Ein Hochgenuss: 48 Stunden in Ferrara

Ferrara
Eines der markantesten Bauwerke in Ferrara: das Castello Estense. – Foto Luca Gavagna

Viele Italien-Liebhaber kennen Bologna, Parma, vielleicht sogar Modena. Aber Ferrara? Das Renaissance-Städtchen befindet sich ebenfalls in der Emilia-Romagna, doch nur wenige verirren sich hier her. Dabei ist der von der UNESCO als Weltkulturerbe klassierte historische Stadtkern perfekt für einen Besuch: überschaubar, verkehrsberuhigt und bis in die letzte Gasse wunderschön. Hinzu kommt, dass die schönsten Eckken von Ferrara sich bequem binnen zwei Tagen entdecken lassen_

Tag 1 in Ferrara

9 Uhr: Frühstück im Cafè Europa – zugegeben, der Look wirkt nicht gerade trendy. Aber wen interessiert das schon? Das elegante Café (Corso della Giovecca 51-53) ist fast 200 Jahre alt, super zentral und nach wie vor bei Einheimischen beliebt. Am Morgen gibt es einen cremigen Cappuccino und ofenfrische, zartblättrige Croissants. Als Bestseller gelten allerdings die lokale Spezialität Torta Tenerina (Schoko-Kuchen), das Millefeuille oder der Cannoncino. Kenner kommen abends gleich nochmal vorbei, um zum Aperitivo vom leckeren Salzgebäck zu naschen.

10 Uhr: Besuch des Castello Estense – was die Medici für Florenz sind, sind die d’Este für Ferrara. Ihre Dynastie zählt zu Italiens ältesten und mächtigsten Adelsgeschlechtern, Jahrhunderte lang herrschten sie über die Stadt und förderten in großem Stil die schönen Künste. Im 14. und 15. Jahrhundert, als Ferrara seine glanzvolle Blüte erlebte, diente das imposante Schloss den Herzögen als Residenz und beherbergte ihre umfangreiche Kunstsammlung. Heute residiert hier die Provinzverwaltung, große Teile des Palasts mit Sälen und Loggien, Küche und Kerker können jedoch besichtigt werden.

Mehr als 500 Jahre Geschichte verbergen sich hinter den Mauern des Palazzo Diamanti. – Foto Caspar Diederik

11.30 Uhr: Besuch des Palazzo dei Diamanti – bleiben wir noch ein wenig bei den d’Este. Der Diamant-Palast am Corso Ercole I d’Este 21 wurde zwischen 1492 und 1503 als Residenz für Sigismondo d’Este, dem Lieblingsbruder von Herzog Ercole I d’Este, errichtet. Die Fassade besteht aus über 8.500 weiß-rosa, spitz zugeschliffenen Marmorblöcken und gilt als Meisterwerk des Hofarchitekten Biagio Rossetti. Im Palast befinden sich die umfangreiche Gemäldesammlung der Pinacoteca Nazionale, die Galleria d’Arte Moderna e Contemporanea mit wechselnden Ausstellungen und der großartige Festsaal Salone d’Onore.

13 Uhr: Mittagessen im Grünen – nur gut 700 Meter hinter der Piazza Ariostea, also fast mitten in der Stadt, überrascht ein vier Hektar großer Bauernhof, der Besuchern das Gefühl vermittelt, auf dem Land und in der Natur zu sein. Der Betrieb heißt Associazione Nuova Terraviva und versteht sich als Verfechter der biodynamischen Landwirtschaft und der Waldorf-Lehren. In diesem bukolischen Umfeld steht der Agriturismo Principessa Pio, ein eleganter Landgasthof mit feiner regionaltypischer Küche und einem wunderschönen Garten. Übernachten kann man hier übrigens auch.

15.30 Uhr: Palazzo Schifanoia – zurück in die Renaissance und zu den d’Este. Palazzo Schifanoia, Via Scandiana 23, wurde Ende des 14. Jahrhundert auf Wunsch von Alberto V d’Este gebaut. Der Name weißt auf die Bestimmung hin: „schivar la noia“ bedeutet die Langeweile zu vertreiben – alles hier war dem Müßiggang gewidmet und sollte den Regenten die Möglichkeit bieten, mit rauschenden Festen und großen Empfängen dem eintönigen Hofleben zu entfliehen. Heute gehört der Palast der Stadt und dient als Museum. Noch bis zum 10. Januar ist eine Ausstellung über das Gold der d’Este zu sehen. In einem Nebengebäude im weitläufigen Palast-Garten – der bezeichnenderweise „Giardino dell’Amore“ heißt – wurde ein nostalgisches Café mit Tischen im Freien eingerichtet.

Ferrara
Via delle Volte – die mittelalterliche Gasse entstand zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert. – Foto Archivio Fotografico Provincia Ferrara

17.30 Uhr: Bummel durch Via delle Volte – die mittelalterliche Gasse entstand zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert, als der Fluss Po noch bis in die Altstadt reichte. Auf der einen Straßenseite stehen die ehemaligen Lagerhallen, auf der anderen und durch überbaute Rundbögen verbunden, befinden sich die Häuser und Werkstätten der Kaufleute. Die alten Gebäude sind inzwischen schön renoviert und eine beliebte Wohnadresse. Hier und dort sind kleine Trattorien und Läden eingezogen, doch vom Trubel des Stadtzentrums ist nur wenig zu spüren.

19.30 Uhr: Apero in der Bar Birraria Giori – zu Füßen des Castello Estense liegt mitten im historischen Zentrum Ferraras die Birraria Giori an der Piazza Savonarola. Bereits seit dem Mittelalter sind an diesem Platz tagsüber Handelstreibende und Marktstände zu finden – abends trafen sich hier schon Ende des 19. Jahrhunderts die Ferraresi auf ein Getränk. Der Gastronom Guelfo Giori erhielt in dieser Zeit auch die Erlaubnis, das Lokal um einen Glaspavillon zu erweitern, um somit die Sicht auf das prominente Castello nicht zu versperren. Heute trägt die Bar seinen Namen, abends trifft sich dort Jung und Alt auf ein frisch gezapftes Bier oder ganz klassisch einen Aperol Spritz. Dazu gibt es herzhafte Snacks, Panini und Melone mit Schinken.

20.30 Uhr: Abendessen in der Trattoria Da Noemi – vor über 60 Jahren eröffnete die Mutter der derzeitigen Besitzerin Maria Cristina dieses sympathischen Restaurant in einer von Ferraras mittelalterlichen Gassen und gab ihm ihren Namen. Seitdem hat sich wenig geändert. Aus der Küche kommen die Traditionsgerichte der Region: Salamina da sugo (eine regionaltypische Wurst) oder gefüllte Wachteln aus dem Ofen. Insider bestellen den legendären Pasticcio di Maccheroni, der täglich frisch von Maria Cristina zubereitet wird, und dazu einen roten, sanft perlenden Lambrusco.

Tag 2 in Ferrara

Der geschichtsträchtige Palazzo Schifanoia wurde im 14. Jahrhundert errichtet. – Foto Massimo Baraldi

9 Uhr: Radtour – zu den imposantesten Sehenswürdigkeiten Ferraras zählt die antike, neun Kilometer lange Stadtmauer – am besten lässt sie sich mit dem Rad erkunden. Auf der Tour kommt man an den Ruinen mächtiger Forts sowie an Schutzwällen, Wachtürmen, Schießscharten, Toren und Durchgängen vorbei, die die im Laufe der Jahrhunderte entwickelten Verteidigungstechniken bezeugen. Gleichzeitig bildet die in üppiges Grün eingetauchte Stadtmauer einen riesigen Garten, der von Einheimischen als Rast- und Begegnungsstätte genutzt wird.

11 Uhr: Besuch des jüdischen Museums MEIS – dass Italiens nationales jüdisches Museum in Ferrara gebaut wurde, dürfte der Geschichte der Stadt als Zentrum des italienischen Judentums zu verdanken sein. Das Ende 2017 eröffnete Museo Nazionale dell’Ebraismo (MEIS) versteht sich weder als Museum des Holocausts noch als Museum der jüdischen Geschichte, sondern soll vielmehr die Geschichte einer Migration und des oft prekären Miteinanders einer Volksgruppe in wechselnden Umgebungen dokumentieren. Die Dauerausstellung, die regelmäßig ergänzt und überarbeitet wird, erzählt von den Erfahrungen der Juden in Italien von den ersten Zeugnissen im alten Rom bis zur Renaissance und zur kulturellen Blüte der Halbinsel. Begegnungen, Alltag und Austausch werden durch Objekte, künstlerische Arbeiten, multimediale Installationen und Videos dargestellt.

12.30 Uhr: Bummel durch das jüdische Ghetto – unter der religionstoleranten Regentschaft der d’Este siedelte sich ab dem 12. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde in Ferrara an, im 16. Jahrhundert galt sie als die größte Italiens. Nach dem Fall der Stadt an die Kirche wurde das Viertel zwischen Via Mazzini und Via delle Volte in ein Ghetto verwandelt – zugemauerte und vergitterte Fenster und Türen in der Via Contrari zeugen davon. Ferraras Synagoge ist in einem Palazzo an der Via Mazzini untergebracht. Der weitläufige Backsteinbau war ein Geschenk des reichen Bankiers Samuel Melli, er beherbergt auch ein jüdisches Zentrum, das von der nur noch kleinen Gemeinde genutzt wird. Neuerdings hat sich das Ghetto zum alternativen Viertel und zum Treffpunkt der Jugend gewandelt. An der Via Mazzini und der Via Saraceno stehen trendige Cafés und Bars, dazwischen gibt es nette Trattorien.

Gaumenfreude in Ferrara: die Cappellacci di zucca ferraresi. – Foto Archivio Fotografico Provincia Ferrara

13 Uhr: Mittagessen in der Osteria del Ghetto – Originelles, auf zwei Etagen verteiltes Lokal mit einem fröhlichen Wandgemälde und einer Reihe Tische vor der Tür. Die betagte Besitzerin Signora Laura empfängt ihre Gäste mit herzlicher Gastfreundschaft und empfiehlt die Spezialitäten des Tages: frittierte Sardellen, Kürbis-Flan, Pasta mit Auberginen, Tomaten und Minze, Fischsuppe, Schokoladenkuchen – alles köstlich! V

15 Uhr: Besuch von Casa Romei – diese prachtvolle Residenz an der Via Savonarola 30 wurde von Giovanni Romei errichtet, Verwalter des Marktgrafen von Ferrara und Ehemann der Prinzessin Polissena d’Este. Auch Kardinal Ippolito II. d’Este wohnte während seiner Ferrara-Besuche gerne in diesem Palast mit wunderschönem Innenhof. Besucher bekommen eine interessante Kunstsammlung zu sehen, die aus verschiedenen, nicht mehr existierenden Gebäuden Ferraras zusammengetragen wurde. Im Erdgeschoß sind Friese aus Marmor und Backstein, Skulpturen, Wappenschilder und Grabsteine zu sehen, während man auf dem Piano Nobile zahlreiche aus alten Kirchen stammende Fresken bewundern kann.

16.30 Uhr: Shopping – wir sind schließlich in Italien! Hübsche Läden sind überall in der Stadt verteilt, als Haupteinkaufsachsen gelten Corso della Giovecca (Luisa Spagnoli, Margarita Gioielli, Spazio Pritelli), Corso dei Martiri della Libertà (Geox, Clarks, Max Mara) und Via Mazzini (Gioielleria Tebaldi, Rinascimento, Newton Store).

Die Casa Romei besticht durch ihre beeindruckenden Wandmalereien. – Foto Massimo Baraldi

19 Uhr: Aperitivo im Al Brindisi – laut Guinessbuch der Rekorde ist dies die älteste Osteria der Welt. Die stilvoll verlotterte Weinbar galt bereits 1435 als eine etablierte Trinkhöhle in der Tizian, Benvenuto Cellini, Torquato Tasso und Papst Johannes Paul II zu Gast waren. Einheimische treffen sich gerne am frühen Abend an der Bar oder an den Tischen vor der Tür und lassen sich das eine oder andere Glas Wein einschenken.

20 Uhr: Abendessen im Ca’d’Frara – Inhaber Barbara und Elia haben ihr schick-modernes Altstadtlokal mit viel Geschmack gestaltet und achten auch darauf, dass alles, was aus der Küche kommt, regional, authentisch und zugleich zeitgeistorientiert schmeckt. Natürlich gibt es hier Ferrareser Spezialitäten wir Kürbis-Cappellacci und Schweinefüßchen auf weißen Bohnen aber auch ein wunderbares Meeresfrüchte-Risotto und einen Wolfsbarsch mit Zitrone und Spargel.

Weitere Informationen zu Ferrara unter www.visitferrara.eu.