Der Vatikan – Ministaat voller Superlative

Vatikan
Blick über den Tiber auf den Vatikan mit den runden Kuppeln des Petersdoms.

Mit einer Hellebarde steht ein Wachmann in einer plüschigen, gelb, rot und blau gestreiften Uniform mit hohem weißem Kragen vor dem schweren Bronzetor. Es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben. Das Mittelalter lässt grüßen – und dies im 21. Jahrhundert. Ein merkwürdigen Anblick, der sich hier auftut. Der Soldat ist nicht Teil eines Museums, sondern gehört zur kleinsten und wohl unumstritten farbenprächtigsten Streitmacht der Welt, der Schweizer Garde. Die ungewöhnliche Elitetruppe wacht über einen ebenso ungewöhnlichen Staat: den Vatikan. Wie eine Insel liegt der kleinste Staat der Erde im Herzen von Rom, der Hauptstadt Italiens.

Vatikan
Die Schweizer Garde wacht seit rund 500 Jahren im Vatikan.

Fälschlicherweise glauben viele, der Vatikan sei Teil der ewigen Stadt am Tiber. Doch weit gefehlt. Seit 1929 ist die Wahlmonarchie als souveräner Staat anerkannt. Dabei entpuppt sich der Zwergstaat als eine Miniwelt voller Superlative. Bei einer Fläche von 0,44 Quadratkilometern ist der Vatikan gerade einmal so groß wie 60 Fußballplätze. Nur ein kleiner Teil der Staatsfläche ist für Besucher zugänglich – etwa der Petersplatz mit seinen faszinierenden Säulengängen oder der prachtvolle Petersdom. Der Rest liegt hinter dicken Mauern versteckt. Davor wacht die kleinste Armee der Welt, dahinter liegen der Amtssitz des Papstes, des Oberhauptes der katholischen Kirche und von rund 860 Millionen Gläubiger weltweit.

Latein als Staatssprache

Gläubige auf dem Petersplatz.

Der Vatikan, dessen offizielle Staatssprachen Lateinisch und Italienisch sind, nennt einen Radiosender sein eigen, verfügt über einen eigenen Bahnhof, eine eigene Post, gibt eigene Briefmarken und die ob ihrer geringer Auflage begehrtesten Euromünzen heraus. Sogar eine eigene (zivile) Polizei, „Corpo di Vigilanza“ genannt, eine Tankstelle sowie ein eigenes Gefängnis, das Platz für zwei Personen bietet, dürfen nicht fehlen. Nicht zu vergessen ist die mit einer Fahrstrecke von 200 Metern wohl kürzeste Eisenbahnlinie der Welt. Allerdings verkehren die Züge hier nicht nach Fahrplan. Primär wird das Streckennetz zum Gütertransport genutzt. Daneben unterhält der Vatikan eine eigene Fußballnationalmannschaft und eine eigene Liga. Allerdings ist der Vatikan kein Mitglied des Weltverbandes FIFA und des europäischen Verbandes UEFA und nimmt daher auch nicht an WM- oder EM-Qualifikationen teil.

Kreisrund ist der von Säulen gesäumte Petersplatz.

Das religiöse Zentrum für 860 Millionen Menschen auf der ganzen Welt zählt gerade einmal gut 900 Einwohner. Die vatikanische Staatsangehörigkeit besitzen alle Kardinäle und Prälaten, die im Vatikan wohnen oder wichtige Funktionen bekleiden. Hinzu kommen die diplomatischen Vertreter des Heiligen Stuhls im Ausland, ungefähr 50 Laien sowie natürlich die Mitglieder der Schweizer Garde. Deren Tradition reicht rund 500 Jahre zurück, als furchtlose Schweizer Söldner die Fürsten Europas für ein stattliches Salär beschützten. Papst Julius II. hatte 1506 nach Verhandlungen mit den Schweizer Kantonen Zürich und Luzern die tapferen Kämpfer als permanentes Korps von Wachsoldaten vor der päpstlichen Residenz verpflichtet.

Im Schutz der Engelsburg

Vatikan
Statue des Apostels Paulus vor dem Petersdom.

Bis zum heutigen Tag fußt die Sonderstellung der Elitetruppe auf einem historischen Ereignis: Am 6. Mai 1527 verteidigten die wehrhaften Gardisten in einem blutigen Massaker das Leben von Papst Clemens VII. gegen ein Übermacht spansicher und deutscher Landsknechte. Von 189 Gardesoldaten ließen dabei 147 ihr Leben. Den übrigen 42 gelang es, den Heiligen Vater in die nahe gelegene Engelsburg in Sicherheit zu bringen. Seither bürgt die Schweizer Garde im Vatikan und bei Auslandsreisen für die Sicherheit des Papstes. Der Wahlspruch der „Guardia Svizzera Pontificia“ so der offizielle Titel der Miniarmee, lautet: „Immer tapfer und treu“.

Über den Kolonnaden erheben sich nicht weniger als 140 Heiligenstatuen in einer Größe von je 3,2 Meter.

Nahezu unverändert blieb im Laufe der Jahrhunderte das Anforderungsprofil an die Gardesoldaten: Sie müssen Angehörige des römisch-katholischen Glaubens, ledig und jünger als 30 Jahre sein sowie ein Mindestmaß von 176 Zentimetern aufweisen. Außerdem müssen die Anwärter die Staatsbürgerschaft der Eidgenossen besitzen und in der Schweiz ihren Militärdienst abgeleistet haben, um in die schmucken Renaissance-Uniformen schlüpfen zu dürfen. Diese sind übrigens nicht, wie gerüchteweise verbreitet wird, von Michelangelo entworfen worden. Auf jeden Fall aber sind die Männer in der farbenfrohen Kluft zu einem Markenzeichen für einen Ministaat geworden, hinter dessen Mauern viel Interessantes zu entdecken ist.

Wöchentliche Audienz

Eine riesige Säule erhebt sich inmitten des Petersplatzes.

Übrigens, jeden Mittwoch hält der Papst vormittags eine Generalaudienz auf dem Petersplatz ab. In den Wintermonaten und bei schlechtem Wetter findet sie in der Vatikanischen Audienzhalle statt. Auf dem Petersplatz selber befinden sich insgesamt vier große Videowände, auf denen die Menschen bei Generalaudienzen und anderen Veranstaltungen die Ereignisse mitverfolgen können. Weitere Informationen unter www.vatican.va.