Es ist Sturmsaison in St. Peter-Ording. Die Zeit der höheren Tiden und Wellen. Jetzt, wenn der Wind stärker pfeift als sonst und die Nordsee zum Blanken Hans wird, ist Boy Jöns ganz besonders in seinem Element. Natürlich wegen seiner Verbundenheit zur Nordsee, zur Küste und zur Brandung. Aber auch wegen der Leidenschaft, die er zum Beruf machte: Bernstein.
Es ist Sturmsaison in St. Peter-Ording. Die Zeit der höheren Tiden und Wellen. Jetzt, wenn der Wind stärker pfeift als sonst und die Nordsee zum Blanken Hans wird, ist Boy Jöns ganz besonders in seinem Element. Natürlich wegen seiner Verbundenheit zur Nordsee, zur Küste und zur Brandung. Aber auch wegen der Leidenschaft, die er zum Beruf machte: Bernstein.
Generell wäre er am liebsten jeden Tag auf der Sandbank. „Rund 300 Tage im Jahr gehe ich an den Strand, immer bei ablaufender Flut“, berichtet Boy Jöns. „Ich weiß genau, wo ich suchen muss und finde dort das ganze Jahr über Bernstein.“ Die allerbeste Zeit, um am Strand Beute zu machen, ist jedoch nach den Winterstürmen. „Manchmal reichen meine Taschen dann nicht aus“, sagt er.
Bernstein von allen Seiten betrachtet
Ein sehr erfolgreicher Bernstein-Finder also. Aber Boy Jöns ist auch Bernstein-Fachhändler, Bernstein-Geschichtenerzähler, Bernstein-Workshopleiter und Bernstein-Museumsbetreiber. „Ich bin Bernstein-Botschafter“, sagt er schlicht. Obwohl das etwas verkürzt erscheint für jemanden, dessen Ruf als Fachmann längst weit über St. Peter-Ording hinaus geht. Zum Beispiel, weil sein Nordsee-Bernsteinmuseum einzigartig ist und dazu ein beliebter Anlaufpunkt für Familien.
Als echter Magnet erweist sich jedoch erstmal die riesige Sandkiste direkt neben dem Gebäude. „Wir haben dort 100 Schubkarren Sand aufgeschüttet und darin viele kleine Bernsteine verteilt“, erzählt Boy Jöns. „Dienstags um 16 Uhr dürfen Kinder nach Herzenslust buddeln und mitnehmen, was sie finden.“ Der perfekte Einstieg, um von klein auf Leidenschaft für Bernstein zu entwickeln.
Auch im Museum selbst bietet Boy Jöns spannende Attraktionen. Fundstücke wie 14.000 Jahre alte Schmucksteine oder eine 2.000 Jahre alte Bernstein-Haarspange zum Beispiel, die die Jahrtausende währende Bedeutung des Materials für den Menschen illustrieren – insbesondere an der Nordseeküste. Der reiche, über Jahrzehnte gesammelte Fundus im privat geführten Museum bietet jedoch nicht nur ausgewählte Kleinode in Vitrinen, sondern auch anschauliche Modelle und Erklärungen rund um das Thema fossiles Harz.
Sie zeigen, wo sich Bernstein am Strand gerne versteckt, oder wie Bernstein im Wikinger-Haushalt verwendet wurde. Besonders mystisch wird es im künstlichen Wald, der die Entstehung des Bernsteins veranschaulicht, und im sogenannten Inklusen-Kabinett mit Bernsteinen, die Insekten oder Pflanzen konservieren.
Bernstein perfekt in Szene gesetzt
Seien es die Exponate im Museum oder auch der Schmuck im Geschäft: Die Schönheit und die Vielfalt von Bernstein sind im ganzen Haus allgegenwärtig. „Das Material macht einfach Freude“, sagt Boy Jöns. „Allein die unterschiedlichen Formen und Farbgebungen des Bernsteins von Hellgelb über Orange bis zu dunklem Rot sind faszinierend.“
Dieser tiefe Respekt zeigt sich auch in der Verarbeitung der Steine zu Schmuckstücken. Viele der in Silber gefassten Bernsteine werden lediglich geschliffen, bleiben nah an ihrer ursprünglichen Form und somit ganz natürlich.
Bernstein-Botschafter in Aktion
Seine Faszination für und seinen Respekt vor Bernstein gibt Boy Jöns gerne in seinen Kursen weiter. Museum aktiv nennt er sein Programm, das Vorträge, Schleifkurse für Kinder, Bernsteinbearbeitungskurse und -workshops für Erwachsene sowie Angebote für Schulklassen und Gruppen umfasst. „Für Kinder ist es das Größte, ihren eigenen Bernstein zu schleifen und mitzunehmen“, berichtet Boy Jöns. „Erwachsene verlassen die Workshops immer mit einem selbst gemachten Schmuckstück. Dadurch haben die Kurse besonders für Gruppen – bei einem Junggesellinnenabschied oder dem Rahmenprogramm einer Veranstaltung zum Beispiel – einen hohen Erinnerungswert.“
Selbstverständlich plaudert Boy Jöns während seiner Veranstaltungen auch aus dem Nähkästchen und gibt Tipps, wie man Bernsteine erkennt oder wo und wann sie in St. Peter-Ording am besten zu finden sind. Wer einmal bei ihm war, wird den Strand anschließend mit anderen Augen betrachten. „Ich gebe mein Wissen gerne weiter“, sagt der Bernstein-Botschafter zum Schluss. „Aber ich komme nicht mit raus.“ Denn am schönsten sind Bernstein-Entdeckungen am Strand, wenn man sie allein macht. Nach den Stürmen und bei ablaufendem Wasser natürlich.
Die Geschichte des Nordsee-Bernsteinmuseums
In der heutigen Form eröffneten Boy Jöns und seine Familie das Museum im Obergeschoss des hübschen Hauses in der Dorfstraße 15 im Jahr 2001. Doch seine Geschichte begann bereits 1953, als Boys Vater Horst Jöns das fossile Harz für sich als Hobby entdeckte und anfing Schmuck und Steine zu sammeln. Im eigenen Kolonialwarenladen verkaufte er Bernstein zunächst nur im kleinen Umfang. Hauptgeschäft waren Andenken, Geschirr, regionale Keramik und Metallkunst. Aber ganz nebenbei steckte er auch seinen Sohn mit der Leidenschaft für Bernstein an.
Ab 1989 stellten die beiden die Sammlung dann in ersten Schauvitrinen aus, 1992 übernahm Boy Jöns das Geschäft und baute es schließlich zum Bernsteinfachgeschäft mit Museum um. Im Erdgeschoss bietet Boy Jöns seither Schmuck, den mehrere Goldschmiede für ihn herstellen und der zum Teil nach Entwürfen der Familien gearbeitet wird. Das Nordsee-Bernsteinmuseum im Obergeschoss ist das einzige seiner Art an der Westküste und hält viele kulturhistorisch bedeutsame Exponate und Modelle für kleine und große Besucher bereit. In der Werkstatt des Hauses finden auch Vorträge, Kurse und Workshops statt. Weitere Informationen unter www.nordsee-bernsteinmuseum.de und unter www.st-peter-ording.de.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.