. (Foto Icelandair)

Adrenalin pur. Islands Hauptstadt Reykjavik pulsiert, ist hipp, setzt Trends. In der Mode, Musik, Literatur und zunehmend auch in der Gastronomie. Ein Kurztripp wirkt wie eine Verjüngungskur. Gönnen Sie sich den Spaß!

Da stehen wir also, so an die 200 Menschen. In einem großen Kreis. Starren auf ein Loch. In der Erde. Erwartungsvoll. Und nichts geschieht. Minutenlang. Gefühlte Stunden. Doch dann, plötzlich, ist es soweit. Eine Fontäne schießt aus dem Boden. Etwa 35 Meter hoch in den Himmel. Ich zücke meine Kamera. Schalte den müden Akku ein. Aktiviere den Autofocus. Aber nun ist es leider schon wieder vorbei, das Schauspiel.

Überall auf der Insel blubbert es, während Geysire meterhohe Wasserfontänen in den Himmel spucken. (Foto Iceland Tourist Board)
Überall auf der Insel blubbert es, während Geysire meterhohe Wasserfontänen in den Himmel spucken. (Foto Iceland Tourist Board)

Der Strokkur (zu Deutsch: Butterfass) hat seine Eruption beendet. Kein Foto. Immerhin weiß ich jetzt, warum alle übrigen 199 Menschen auf der Kreislinie mir gegenüber stehen. Ich befinde mich auf der Luvseite. Oder ist es Lee? Egal. Jedenfalls genossen meine Kamera und ich einen warmen Regen.

Ja, es brodelt auf Island. In der Erde. Manch einer von uns war davon ja bereits persönlich betroffen. Im April 2010. Als ein gewisser isländischer Vulkan sehr effektiv den europäischen Flugverkehr lahmlegte. Heerscharen von Nachrichtensprechern verzweifelten eine gute Woche lang an seinem Namen. Dabei ist er „so easy to pronounce“, wie es auf meinem T-Shirt – als kleine Erinnerung an Island – steht. In Lautschrift: Ay-uh-fyat-luh-YOE-kuutl-uh. Alles klar?

Aber zurück zum Strokkur. Sicher, ein Naturschauspiel. Eindrucksvoll. Aber ebenso schnell wie seine Ausbrüche ebbt auch meine Begeisterung dafür ab. Mag an der fiesen Dusche liegen …

Wesentlich stärker beeindruckt mich der Gullfoss, die nächste Station unserer heutigen Sightseeing-Tour. Und vom Butterfass aus quasi gleich um die Ecke gelegen. Der goldene Wasserfall (gull = Gold) ist wenigstens ständig aktiv. Da stürzen permanent gewaltige Wassermassen in die Tiefe – mehr als 100 Kubikmeter. Pro Sekunde, wohlgemerkt. Faszinierend!

Ein weitere faszinierendes Naturschauspiel sind die regelmäßig auftretenden Nordlichter wie hier über Reykjavik. (Foto Visit Reykjavik)
Ein weitere faszinierendes Naturschauspiel sind die regelmäßig auftretenden Nordlichter wie hier über Reykjavik. (Foto Visit Reykjavik)

Dennoch entgeht mir nicht, wer auf dem Felsen am Gullfoss direkt neben mir steht: Herta Müller. Genau, die Literatur-Nobelpreisträgerin des Jahres 2009. Und Ehrengast eines Literatur-Festivals, das während meines Island-Besuches gerade in Reykjavik läuft.

Irgendwie habe ich ohnehin den Eindruck, dass auf Island jeder jeden kennt. Die Insel ist so überschaubar. Sie hat ungefähr die Größe von Bayern plus Baden-Württemberg. Aber es gibt eine viel geringere Anzahl von Überlandstraßen. Eine, der Golden Circle, verläuft an der Küste entlang, einmal im Kreis um die ganze Insel. Kein Wunder, dass man – zumindest als Einheimischer – immer wieder Bekannte trifft. Oder Verwandte.

In der landestypischen Tracht sind die Isländer vor allem am 17. Juni, dem Nationalfeiertag, anzutreffen. (Foto  Iceland Tourist Board
In der landestypischen Tracht sind die Isländer vor allem am 17. Juni, dem Nationalfeiertag, anzutreffen. (Foto Iceland Tourist Board

Island ist wie eine große Familie. Insgesamt hat das Land rund 300.000 Einwohner. Etwa so viele wie Bielefeld. Und die haben sogar schon dreimal den Titel „Miss World“ geholt. Das muss man sich mal vorstellen: Drei Miss World aus dem Fast-Bielefeld …

Aber zurück zu Herta Müller. Was mag der großartigen Schriftstellerin beim Anblick des großartigen Gullfoss wohl durch den Kopf gegangen sein. Vielleicht eine neue Wortschöpfung zum Thema Wasser?

Apropos. Wasser spielt auf Island eine bedeutende Rolle. In jedem Aggregatzustand. Schon beim Anflug mit Icelandair können wir es in eiskalter Form bewundern. Gefühlte 20 Minuten fliegen wir über den Vatnajökull, den drittgrößten Gletscher der Erde. Majestätisch liegt er da im Sonnenlicht, bedeckt fast ein Zehntel der Insel.

Mein Tipp: Lassen Sie sich beim Einchecken für den Hinflug wenn möglich einen Platz an der rechten Fensterseite zuteilen. Es lohnt sich. Dann haben Sie den besten Ausblick auf den Gletscher.

Schwer vorstellbar angesichts der Eismassen, dass das Wasser im Inneren der Insel kocht. An einer Quelle sprudeln 180 Liter pro Sekunde an die Oberfläche. Vielerorts wird es eingefangen und über ein komplexes Leitungssystem in die Haushalte gepumpt. Als Fernwärme. Das erklärt, warum die Gebäude auf Island stets angenehm beheizt sind. Ganz natürlich. Ohne Einsatz von Kohle- oder Atomenergie. Toll!

Dank der geothermischen Wärme finden sich überall auf Island natürliche Badestellen. (Foto Iceland Tourist Board)
Dank der geothermischen Wärme finden sich überall auf Island natürliche Badestellen. (Foto Iceland Tourist Board)

Wasser in seiner schönsten Form lerne ich schon ein halbe Stunde nach meiner Landung in Keflavik kennen. Nach vier Stunden Flugzeit ist – noch vor dem Einchecken im Hotel – erst einmal Entspannung angesagt. In der Blauen Lagune. Ein zauberhaftes Ambiente. Ich fühle mich wie in einer anderen Welt.

Über mir der klare, kalte September-Himmel. Und ich aale mich im hüfthohen, milchigen, wunderbar warmen Thermalwasser der Lagune. Später höre ich, hier haben unter anderem schon Juliette Lewis, Quentin Tarantino und Duran Duran geplanscht. Wow!

Heilsamer Badetraum: die Blaue Lagune. (Foto Iceland Tourist Board)
Heilsamer Badetraum: die Blaue Lagune. (Foto Iceland Tourist Board)

Wer mag, kann sich am Rande der Blauen Lagune Kieselerde-Schlamm auf die Haut streichen. Das hat reinigende Wirkung – revitalisierend und verjüngend. Auch ich lege mir eine Gesichtsmaske auf. Es fühlt sich gut an. Dass ich danach fünf Jahre jünger aussehe, kann ich jedoch nicht bestätigen. Ich sollte die Blaue Lagune vielleicht häufiger mal besuchen. Auf jeden Fall nehme ich mir das beim nächsten Flug in die USA vor. Ein perfektes Stopover.

In der Blauen Lagune gibt es sogar quasi eine Pool-Bar. Allerdings ist mir die Warteschlange davor zu lang. Also verschiebe ich den Drink auf später.

In den Straßen von Reykjavik tobt vor allem freitags und samstags das Nachtelben. (Foto Iceland Tourist Board)
In den Straßen von Reykjavik tobt vor allem freitags und samstags das Nachtelben. (Foto Iceland Tourist Board)

Dann wird es Freitagabend, 22 Uhr. Reykjavik hat seine Beschaulichkeit abgelegt. Im Straßen-Karree rings um das Rathaus pulsiert das Leben. Es ist eine Art Bermuda-Viereck für Feierlustige. Und das sind hier ganz viele. Junge und Ältere, Einheimische und Gäste. Für jeden Geschmack gibt es die passende Location.

In vielen Kneipen wird die Musik live gespielt. Dann brummt der Laden. Und das Bier fließt in Strömen. Flüssiges Gold wird es hier genannt. Weil der halbe Liter umgerechnet etwa acht Euro kostet. Aber dadurch lassen sich die Isländer ihren Partyspaß nicht trüben. Keine Spur.

Nachjtsprächtig illuminiert: Das Rathaus von Reykjavik. (Foto Iceland Tourist Board)
Nachjtsprächtig illuminiert: Das Rathaus von Reykjavik. (Foto Iceland Tourist Board)

Die meisten haben bereits ihren üblichen Feierabend-­Promillepegel erreicht. Alle sind gut drauf. Und die Nacht ist noch lang.

Irgendwann lande ich in einem Irish Pub. Und höre am Tisch vertraute Töne. „Claudia, nun komm doch endlich!“, bittet eine junge Frau neben mir. Aber Claudia will nicht, hängt viel lieber an den Lippen ihres Begleiters. Nicht nur mit den Augen.

Warum gönne sie ihrer Freundin denn nicht das Vergnügen, frage ich neugierig. „Weil zu Hause ein Mann und zwei kleine Kinder auf sie warten“, lautet kopfschüttelnd die Antwort. Das Zuhause ist eine Farm. Irgendwo im Nirgendwo.

Die Hallgrims-Kirche, ist mit 74 Metern das höchste Gebäude und Wahrzeichen von Reykjavik. (Foto Visit Reykjavik)
Die Hallgrims-Kirche, ist mit 74 Metern das höchste Gebäude und Wahrzeichen von Reykjavik. (Foto Visit Reykjavik)

Auf Island leben zahlreiche Deutsche. Darunter viele Frauen, oftmals angelockt – und das soll kein Scherz sein – von den Pferden. Wohlgemerkt: Islands Pferde sind Pferde. Keine Ponys. Obwohl sie in meinen Augen bloß Ponygröße haben.

Aber diese Islandpferde sind etwas ganz Besonderes. Sie können einen vierten und sogar fünften Gang einlegen. Sie tölten – bewegen sich so gleitend, dass der Reiter nicht durchgeschüttelt wird. Er könnte im Sattel ein Tablett mit gefüllten Gläsern ebenso sicher transportieren wie ein italienischer Kellner zu Fuß.

Es gibt kaum mehr Isländer als Einwohner von Bielefeld. Dies tut jedoch dem Nationalstolz keinen Abbruch. (Foto Visit Reykjavik)
Es gibt kaum mehr Isländer als Einwohner von Bielefeld. Dies tut jedoch dem Nationalstolz keinen Abbruch. (Foto Visit Reykjavik)

Ja, Island ist anders. So lautete mal der Slogan einer Sympathiekampagne für die Insel. Und besser kann man es auch kaum auf den Punkt bringen. Island ist in der Tat anders. Erfrischend anders. Beispiele gefällig?

Mit Vigdís Finnbogadóttir haben die Isländer 1980 das erste weibliche Staatsoberhaupt der (demokratischen) Welt gewählt.

Vom Knast aus, einem historischen Gefängnisgebäude. Vom Sightseeing-Bus aus kann man durchs Fenster sehen, wie die Premierministerin in ihrem Büro am Schreibtisch sitzt.

Der zweitwichtigste Mann im Staate, der amtierende Bürgermeister von Reykjavik, ist ein ehemaliger TV-Komiker. Zu seinem Wahlprogramm gehörte unter anderem: In öffentlichen Bädern freie Handtücher für alle. Aber er sagte auch gleich dazu, dass er seine Versprechen sowieso nicht halten würde …

Infos: www.visiticeland.com

Beste Reisezeit: Mai bis September. Das Klima  ist gemäßigt – frisch dank des Golfstroms, dadurch eher kühle Sommer, milde Winter.

Sprache: Isländisch. Englisch und Dänisch sind weit verbreitet, mancher Einwohner spricht sogar Deutsch.

Frischer Fisch und Meeresfrüchte stehen ganz oben auf der Speisekarte der Isländer. (Foto Iceland Tourist Board)
Frischer Fisch und Meeresfrüchte stehen ganz oben auf der Speisekarte der Isländer. (Foto Iceland Tourist Board)

Essen & Trinken: Aus eigenem Bestand kommen frischer Fisch (Kabeljau, Lachs, Forelle), Scampi und Muscheln aus unbelasteten Meeren auf den Tisch, aber auch frisches Fleisch von Tieren, die noch in freier Natur weiden (Lamm, Rind, Rentier). Gemüse wird in heimischen Treibhäusern gezogen, die mit naturwarmem Wasser beheizt werden.

Tipp: Hangikjöt (geräucherter Hammel), Skyr (Joghurt-Art). Für Mutige: Hrútspungar (eingelegte Schafshoden), Blóðmör (Schafsblutwurst in Molke eingelegt) oder Selshreyfar (Robbenflossen), Wal- und Rochengerichte. Getrunken wird Wein und Mineralwasser aus eigenen Quellen, das auch die Basis für den guten Geschmack von Bier und Kaffee bildet.

Restaurants: Exquisite Küche bietet das „Perlan“ mit seinem Drehrestaurant auf dem gleichnamigen Heißwasserspeicher der Stadt (tolle Aussicht inklusive). Reservierung empfehlenswert: Tel. 562 02 00.

Zu den besonderen Erlebnissen in Island gehört fraglos eine Gletscher-Tour. (Foto Iceland Tourist Board)
Zu den besonderen Erlebnissen in Island gehört fraglos eine Gletscher-Tour. (Foto Iceland Tourist Board)

Sehenswert: Hallgrims-Kirche, weiteres Wahrzeichen und eines der höchsten Gebäude der Stadt (ca. 74 m). Altstadt: Austurvöllur- Platz im Zentrum mit Kirkjusstræti (Sitz des Parlaments) und dem berühmten Hotel Borg. Neues Rathaus, das in den See Tjörnin ragt.

Unbedingt machen: Sich ins Nachtleben der vielen Bars und Pubs stürzen, in denen man schick gekleidet vor Mitternacht den besten Platz kriegt. Hausberg Esja besuchen. Outdoor im „Heißen Pott“ (HotPot) baden.

Unbedingt vermeiden: Im Straßenverkehr Tempo-Limit und Alkoholverbot (0 Promille!) missachten, denn hohe Geldstrafen werden vor Ort kassiert. Das wechselhafte Wetter unterschätzen, daher am besten nach dem Zwiebelprinzip kleiden.


{google_map}Reykjavik{/google_map}