Wien und der Wein, Wien und der Walzer, ja,ja. Alles herrlich, alles schön. Hinreißend schön ist die Stadt auch, wenn es schneit! Nicht so voll. Ruhiger. Die Museen sind leer, die Gassen voller Romantik, Zeit der Kaffeehäuser – und der Wiener Küche.
Der schlanke Turm des gotischen Stephansdoms strahlt weithin sichtbar, es ist Kaiserwetter in Wien. Die Farben klarer, der Wind rauer, die Kontraste schärfer. Besonders, wenn man von der Terrasse des Grand Ferdinand am Schubertring auf die „kultivierteste aller Städte“ schaut. Kuppeln wölben sich in den blauen Himmel, Paläste und Kirchen kommen ins Blickfeld. Es beeindruckt die Fülle an imperialem Erbe auf kleinstem Kreis. Und doch: bei all den imposanten Barockbauten und den architektonischen Spielereien des Jugendstils, trotz schlichter Gotik und liebenswertem Biedermeier ist es das Fluidum dieser Stadt, dass dich gefangen nimmt.
Winterliebe mit Kunst und Genuss
Wien im Winter will festlich sein, kostbar und strahlend. Die Stadtväter haben deshalb mit „Winterliebe“ Kunst und Genuss zur Devise erhoben, geradeso, als gälte von nun an für Jedermann ein schwungvoll-barockes Lebensgefühl.
Warum Wien gerade jetzt? Im Winter sind die Wiener unter sich, gelassener, freundlicher, granteln weniger. Hektik, Touristenmassen, Kommerz – alles ist runtergeschraubt. Dennoch findet der Kutscher auf dem Fiaker – nach wie vor mit runder Melone – noch seine Fahrgäste, die es sichtlich genießen, sich mit Hufgeklapper durch das Gedränge von Autos und Straßenbahnen zwischen Stephansdom und Hofburg kutschieren zu lassen.
Geheimnis der Schneekugel
Es ist kalt an diesem Morgen. In der schmalen Schumanngasse erwartet uns Erwin Perzy. Original Wiener Schneekugeln mit über 350 Motiven sind das Metier der Perzys seit Generationen. Wer nach einem speziellen Souvenir sucht, ist hier richtig. In seiner Hinterhoffabrik mit kleinem Museum designt Perzy alles, was gewünscht wird – darunter Präsidentenkugeln mit Clinton, Obama, Reagan, Winterlandschaften, Exotisches, Erotisches. „Unser Verkaufsschlager bleibt der Schneemann“, erzählt Perzy.
Dicke Kugeln plumpsen in tiefe Taschen, vergnügt geht es ins Café Diglas zum Aufwärmen. In dem Traditionshaus mit frischem Interieur-Lifting sind wir umtönt von reinem Wienerisch. An Einzeltischen sitzen einzelne Herren, schweigend, vertieft in Zeitungen. Welches Heißgetränk? Qual der Wahl: Einspänner, Fiaker, Kapuziner, Großer Brauner? „Wissen Sie’s schon oder soll i empfehlen?“ Der Westenträger notiert „Maria Theresia“, eine Melange mit Schlag Obers und einem Glas Rum, dazu auf silbernem Tablett hausgemachte Mehlspeisen. Köstlich! Und der Abend? Der zieht sich wunderbar hin im Hotelrestaurant bei einem Schnitzel, Wiener natürlich.
Kunst und Kultur
Am nächsten Morgen kein Schnee, aber klirrende Kälte. Der Portier entlässt uns ohne Neid in den dunstigen Frost. Im barocken Garten des Palais Liechtenstein duckt sich das immergrüne Bosquett unter dem strammen Wind. Drinnen, in der „Sala Terrena“, schweben Göttergestalten über Decken und Wände. Die kunstsinnigen Wiener wandeln gewissermaßen unter Göttern durch die herrliche Privatsammlung Alter Meister, die Fürst von Liechtenstein vor 20 Jahren dem Volke zugänglich gemacht hat. Wir staunen über die Fülle der Gemälde und Skulpturen: Hauptwerke von Rubens und Rembrandt, van Dyck, Frans Hals, Mantegna, Bellotto – und erst der Rokoko-Saal!
Wir verlassen das Palais über die barocke Strudlhofstiege und denken: felix Austria! Es naht der Abend des Welcome Dinners im Salonplafond Restaurant im MAK, Museum für angewandte Kunst. Kluge Leute haben verstanden, aus der Verbindung von Kunst und Kulinarik den vollkommensten Lustgewinn zu ziehen. Barocke Bildfantasien verwandeln sich unter der Hand von Floristen und Köchen in sinnenberauschende Tafeldekorationen.
Stilvoll speißen
Auch unter der Kuppel des Kunsthistorischen Museums – ein paar Straßenbahnstationen weiter – werden festliche Dinner zelebriert. Als wir aussteigen, treibt uns – wie abgekartet mit dem Touristenamt – ein frischer Wind dem Semperbau zu. Schon das Treppenhaus, ausgeschmückt mit Marmor aus Carrara, Spanien, Österreich, ein Hochgenuss.
Gut vorstellbar, wie man sich in den Säulengängen der Caféteria zwischen Hors d’oeuvre, Hauptgang und Dessert an den Künsten erfreut und wie man dann – Glas in der Hand und weinbeschwingt – an den Granden der Malerei von Michelangelo über Dürer, Rembrandt, Rubens bis Brueghel vorbeizieht. Kostbarkeiten, die die kaiserlichen Habsburger über die Jahrhunderte zusammengebracht haben.
Lebendige Caféhauskultur
Das gute, alte Wiener Café! 2.500 gibt es davon. In den 1960ern vielen Künstlern ein zweites Zuhause, ein Ort der Behaglichkeit. Laut Stefan Zweig ist es eine Institution besonderer Art, mit keiner ähnlichen vergleichbar. Wo jeder Gast bei einer billigen Schale Kaffee stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und unbegrenzt Zeitungen konsumieren kann. Eine eigene Welt: „Nicht daheim und doch zu Hause“.
Auf eine Melange sitzen wir im Landtmann, vis-à-vis vom neugotischen Parlament und ein Steinwurf weit vom Burgtheater. Es ist Wiens elegantestes Café mit Terrasse und berühmter Kundschaft von Freud bis McCartney. Dazu passt, dass die Damen ungeniert ihre Pelzmäntel tragen und nicht – wie die „Proleten“ – vom „Handy“ sprechen. Hier heißt das: „I glaub, dei Handtelefon klingelt.“ Und zum Abschied heißt es nicht leise Servus, sondern: „I derf mi scho mal vertschüssen.“ Wir bleiben, lassen uns erst einen Tafelspitz servieren, danach den Überstürzten Neumann: Schlagobers in die Tasse, darüber gestürzt ein doppelter Espresso, fertig. Vorzüglich zu Maroniblüte oder zu Schaumrolle.
Architektonische Pracht an der Ringstraße
Eine Ringbahn-Umrundung mit der Tram 1 oder 2 ist wie eine Sightseeing-Tour. Die Ringstraße kennt jeder. Harmonisch gesäumt von Prachtbauten umschließt sie die Innenstadt, Wiens breiteste Straße der Selbstdarstellung. Alles Historische, Staatsoper, Universität, die Alten Meister, das Museums Quartier, Kirchen, Parks – hier ist Wien, wie es sich selbst am liebsten sieht, groß und glanzvoll, wie zu Kaisers Zeiten ein nobles Geschachtel.
Was wäre Wien ohne Musik, gerade im Winter? Am Abend spielen im Goldenen Saal des Musikvereins die Wiener Symphoniker auf. Was für ein Ort, Hochgenuss für Ohren und Augen. Das Belvedere am nächsten Tag, einst Sommerschloss des „Türkenbezwingers“ Prinz Eugen und eins der schönsten Barockbauten der Welt, war immer beides: ein Ort der Kunst und ein Ort der Macht. Die gesamte Geschichte der Schlossanlage von 1732 bis heute erzählt die neue Ganzjahresausstellung „300 Jahre Ort der Kunst“ in der Orangerie im Unteren Belvedere. Kompakt, gut gemacht. Im Oberen Belvedere die „Moderne Galerie“ mit Gemälden von Egon Schiele und Gustav Klimt – der „Kuss“ zieht an, jeden…
Wissenswertes kompakt
Informationen: www.wien.info
Anreise: Mit Austrian Airlines von vielen deutschen Flughäfen direkt nach Wien.
Kaffeehäuser: Jedes Kaffeehaus hat sein eigenes Publikum. Das Sacher, Café Central, Hofzuckerbäcker Demel und Sperl kennt jeder Wienbesucher. Das Literatencafé schlechthin ist heute das Prückel, wo man schon mal die Jelinek sieht. Im Hawelka trafen und treffen sich vorwiegend Intellektuelle, im Landtmann verkehrt u.a. Prominenz aus Kunst, Politik, Schauspiel und Musik. Im Café Diglas sitzen Genießer, die die leise, unaufdringliche Atmosphäre schätzen.
Nützlich: Volle Mobilität hat man mit der Vienna City Card: per Bus, Tram, U-Bahn kann man ganz Wien erobern u.m. für 24, 48 oder 72 Stunden, ab 17 Euro
App: Wer mag, kann Wien unterhaltsam mit „ivie“ erleben, der kostenlosen City-Guide-App.
Unterkunft: Zentral gelegen am Boulevard Ringstraße: Hotel Grand Ferdinand, Schubertring 10-12, mit überraschender, einzigartiger Innenausstattung. Das Restaurant Meissl & Schadn nebendran ist ein Geheimtipp für Wiener Schnitzel.
Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.