Colonia Güell – die Industriekathedrale des Antonio Gaudi

Weit weniger als die Sagrada Familia, der Parque Güell oder das Wohnhaus La Pedrera in Barcelona ist die noch in Betrieb befindliche Industriesiedlung Colonia Güell des genialen Architekten Antonio Gaudi bekannt. Sie befindet sich in Santa Coloma de Cervelló, 15 Minuten mit dem Zug von der katalanischen Hauptstadt entfernt. Wie viele andere europäische Industriesiedlungen wurde sie errichtet, um den Arbeitern Wohnraum zu bieten und sie gleichzeitig vor den damaligen revolutionären Strömungen entfernt zu halten. Sie unterscheidet sich aber grundlegend durch die humanistische und paternalistische Geisteshaltung ihres Gründers, dem Textilfabrikanten Eusebio Güell, der sich stark für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Arbeiter einsetzte.

Die Fabrikstadt war ausschließlich für die Arbeiter seiner Cord- und Samtfabrik errichtet und mit verschiedenen kulturellen, religiösen und Freizeiteinrichtungen ausgestattet worden. So gehörten ein Krankenhaus, ein Gasthaus, Schulen, Geschäfte, ein Theater, eine Kooperative und eine, inzwischen weltberühmte, Kapelle zu ihr.  Die Plaza in der Mitte der Stadt, auf der eine Statue zu Ehren ihres Begründers steht, ist von Arbeiterhäuschen mit sichtbarer Ziegelfassade im Stil des Modernismus umgeben. Unweit davon entfernt befindet sich das ehemalige Theater „Ateneu Unió“ und die ehemalige Schule, die heute als Kindergarten dient. Etwas weiter weg liegt eines der wenigen modernistischen Bauernhäuser in Katalonien, das die Industriesiedlung einst mit Lebensmitteln versorgte.

Zu Beginn de spanischen Bürgerkriegs wurde die Fabrik verstaatlicht. Nach seinem Ende kaufte die Familie Güell die Fabrik zurück, um sie bereit 1943 an einen anderen Unternehmer, Bertrand Serras, zu veräußern. In Folge der industriellen Textilkrise schloss die Fabrik 1973 ihre Tore. Dennoch erweist sich die Siedlung fast 40 Jahre nach der Fabrikschließung mit 770 Einwohnern, alles ehemalige Fabrikarbeitern oder deren Nachfahren, als äußert lebendig.

Das Schmuckstück der Siedlung ist die Kirche, die unter dem Namen Crypta Güell bekannt ist. Bei ihrer Errichtung konnte Gaudi bereits mit zahlreichen seiner später in anderen Projekten verwendeten architektonischen Lösungen experimentieren. Wegen wirtschaftlicher Probleme blieb die Kirche unvollendet. Es können jedoch das Eingangsportal, die Krypta, die Aufgangstreppe sowie die Basis eines der Glockentürme besichtigt werden. Durch das Portal – eine Anordnung geneigter Säulen – gelangt der Besucher in die Krypta mit ihrem sternförmigen Grundriss und den Ziegel- sowie Basaltpfeilern. Diese bis zur Perfektion in die sie umgebende Natur eingebettete Kirche gilt aufgrund der angewandten architektonischen Lösungen als eines der emblematischsten Bauwerke Gaudís.

Geöffnet ist die Industriesiedlung Colonia Güell vom 1. Mai bis 31. Oktober von Montag bis Freitag zwischen 10 und 17 Uhr; am Samstag und Sonntag jeweils von 10 bis 15 Uhr sowie vom 1. November bis 30 April von Montag bis Freitag zwischen 10 und 19 Uhr
; am Samstag und Sonntag von 10 bis 15 Uhr. Der Eintritt beträgt 6 Euro. Weitere Informationen unter www.gaudicoloniaguell.org.