
Vor gut hundert Jahren, als das Erz die Stadt reich machte, wurden in Bilbao prächtige Jugendstil-Häuser gebaut, eine Art-Déco-Markthalle, das modernste Theater Europas. Mit dem industriellen Niedergang mutierte Bilbao zur hässlichsten Stadt Europas.

Vor 20 Jahren dann die wunderbare Wiederauferstehung. Frank O. Gehry erbaute am Ufer des Río Nervíon das Guggenheim-Museum. Ein Gebäude, mal wie ein Fisch, mal wie ein Schiff oder eine geöffnete Blüte, im Schuppenkleid aus Titan. Es folgten Metro, Brücken, Hotels, Flughafen – von Architekten wie Santiago Calatrava und Norman Foster. Die Touristen kehrten zurück, Bilbao ist schön und boomt.

Und da ist die Altstadt mit den „Siete Callas“, der Kathedrale, der Plaza Unamuno, den Cafés Iruna und Boulevardar. Kulinarisch sind die Basken eh nicht zu toppen: nirgends auf der Welt gibt es mehr Sterneköche auf engstem Raum. Deren Einfälle kopieren die Chefs der Tapas-Bars – dicht an dicht in der Altstadt -, wo sich bis zum frühen Morgen das feiernde Volk bei leckeren Pinchos, den Tapas, Bier und Sidra drängt.

Die raffinierte Kulinarik, die museale Kultur und die herrliche Natur erfahren die Radler auf der Reise durch die drei baskischen Provinzen Gipuzkoa, Bizkaia und Araba. Per Fahrrad kann ein ganzer Landstrich mit eigener Kraft, selbstgewähltem Tempo und allen sinnlichen Genüssen erlebt werden.

In Portugalete setzt uns die höchste Schwebefähre der Welt, Unesco-Welterbe, über den Nervíon. Familien sind unterwegs, belagern im Badeort Getxo die Tapas-Theken, probieren Häppchen mit Tintenfisch und Knoblauch, Ei und Kräutern, Chorizo und Bacalao (Kabeljau). Wir steigen die Treppen hinauf zum Dorfplatz, sitzen mit unseren Tellern unter schattigen Platanen, die Musik spielt und Künstler preisen ihre Werke an – Biergarten auf Baskisch.

Vorbei an der Hauptstadt Vitoria Gasteiz radeln wir am Stausees Umbalse de Ullibarri entlang. Auf 700 Meter müssen wir, der Elektroradler schiebt den Ganghebel in die vierte Dimension und hoch geht’s. Die erste Station auf unserer „Vuelta de Espana“ ist erreicht: wir ‚residieren‘ und speisen fürstlich in einem Renaissance-Palast, heute ein Parador, ein staatlich geführtes Luxushotel. Über die Terrasse schlingern köstlich Düfte von Steaks und gegrilltem Seehecht.

Auf 1020 Meter bringt uns der Begleitbus auf das Hochplateau der Sierra de Urbasa. Es ist kühl, die Windjacke tut gut. Hinab geht’s konzentriert auf welligem Relief; über uns Gänsegeier. Es riecht nach Kiefern, wir rauschen an Buchenwäldern und sattgrünen Adlerfarnen vorbei. Heidekraut blüht, tausende Herbstzeitlose, dazwischen Wildpferde. Findlinge quer überm Weg markieren die Grenze zu Navarra.

Richtung Estella geht der Märchenwald über in leuchtend grüne Wiesen, Holunderbüsche ducken sich, eine Schafherde zieht hügelaufwärts. Am Horizont die Steinabbrüche der Sierra de Santiago de Loquiz.
In und um Estella zeigt sich Navarras Historie: romanische Kirchen, Klöster und Paläste. „Estella la bella“ heißt es bis heute. Man konkurrierte sogar mit den Pilgerstädten Burgos und Pamplona.

Nach langer Abfahrt mit Kiefernduft um die Nase der nächste Höhepunkt: im kleinen Puente de la Reina vereinen sich die beiden Jakobswege Camino Navarro und Camino Aragonés und führen über die sechsbogige Römerbrücke nach Santiago de Compostela. Im Ortskern enge Gassen, stattliche Adelspaläste mit großen Portalen. In der Iglesia de Santiago zieht eine Jakobusskulptur im Pilgergewand die Blicke auf sich.

Die Sonne wärmt, der Wind kühlt, die Fahrt über offenes Hügelland ist ein Vergnügen. Wie eine Fata Morgana sitzt die Wehranlage El Cerco im Dunst über dem Dorf Artajona. Vor dem Anstieg ins Weinparadies um Tudela noch eine Siesta unter Hibiskusbäumen.

Olite – der kleine Ort mit der großen Burg südlich von Pamplona! Carlos III. ließ um 1600 über einem Meer von Rebstöcken sein Schloss errichten, eine rechte Disneyburg: Türmchen, Wendeltreppen, Wehrgänge und Höfe ineinander verschachtelt, ein riesiges Gewölbe mit hängenden Gärten.

Während die Navarreser draußen zu Ehren ihres Stadtpatrons Stiere durch die Gassen treiben, die Leute singen und tanzen, mundet drinnen in der Burg-Bar ein kräftiger Roter aus der Bodega Ochoa. Zwischen Ritterrüstungen und Wandteppichen wird am Abend bei schwerem, roten Crianza getafelt. Der Speisezettel des Landes: Fisch und Meeresgetier, Wildschwein, Ente und Lamm, Schinken, Schnecken, Schafs- und Ziegenkäse, Gemüse und fangfrische Langusten.

Auf dem Artxueta. In der Ferne das gewaltige Urbasa-Massiv, in der romanischen Kirche der Klosteranlage San Miguel in Excelsis der Altaraufsatz mit den meisterlichen Emaille-Medaillons. Die Abfahrt bei steifer Brise ist nicht ohne, Regen erschwert das Kurven. Gang durch ein urbaskisches Dorf mit typischen Bruchsteinhäusern. Am Fluss unter alten Bäumen erwartet uns ein Picknick vom Feinsten: Käse, Salamis, Schinken vom schwarzen Schwein, fois gras mit Pinienkernen, Salate, Weiß-, Rotweine, kühler Cava.

Durchs grüne Valle del Rìo Ezkurra begleiten uns hohe Felswände und das Gemurmel des Flusses. Mit dem Geruch regennasser Erde radeln wir unserer Unterkunft aus dem 18. Jahrhundert entgegen. Die Piementos de Padron, gegrillte grüne Paprikas, bleiben unvergessen.

Über eine lange Kette von Hügeln und Sare mit den weißen Häusern „reiten“ wir ins französische St. Jean de Luz ein, liebster Badeort der Franzosen an der Südwestküste: frische Luft, Strandpromenade, Cafés im Ortskern, baskische Souvenirs.

Der letzte schweißtreibende Tag führt nach Hondarribia. Das Fisch-Menü mit dem kühlen Weißen direkt am Golf von Bizkaya begeistert alle. Zu Fuß erreichen wir den Monte Ulia, die Concha-Bucht mit der Pracht von San Sebastían liegt uns zu Füßen. Gegenüber, vom Monte Urgull, hält Christus seine Hand segnend über die Bucht.
Wissenswertes zum Baskenland in Kurzform

Land und Leute: Das Baskenland liegt im Nordosten Spaniens an der Grenze zu Frankreich. Die Herkunft der Basken ist bis heute ungeklärt; ihre Sprache, Euskera, noch immer rätselhaft, sie ist mit keiner anderen Sprache verwandt. Viel Zeit verbringen sie beim Essen – mehr in Pintxos-Bars (sprich Pinchos) und Landgasthöfen als zuhause.
Anreise: Mit der Lufthansa über München nach Bilbao.

Verkehrsmittel: Achtgang-Fahrräder mit zwei Radtaschen werden vom Veranstalter gestellt. Ein Elektrorad kostet ca. 145 Euro Miete.
Unterkünfte: Man wohnt durchweg in Häusern mit Flair – meist in historischen Gemäuern.

Essen: Die Küche zählt zu der besten Spaniens, Experten sagen der Welt. Der Klassiker unter den Pintxos: tortilla espagnola, Kartoffelomelett. Ebenso raciones, ein Teller mit Schinken, Manchego-Käse, gefüllten Paprikas. Rosadas de Navarra-Weine sind sehr bekannt, Rioja-Rotweine zählen zur Weltspitze. Weißweine aus der verdejo-Traube kommen aus Rueda.
Reiseliteratur: Dumont „Nordspanien und der Jakobsweg“ mit Faltkarte, 22,99 Euro

Veranstalter: Bei Rotalis Reisen kostet die achttägige (sieben Nächte) Radtour im Doppelzimmer 1.750 Euro pro Person bei eigener Anreise. Das tägliche Picknick inklusive Wein ca. 16 Euro pro Person.
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Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.